Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

Bild:
<< vorherige Seite


dert sich ferner iemand über die neue Schreib-
richtigkeit: So muß ich sagen/ daß derselbe
noch nicht Teutsch versteht. E. ist kein Teut-
scher Buchstabe/ V. auch nicht/ Y. auch nicht/
ja auch das Q. Warumb solt ich nun falsch
schreiben/ da ich es besser wüste? Gesetzt auch/
daß die Gewohnheit nun im Gegentheil einge-
rissen wäre: So folgt es nicht/ daß die Men-
ge der Jrrenden die Sache deswegen gut
machen müste. Gelanor hörete mit grosser
Gedult zu/ wie der gute Stümper in seiner
Thorheit ersoffen war. Letzlich fieng er also
an: Jhr lieber Mensch/ seyd ihrs/ der dem Va-
terlande wieder auf die Beine helffen will. Ach
besinnet euch besser/ und lasset euch die
Schwachheiten nicht so sehr einnehmen/ denn
was wollet ihr vors erste sagen/ es wäre Hoch-
Teutsch geschrieben/ ja wohl/ dencket ihr/ euere
Sachen sind noch so hoch/ daß sie keine Ziege
weglecken soll. Aber es hat die Gefahr nicht.
Das Hochteutsche muß auch verständlich
seyn/ und muß nicht wieder die Natur der
Sprache selbst lauffen. Uber dis könte auch
eine Eitelkeit grösser seyn/ als daß man sich ein-
bildet/ es sey ein Wort besser als das ander?
Ein Wort ist ein Wort/ das ist/ ein blosser
Schall/ der vor sich nichts heist/ und nur zu

einer


dert ſich ferner iemand uͤber die neue Schreib-
richtigkeit: So muß ich ſagen/ daß derſelbe
noch nicht Teutſch verſteht. E. iſt kein Teut-
ſcher Buchſtabe/ V. auch nicht/ Y. auch nicht/
ja auch das Q. Warumb ſolt ich nun falſch
ſchreiben/ da ich es beſſer wuͤſte? Geſetzt auch/
daß die Gewohnheit nun im Gegentheil einge-
riſſen waͤre: So folgt es nicht/ daß die Men-
ge der Jrrenden die Sache deswegen gut
machen muͤſte. Gelanor hoͤrete mit groſſer
Gedult zu/ wie der gute Stuͤmper in ſeiner
Thorheit erſoffen war. Letzlich fieng er alſo
an: Jhr lieber Menſch/ ſeyd ihrs/ der dem Va-
terlande wieder auf die Beine helffen will. Ach
beſinnet euch beſſer/ und laſſet euch die
Schwachheiten nicht ſo ſehr einnehmen/ deñ
was wollet ihr vors erſte ſagen/ es waͤre Hoch-
Teutſch geſchrieben/ ja wohl/ dencket ihr/ euere
Sachen ſind noch ſo hoch/ daß ſie keine Ziege
weglecken ſoll. Aber es hat die Gefahr nicht.
Das Hochteutſche muß auch verſtaͤndlich
ſeyn/ und muß nicht wieder die Natur der
Sprache ſelbſt lauffen. Uber dis koͤnte auch
eine Eitelkeit groͤſſer ſeyn/ als daß man ſich ein-
bildet/ es ſey ein Wort beſſer als das ander?
Ein Wort iſt ein Wort/ das iſt/ ein bloſſer
Schall/ der vor ſich nichts heiſt/ und nur zu

einer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="117"/><lb/>
dert &#x017F;ich ferner iemand u&#x0364;ber die neue Schreib-<lb/>
richtigkeit: So muß ich &#x017F;agen/ daß der&#x017F;elbe<lb/>
noch nicht Teut&#x017F;ch ver&#x017F;teht. E. i&#x017F;t kein Teut-<lb/>
&#x017F;cher Buch&#x017F;tabe/ V. auch nicht/ Y. auch nicht/<lb/>
ja auch das Q. Warumb &#x017F;olt ich nun fal&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;chreiben/ da ich es be&#x017F;&#x017F;er wu&#x0364;&#x017F;te? Ge&#x017F;etzt auch/<lb/>
daß die Gewohnheit nun im Gegentheil einge-<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en wa&#x0364;re: So folgt es nicht/ daß die Men-<lb/>
ge der Jrrenden die Sache deswegen gut<lb/>
machen mu&#x0364;&#x017F;te. <hi rendition="#aq">Gelanor</hi> ho&#x0364;rete mit gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Gedult zu/ wie der gute Stu&#x0364;mper in &#x017F;einer<lb/>
Thorheit er&#x017F;offen war. Letzlich fieng er al&#x017F;o<lb/>
an: Jhr lieber Men&#x017F;ch/ &#x017F;eyd ihrs/ der dem Va-<lb/>
terlande wieder auf die Beine helffen will. Ach<lb/>
be&#x017F;innet euch be&#x017F;&#x017F;er/ und la&#x017F;&#x017F;et euch die<lb/>
Schwachheiten nicht &#x017F;o &#x017F;ehr einnehmen/ den&#x0303;<lb/>
was wollet ihr vors er&#x017F;te &#x017F;agen/ es wa&#x0364;re Hoch-<lb/>
Teut&#x017F;ch ge&#x017F;chrieben/ ja wohl/ dencket ihr/ euere<lb/>
Sachen &#x017F;ind noch &#x017F;o hoch/ daß &#x017F;ie keine Ziege<lb/>
weglecken &#x017F;oll. Aber es hat die Gefahr nicht.<lb/>
Das Hochteut&#x017F;che muß auch ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/>
&#x017F;eyn/ und muß nicht wieder die Natur der<lb/>
Sprache &#x017F;elb&#x017F;t lauffen. Uber dis ko&#x0364;nte auch<lb/>
eine Eitelkeit gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn/ als daß man &#x017F;ich ein-<lb/>
bildet/ es &#x017F;ey ein Wort be&#x017F;&#x017F;er als das ander?<lb/>
Ein Wort i&#x017F;t ein Wort/ das i&#x017F;t/ ein blo&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Schall/ der vor &#x017F;ich nichts hei&#x017F;t/ und nur zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einer</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0123] dert ſich ferner iemand uͤber die neue Schreib- richtigkeit: So muß ich ſagen/ daß derſelbe noch nicht Teutſch verſteht. E. iſt kein Teut- ſcher Buchſtabe/ V. auch nicht/ Y. auch nicht/ ja auch das Q. Warumb ſolt ich nun falſch ſchreiben/ da ich es beſſer wuͤſte? Geſetzt auch/ daß die Gewohnheit nun im Gegentheil einge- riſſen waͤre: So folgt es nicht/ daß die Men- ge der Jrrenden die Sache deswegen gut machen muͤſte. Gelanor hoͤrete mit groſſer Gedult zu/ wie der gute Stuͤmper in ſeiner Thorheit erſoffen war. Letzlich fieng er alſo an: Jhr lieber Menſch/ ſeyd ihrs/ der dem Va- terlande wieder auf die Beine helffen will. Ach beſinnet euch beſſer/ und laſſet euch die Schwachheiten nicht ſo ſehr einnehmen/ deñ was wollet ihr vors erſte ſagen/ es waͤre Hoch- Teutſch geſchrieben/ ja wohl/ dencket ihr/ euere Sachen ſind noch ſo hoch/ daß ſie keine Ziege weglecken ſoll. Aber es hat die Gefahr nicht. Das Hochteutſche muß auch verſtaͤndlich ſeyn/ und muß nicht wieder die Natur der Sprache ſelbſt lauffen. Uber dis koͤnte auch eine Eitelkeit groͤſſer ſeyn/ als daß man ſich ein- bildet/ es ſey ein Wort beſſer als das ander? Ein Wort iſt ein Wort/ das iſt/ ein bloſſer Schall/ der vor ſich nichts heiſt/ und nur zu einer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der Ausgabe handelt es sich um die 2. Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/123
Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/123>, abgerufen am 21.11.2024.