Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


stall gewiesen/ da hätte er seine Liebes-Gedan-
cken in die Pflaster-Steine eindrücken mögen.
Doch ist es nicht eine Thorheit/ sagte er wei-
ter/ daß ein junger Mensch mit solchen Eitel-
keiten kan schwanger gehen. Da fressen sie
den Narren an einer Person/ und wissen dar-
nach nicht/ was sie haben wollen; sie lauffen
und wissen nicht wohin/ drum ist es auch kein
Wunder/ daß solche schöne Brieffe an den
Tag kommen/ die keinen Verstand in sich ha-
ben. Jch weiß nicht wer der verliebte Schä-
ferknabe seyn muß: aber das will ich mich
verwetten/ er soll selbst nicht verstehen/ was
der Brieff heissen soll. Und also wird es wahr;
Stultus agit sine fine. Florindo hörete es
mit an/ und furchte sich/ der Hoffmeister möch-
te eine Application machen auff das Liebes-
Brieffgen/ welchen er neulich von seiner Lieb-
sten erhalten. Drum machte er eine diversi-
on
und suchte das Papier wieder hervor/ be-
gehrende/ Gelanor möchte doch weiter nach-
suchen. Es war aber so untereinander ge-
schmiert/ auch so offt verändert/ daß man
schwerlich etwas daraus nehmen konte. Ei-
nes war noch mit Müh und Noth zu lesen/
welches auch Gelanor mit seinen Glossen ver-
mehrte/ wie folget:

Schö-
E iij


ſtall gewieſen/ da haͤtte er ſeine Liebes-Gedan-
cken in die Pflaſter-Steine eindruͤcken moͤgen.
Doch iſt es nicht eine Thorheit/ ſagte er wei-
ter/ daß ein junger Menſch mit ſolchen Eitel-
keiten kan ſchwanger gehen. Da freſſen ſie
den Narren an einer Perſon/ und wiſſen dar-
nach nicht/ was ſie haben wollen; ſie lauffen
und wiſſen nicht wohin/ drum iſt es auch kein
Wunder/ daß ſolche ſchoͤne Brieffe an den
Tag kommen/ die keinen Verſtand in ſich ha-
ben. Jch weiß nicht wer der verliebte Schaͤ-
ferknabe ſeyn muß: aber das will ich mich
verwetten/ er ſoll ſelbſt nicht verſtehen/ was
der Brieff heiſſen ſoll. Und alſo wird es wahr;
Stultus agit ſine fine. Florindo hoͤrete es
mit an/ und furchte ſich/ der Hoffmeiſter moͤch-
te eine Application machen auff das Liebes-
Brieffgen/ welchen er neulich von ſeiner Lieb-
ſten erhalten. Drum machte er eine diverſi-
on
und ſuchte das Papier wieder hervor/ be-
gehrende/ Gelanor moͤchte doch weiter nach-
ſuchen. Es war aber ſo untereinander ge-
ſchmiert/ auch ſo offt veraͤndert/ daß man
ſchwerlich etwas daraus nehmen konte. Ei-
nes war noch mit Muͤh und Noth zu leſen/
welches auch Gelanor mit ſeinen Gloſſen ver-
mehrte/ wie folget:

Schoͤ-
E iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0107" n="101"/><lb/>
&#x017F;tall gewie&#x017F;en/ da ha&#x0364;tte er &#x017F;eine Liebes-Gedan-<lb/>
cken in die Pfla&#x017F;ter-Steine eindru&#x0364;cken mo&#x0364;gen.<lb/>
Doch i&#x017F;t es nicht eine Thorheit/ &#x017F;agte er wei-<lb/>
ter/ daß ein junger Men&#x017F;ch mit &#x017F;olchen Eitel-<lb/>
keiten kan &#x017F;chwanger gehen. Da fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
den Narren an einer Per&#x017F;on/ und wi&#x017F;&#x017F;en dar-<lb/>
nach nicht/ was &#x017F;ie haben wollen; &#x017F;ie lauffen<lb/>
und wi&#x017F;&#x017F;en nicht wohin/ drum i&#x017F;t es auch kein<lb/>
Wunder/ daß &#x017F;olche &#x017F;cho&#x0364;ne Brieffe an den<lb/>
Tag kommen/ die keinen Ver&#x017F;tand in &#x017F;ich ha-<lb/>
ben. Jch weiß nicht wer der verliebte Scha&#x0364;-<lb/>
ferknabe &#x017F;eyn muß: aber das will ich mich<lb/>
verwetten/ er &#x017F;oll &#x017F;elb&#x017F;t nicht ver&#x017F;tehen/ was<lb/>
der Brieff hei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;oll. <hi rendition="#aq">U</hi>nd al&#x017F;o wird es wahr;<lb/><hi rendition="#aq">Stultus agit &#x017F;ine fine. Florindo</hi> ho&#x0364;rete es<lb/>
mit an/ und furchte &#x017F;ich/ der Hoffmei&#x017F;ter mo&#x0364;ch-<lb/>
te eine <hi rendition="#aq">Application</hi> machen auff das Liebes-<lb/>
Brieffgen/ welchen er neulich von &#x017F;einer Lieb-<lb/>
&#x017F;ten erhalten. Drum machte er eine <hi rendition="#aq">diver&#x017F;i-<lb/>
on</hi> und &#x017F;uchte das Papier wieder hervor/ be-<lb/>
gehrende/ <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> mo&#x0364;chte doch weiter nach-<lb/>
&#x017F;uchen. Es war aber &#x017F;o untereinander ge-<lb/>
&#x017F;chmiert/ auch &#x017F;o offt vera&#x0364;ndert/ daß man<lb/>
&#x017F;chwerlich etwas daraus nehmen konte. Ei-<lb/>
nes war noch mit Mu&#x0364;h und Noth zu le&#x017F;en/<lb/>
welches auch <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> mit &#x017F;einen Glo&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
mehrte/ wie folget:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E iij</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Scho&#x0364;-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0107] ſtall gewieſen/ da haͤtte er ſeine Liebes-Gedan- cken in die Pflaſter-Steine eindruͤcken moͤgen. Doch iſt es nicht eine Thorheit/ ſagte er wei- ter/ daß ein junger Menſch mit ſolchen Eitel- keiten kan ſchwanger gehen. Da freſſen ſie den Narren an einer Perſon/ und wiſſen dar- nach nicht/ was ſie haben wollen; ſie lauffen und wiſſen nicht wohin/ drum iſt es auch kein Wunder/ daß ſolche ſchoͤne Brieffe an den Tag kommen/ die keinen Verſtand in ſich ha- ben. Jch weiß nicht wer der verliebte Schaͤ- ferknabe ſeyn muß: aber das will ich mich verwetten/ er ſoll ſelbſt nicht verſtehen/ was der Brieff heiſſen ſoll. Und alſo wird es wahr; Stultus agit ſine fine. Florindo hoͤrete es mit an/ und furchte ſich/ der Hoffmeiſter moͤch- te eine Application machen auff das Liebes- Brieffgen/ welchen er neulich von ſeiner Lieb- ſten erhalten. Drum machte er eine diverſi- on und ſuchte das Papier wieder hervor/ be- gehrende/ Gelanor moͤchte doch weiter nach- ſuchen. Es war aber ſo untereinander ge- ſchmiert/ auch ſo offt veraͤndert/ daß man ſchwerlich etwas daraus nehmen konte. Ei- nes war noch mit Muͤh und Noth zu leſen/ welches auch Gelanor mit ſeinen Gloſſen ver- mehrte/ wie folget: Schoͤ- E iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/107
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/107>, abgerufen am 21.11.2024.