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Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613.

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Der güldene Griff.
daraus wird erwiesen/ vnwiedersprechlich/ daß die Erkentnis aus
dem objecto nicht herfliesse/ sondern aus dem/ der es ansiehet vnd
erkennet/ das ist das Auge vnd nicht aus dem Gegenwurff/ cogni-
tio
kennet aus dem cognoscente, vnd nicht aus den cognosci-
bile objecto, Judicium
muß kommen aus dem judicante sein/
vnd nicht aus dem subjecto judicando. Es ist zweyerley judi-
cans
vnd judicandum, das eine ist activum, das ander ist passi-
vum,
das ist/ leidenlich.

Solte aber das Vrtheil vnd die Erkentnis von dem objecto
gehen/ vnd nicht vom Auge selber/ so müste nothwendig folgen/
das 10. Ertheiler oder Seher/ von einem einigen objecto oder Ge-
genwurff/ ein gleichförmiges Vrtheil vnd Erkentnis empfingen/
daß doch nicht ist/ dann so offt ein Aug/ so offt ein sonderlich Vr-
theil vnd Erkentnis/ von den einigen objecto felt/ so mancher Kopff
so manch Vrtheil/ so mancher Leser/ so mancher Sinn/ welches nit
geschehe/ so die Erkentnis oder das Vrtheil vom objecto herkomme/
in das Aug/ nach dem nu ein jeder ein Aug hat/ nach demselben sie-
het vnd erkennet er. Jst das Aug recht Liecht in dir/ so wird die Er-
kentnis vnd Vrtheil auch liecht vnd ohne Jrrthumb seyn/ Jst aber
dein Aug ein Schalck vnd finster/ so wird auch dein Erkendtnis
falsch vnd finster seyn/ daher geschlossen wird/ daß alle Erkentnis
aus dem Auge in das objectum gehn muß/ solches bezeugen das
Liecht der Natur/ denn Gott hat alle ding aus dem verborgnen her-
für geruffen an das Liecht/ aus dem geistlichen vnsichtbahren/ in
das leibliche vnd sichtbare/ daher alle sichtbare ding durch den vn-
sichtbaren Geist müssen vnd sollen ersehen vnd erkennet werden.

Ach O HERR Gott/ du vnsichtbarer verborgener
Schöpffer/ der du alle ding ersiehest in dir selber von innen/ ehe sie
herfür kommen/ der du auch die Engel also geschaffen hast/ daß
sie alle ding/ wie du von innen sehen/ in jhnen selber/ du bist

das

Der guͤldene Griff.
daraus wird erwieſen/ vnwiederſprechlich/ daß die Erkentnis aus
dem objecto nicht herflieſſe/ ſondern aus dem/ der es anſiehet vnd
erkennet/ das iſt das Auge vnd nicht aus dem Gegenwurff/ cogni-
tio
kennet aus dem cognoſcente, vnd nicht aus den cognoſci-
bile objecto, Judicium
muß kommen aus dem judicante ſein/
vnd nicht aus dem ſubjecto judicando. Es iſt zweyerley judi-
cans
vnd judicandum, das eine iſt activum, das ander iſt paſſi-
vum,
das iſt/ leidenlich.

Solte aber das Vrtheil vnd die Erkentnis von dem objecto
gehen/ vnd nicht vom Auge ſelber/ ſo muͤſte nothwendig folgen/
das 10. Ertheiler oder Seher/ von einem einigen objecto oder Ge-
genwurff/ ein gleichfoͤrmiges Vrtheil vnd Erkentnis empfingen/
daß doch nicht iſt/ dann ſo offt ein Aug/ ſo offt ein ſonderlich Vr-
theil vnd Erkentnis/ von dẽ einigen objecto felt/ ſo mancher Kopff
ſo manch Vrtheil/ ſo mancher Leſer/ ſo mancher Sinn/ welches nit
geſchehe/ ſo die Erkentnis oder das Vrtheil vom objecto herkom̃e/
in das Aug/ nach dem nu ein jeder ein Aug hat/ nach demſelben ſie-
het vnd erkennet er. Jſt das Aug recht Liecht in dir/ ſo wird die Er-
kentnis vnd Vrtheil auch liecht vnd ohne Jrꝛthumb ſeyn/ Jſt aber
dein Aug ein Schalck vnd finſter/ ſo wird auch dein Erkendtnis
falſch vnd finſter ſeyn/ daher geſchloſſen wird/ daß alle Erkentnis
aus dem Auge in das objectum gehn muß/ ſolches bezeugen das
Liecht der Natur/ deñ Gott hat alle ding aus dem verborgnen her-
fuͤr geruffen an das Liecht/ aus dem geiſtlichen vnſichtbahren/ in
das leibliche vnd ſichtbare/ daher alle ſichtbare ding durch den vn-
ſichtbaren Geiſt muͤſſen vnd ſollen erſehen vnd erkennet werden.

Ach O HERR Gott/ du vnſichtbarer verborgener
Schoͤpffer/ der du alle ding erſieheſt in dir ſelber von innen/ ehe ſie
herfuͤr kommen/ der du auch die Engel alſo geſchaffen haſt/ daß
ſie alle ding/ wie du von innen ſehen/ in jhnen ſelber/ du biſt

das
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[0073] Der guͤldene Griff. daraus wird erwieſen/ vnwiederſprechlich/ daß die Erkentnis aus dem objecto nicht herflieſſe/ ſondern aus dem/ der es anſiehet vnd erkennet/ das iſt das Auge vnd nicht aus dem Gegenwurff/ cogni- tio kennet aus dem cognoſcente, vnd nicht aus den cognoſci- bile objecto, Judicium muß kommen aus dem judicante ſein/ vnd nicht aus dem ſubjecto judicando. Es iſt zweyerley judi- cans vnd judicandum, das eine iſt activum, das ander iſt paſſi- vum, das iſt/ leidenlich. Solte aber das Vrtheil vnd die Erkentnis von dem objecto gehen/ vnd nicht vom Auge ſelber/ ſo muͤſte nothwendig folgen/ das 10. Ertheiler oder Seher/ von einem einigen objecto oder Ge- genwurff/ ein gleichfoͤrmiges Vrtheil vnd Erkentnis empfingen/ daß doch nicht iſt/ dann ſo offt ein Aug/ ſo offt ein ſonderlich Vr- theil vnd Erkentnis/ von dẽ einigen objecto felt/ ſo mancher Kopff ſo manch Vrtheil/ ſo mancher Leſer/ ſo mancher Sinn/ welches nit geſchehe/ ſo die Erkentnis oder das Vrtheil vom objecto herkom̃e/ in das Aug/ nach dem nu ein jeder ein Aug hat/ nach demſelben ſie- het vnd erkennet er. Jſt das Aug recht Liecht in dir/ ſo wird die Er- kentnis vnd Vrtheil auch liecht vnd ohne Jrꝛthumb ſeyn/ Jſt aber dein Aug ein Schalck vnd finſter/ ſo wird auch dein Erkendtnis falſch vnd finſter ſeyn/ daher geſchloſſen wird/ daß alle Erkentnis aus dem Auge in das objectum gehn muß/ ſolches bezeugen das Liecht der Natur/ deñ Gott hat alle ding aus dem verborgnen her- fuͤr geruffen an das Liecht/ aus dem geiſtlichen vnſichtbahren/ in das leibliche vnd ſichtbare/ daher alle ſichtbare ding durch den vn- ſichtbaren Geiſt muͤſſen vnd ſollen erſehen vnd erkennet werden. Ach O HERR Gott/ du vnſichtbarer verborgener Schoͤpffer/ der du alle ding erſieheſt in dir ſelber von innen/ ehe ſie herfuͤr kommen/ der du auch die Engel alſo geſchaffen haſt/ daß ſie alle ding/ wie du von innen ſehen/ in jhnen ſelber/ du biſt das

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Zitationshilfe: Weigel, Valentin: Der güldene Griff/ Alle Ding ohne Jrrthumb zuerkennen. Halle (Saale), 1613, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_gueldenergriff_1613/73>, abgerufen am 24.11.2024.