Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674.

Bild:
<< vorherige Seite

Capitel. insonderheit.
hangen/ und also miteinander eine unzertrennte Moralische Er-
streckung darstellen/ eben als die partes extra partes, oder die ne-
ben einander stehende Stücklein des Cörpers eine aneinander
hangende Extension und Erstreckung geben.

§. 6. Gleichwie aber die Extension wenn sie genau ermessen
und erwogen werden soll/ allezeit durch einen gewissen Umkreiß
und durch gewisse Marcken abgesondert werden/ und eine gewisse
Figur darstellen muß/ derer eine mehr dieandre weniger in sich fas-
sen kan/ eine rund/ bauchigt und weit; die ander eckigt/ spissig und
eng ist/ eine geschickt und scharff; die andre weniger geschickt und
stumpff/ sich befindet; also wenn die Existimation auch genau er-
messen und erwogen werden soll/ so muß sie durch gewisse Mar-
cken und Bezirck sich als eine gewisse Figur und Ansehligkeit vor-
stellen/ welche grösser oder geringer seyn kan/ dadurch die Per-
sonen mehr oder weniger gelten/ mehr ansehlich oder minder an-
sehlich genennet werden können; und dieses in unterschiedener
Quantität/ nach dem eine Person viel oder wenig zum gemeinen
Wesen beyträget/ oder beyzutragen davor gehalten werden
soll.

§. 7. Weil man aber im gemeinen Wesen die Ermessung
der Achtbarkeit und Ansehligkeit oder Geltung nicht alle Stund
und Augenblick vornehmen und anstellen/ und nach eines seiner
würcklichen Beytragung ihme die Achtbarkeit und Ansehligkeit
oder Geltung dagegen zumessen oder zuwegen kan; so hat man/
wie bey der Mathematic auch sonst gebräuchlich ist/ gewisse Stu-
fen und gradus gesetzet/ und insonderheit so hat man einem jeden
Stand einen gewissen Grad der Achtbarkeit zugerechnet. Wenn
sich nun eine Person darein begiebet/ oder darinnen sich befindet/
so ziehet sie dasselbe Maß der Achtbarkeit zugleich mit dem Titel
an; und also gehet dieses Messen mit Vortheil von statten. Da-
hero schreibt man einem dem Hoch-Wohl oder Vor-Acht-
barn/ Achtbarn/ Ehrengeachten/
nach dem einer in einem
hohen oder niedrigen Stand sich befindet.

§. 8. Sind also die Titel nichts anders als eine gleichsam
angeschnittene oder darüber geschriebene Zahl der Quantität/
wie viel die Person gelte/ oder wie groß ihre Achtbarkeit sey. Und

solte

Capitel. inſonderheit.
hangen/ und alſo miteinander eine unzertrennte Moraliſche Er-
ſtreckung darſtellen/ eben als die partes extra partes, oder die ne-
ben einander ſtehende Stuͤcklein des Coͤrpers eine aneinander
hangende Extenſion und Erſtreckung geben.

§. 6. Gleichwie aber die Extenſion wenn ſie genau ermeſſen
und erwogen werden ſoll/ allezeit durch einen gewiſſen Umkreiß
und durch gewiſſe Marcken abgeſondert werden/ und eine gewiſſe
Figur darſtellen muß/ derer eine mehr dieandre weniger in ſich faſ-
ſen kan/ eine rund/ bauchigt und weit; die ander eckigt/ ſpiſſig und
eng iſt/ eine geſchickt und ſcharff; die andre weniger geſchickt und
ſtumpff/ ſich befindet; alſo wenn die Exiſtimation auch genau er-
meſſen und erwogen werden ſoll/ ſo muß ſie durch gewiſſe Mar-
cken und Bezirck ſich als eine gewiſſe Figur und Anſehligkeit vor-
ſtellen/ welche groͤſſer oder geringer ſeyn kan/ dadurch die Per-
ſonen mehr oder weniger gelten/ mehr anſehlich oder minder an-
ſehlich genennet werden koͤnnen; und dieſes in unterſchiedener
Quantitaͤt/ nach dem eine Perſon viel oder wenig zum gemeinen
Weſen beytraͤget/ oder beyzutragen davor gehalten werden
ſoll.

§. 7. Weil man aber im gemeinen Weſen die Ermeſſung
der Achtbarkeit und Anſehligkeit oder Geltung nicht alle Stund
und Augenblick vornehmen und anſtellen/ und nach eines ſeiner
wuͤrcklichen Beytragung ihme die Achtbarkeit und Anſehligkeit
oder Geltung dagegen zumeſſen oder zuwegen kan; ſo hat man/
wie bey der Mathematic auch ſonſt gebraͤuchlich iſt/ gewiſſe Stu-
fen und gradus geſetzet/ und inſonderheit ſo hat man einem jeden
Stand einen gewiſſen Grad der Achtbarkeit zugerechnet. Wenn
ſich nun eine Perſon darein begiebet/ oder darinnen ſich befindet/
ſo ziehet ſie daſſelbe Maß der Achtbarkeit zugleich mit dem Titel
an; und alſo gehet dieſes Meſſen mit Vortheil von ſtatten. Da-
hero ſchreibt man einem dem Hoch-Wohl oder Vor-Acht-
barn/ Achtbarn/ Ehrengeachten/
nach dem einer in einem
hohen oder niedrigen Stand ſich befindet.

§. 8. Sind alſo die Titel nichts anders als eine gleichſam
angeſchnittene oder daruͤber geſchriebene Zahl der Quantitaͤt/
wie viel die Perſon gelte/ oder wie groß ihre Achtbarkeit ſey. Und

ſolte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0113" n="103"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Capitel. in&#x017F;onderheit.</hi></fw><lb/>
hangen/ und al&#x017F;o miteinander eine unzertrennte Morali&#x017F;che Er-<lb/>
&#x017F;treckung dar&#x017F;tellen/ eben als die <hi rendition="#aq">partes extra partes,</hi> oder die ne-<lb/>
ben einander &#x017F;tehende Stu&#x0364;cklein des Co&#x0364;rpers eine aneinander<lb/>
hangende <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ion</hi> und Er&#x017F;treckung geben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 6. Gleichwie aber die <hi rendition="#aq">Exten&#x017F;ion</hi> wenn &#x017F;ie genau erme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und erwogen werden &#x017F;oll/ allezeit durch einen gewi&#x017F;&#x017F;en Umkreiß<lb/>
und durch gewi&#x017F;&#x017F;e Marcken abge&#x017F;ondert werden/ und eine gewi&#x017F;&#x017F;e<lb/>
Figur dar&#x017F;tellen muß/ derer eine mehr dieandre weniger in &#x017F;ich fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en kan/ eine rund/ bauchigt und weit; die ander eckigt/ &#x017F;pi&#x017F;&#x017F;ig und<lb/>
eng i&#x017F;t/ eine ge&#x017F;chickt und &#x017F;charff; die andre weniger ge&#x017F;chickt und<lb/>
&#x017F;tumpff/ &#x017F;ich befindet; al&#x017F;o wenn die <hi rendition="#aq">Exi&#x017F;timation</hi> auch genau er-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en und erwogen werden &#x017F;oll/ &#x017F;o muß &#x017F;ie durch gewi&#x017F;&#x017F;e Mar-<lb/>
cken und Bezirck &#x017F;ich als eine gewi&#x017F;&#x017F;e Figur und An&#x017F;ehligkeit vor-<lb/>
&#x017F;tellen/ welche gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er oder geringer &#x017F;eyn kan/ dadurch die Per-<lb/>
&#x017F;onen mehr oder weniger gelten/ mehr an&#x017F;ehlich oder minder an-<lb/>
&#x017F;ehlich genennet werden ko&#x0364;nnen; und die&#x017F;es in unter&#x017F;chiedener<lb/>
Quantita&#x0364;t/ nach dem eine Per&#x017F;on viel oder wenig zum gemeinen<lb/>
We&#x017F;en beytra&#x0364;get/ oder beyzutragen davor gehalten werden<lb/>
&#x017F;oll.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 7. Weil man aber im gemeinen We&#x017F;en die Erme&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
der Achtbarkeit und An&#x017F;ehligkeit oder Geltung nicht alle Stund<lb/>
und Augenblick vornehmen und an&#x017F;tellen/ und nach eines &#x017F;einer<lb/>
wu&#x0364;rcklichen Beytragung ihme die Achtbarkeit und An&#x017F;ehligkeit<lb/>
oder Geltung dagegen zume&#x017F;&#x017F;en oder zuwegen kan; &#x017F;o hat man/<lb/>
wie bey der Mathematic auch &#x017F;on&#x017F;t gebra&#x0364;uchlich i&#x017F;t/ gewi&#x017F;&#x017F;e Stu-<lb/>
fen und <hi rendition="#aq">gradus</hi> ge&#x017F;etzet/ und in&#x017F;onderheit &#x017F;o hat man einem jeden<lb/>
Stand einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad der Achtbarkeit zugerechnet. Wenn<lb/>
&#x017F;ich nun eine Per&#x017F;on darein begiebet/ oder darinnen &#x017F;ich befindet/<lb/>
&#x017F;o ziehet &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe Maß der Achtbarkeit zugleich mit dem Titel<lb/>
an; und al&#x017F;o gehet die&#x017F;es Me&#x017F;&#x017F;en mit Vortheil von &#x017F;tatten. Da-<lb/>
hero &#x017F;chreibt man einem dem <hi rendition="#fr">Hoch-Wohl</hi> oder <hi rendition="#fr">Vor-Acht-<lb/>
barn/ Achtbarn/ Ehrengeachten/</hi> nach dem einer in einem<lb/>
hohen oder niedrigen Stand &#x017F;ich befindet.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#i">§.</hi> 8. Sind al&#x017F;o die Titel nichts anders als eine gleich&#x017F;am<lb/>
ange&#x017F;chnittene oder daru&#x0364;ber ge&#x017F;chriebene Zahl der Quantita&#x0364;t/<lb/>
wie viel die Per&#x017F;on gelte/ oder wie groß ihre Achtbarkeit &#x017F;ey. Und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0113] Capitel. inſonderheit. hangen/ und alſo miteinander eine unzertrennte Moraliſche Er- ſtreckung darſtellen/ eben als die partes extra partes, oder die ne- ben einander ſtehende Stuͤcklein des Coͤrpers eine aneinander hangende Extenſion und Erſtreckung geben. §. 6. Gleichwie aber die Extenſion wenn ſie genau ermeſſen und erwogen werden ſoll/ allezeit durch einen gewiſſen Umkreiß und durch gewiſſe Marcken abgeſondert werden/ und eine gewiſſe Figur darſtellen muß/ derer eine mehr dieandre weniger in ſich faſ- ſen kan/ eine rund/ bauchigt und weit; die ander eckigt/ ſpiſſig und eng iſt/ eine geſchickt und ſcharff; die andre weniger geſchickt und ſtumpff/ ſich befindet; alſo wenn die Exiſtimation auch genau er- meſſen und erwogen werden ſoll/ ſo muß ſie durch gewiſſe Mar- cken und Bezirck ſich als eine gewiſſe Figur und Anſehligkeit vor- ſtellen/ welche groͤſſer oder geringer ſeyn kan/ dadurch die Per- ſonen mehr oder weniger gelten/ mehr anſehlich oder minder an- ſehlich genennet werden koͤnnen; und dieſes in unterſchiedener Quantitaͤt/ nach dem eine Perſon viel oder wenig zum gemeinen Weſen beytraͤget/ oder beyzutragen davor gehalten werden ſoll. §. 7. Weil man aber im gemeinen Weſen die Ermeſſung der Achtbarkeit und Anſehligkeit oder Geltung nicht alle Stund und Augenblick vornehmen und anſtellen/ und nach eines ſeiner wuͤrcklichen Beytragung ihme die Achtbarkeit und Anſehligkeit oder Geltung dagegen zumeſſen oder zuwegen kan; ſo hat man/ wie bey der Mathematic auch ſonſt gebraͤuchlich iſt/ gewiſſe Stu- fen und gradus geſetzet/ und inſonderheit ſo hat man einem jeden Stand einen gewiſſen Grad der Achtbarkeit zugerechnet. Wenn ſich nun eine Perſon darein begiebet/ oder darinnen ſich befindet/ ſo ziehet ſie daſſelbe Maß der Achtbarkeit zugleich mit dem Titel an; und alſo gehet dieſes Meſſen mit Vortheil von ſtatten. Da- hero ſchreibt man einem dem Hoch-Wohl oder Vor-Acht- barn/ Achtbarn/ Ehrengeachten/ nach dem einer in einem hohen oder niedrigen Stand ſich befindet. §. 8. Sind alſo die Titel nichts anders als eine gleichſam angeſchnittene oder daruͤber geſchriebene Zahl der Quantitaͤt/ wie viel die Perſon gelte/ oder wie groß ihre Achtbarkeit ſey. Und ſolte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/113
Zitationshilfe: Weigel, Erhard: Arithmetische Beschreibung der Moral-Weißheit von Personen und Sachen Worauf das gemeine Wesen bestehet. Jena, 1674, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weigel_moralweissheit_1674/113>, abgerufen am 21.11.2024.