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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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lein wer mit seinen abgeschmackten Pickelhe-
rings-Possen überall auffgezogen kömmt/ und
die Sau-glocke brav darzu läuten läst/ der ist
nicht werth/ daß er einem ehrlichen Manne soll
an der Seite sitzen. Daß Fürsten und Her-
ren ihre Hoffnarren halten/ das hat gar eine
andere Ursache/ die den Politicis bekandt ist/
wie man auch offt erfahren/ daß so ein kurtz-
weiliger Rath mit einem Worte mehr Nutz
geschafft als andere/ die sich so kühn und offen-
hertzig nicht dürffen herauß lassen. Gleich-
wohl muß ich bekennen/ daß ich dergleichen
Leute vor die Elendesten halte/ und fast so lieb
wolte von dem Türcken gefangen seyn/ als in
solcher Qvalität zu Hoffe leben. Und wie
schwer werden es dieselben bey Gott zu ver-
antworten haben/ welche bißweilen ein Kind
mit Wissen und Willen verwarlosen/ und zum
Narren machen/ nur daß es nicht an kurtzwei-
ligen Personen mangelt.

Als nun Gelanor solche Discurse führete/
saß der lustige Pickelhering mit nieder geschla-
genen Augen/ und schämete sich: denn seine
Vernunfft sagte es ihm klar genug/ daß er sich
vor erbaren Leuten scheuen/ und mit derglei-
chen liederlichem Wesen hätte sollen zurücke
halten. Doch was wolte er machen/ verant-

wor-


lein wer mit ſeinen abgeſchmackten Pickelhe-
rings-Poſſen uͤberall auffgezogen koͤmmt/ und
die Sau-glocke brav darzu laͤuten laͤſt/ der iſt
nicht werth/ daß er einem ehrlichen Manne ſoll
an der Seite ſitzen. Daß Fuͤrſten und Her-
ren ihre Hoffnarren halten/ das hat gar eine
andere Urſache/ die den Politicis bekandt iſt/
wie man auch offt erfahren/ daß ſo ein kurtz-
weiliger Rath mit einem Worte mehr Nutz
geſchafft als andere/ die ſich ſo kuͤhn und offen-
hertzig nicht duͤrffen herauß laſſen. Gleich-
wohl muß ich bekennen/ daß ich dergleichen
Leute vor die Elendeſten halte/ und faſt ſo lieb
wolte von dem Tuͤrcken gefangen ſeyn/ als in
ſolcher Qvalitaͤt zu Hoffe leben. Und wie
ſchwer werden es dieſelben bey Gott zu ver-
antworten haben/ welche bißweilen ein Kind
mit Wiſſen und Willen verwarloſen/ und zum
Narren machen/ nur daß es nicht an kurtzwei-
ligen Perſonen mangelt.

Als nun Gelanor ſolche Diſcurſe fuͤhrete/
ſaß der luſtige Pickelhering mit nieder geſchla-
genen Augen/ und ſchaͤmete ſich: denn ſeine
Vernunfft ſagte es ihm klar genug/ daß er ſich
vor erbaren Leuten ſcheuen/ und mit derglei-
chen liederlichem Weſen haͤtte ſollen zuruͤcke
halten. Doch was wolte er machen/ verant-

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[309/0315] lein wer mit ſeinen abgeſchmackten Pickelhe- rings-Poſſen uͤberall auffgezogen koͤmmt/ und die Sau-glocke brav darzu laͤuten laͤſt/ der iſt nicht werth/ daß er einem ehrlichen Manne ſoll an der Seite ſitzen. Daß Fuͤrſten und Her- ren ihre Hoffnarren halten/ das hat gar eine andere Urſache/ die den Politicis bekandt iſt/ wie man auch offt erfahren/ daß ſo ein kurtz- weiliger Rath mit einem Worte mehr Nutz geſchafft als andere/ die ſich ſo kuͤhn und offen- hertzig nicht duͤrffen herauß laſſen. Gleich- wohl muß ich bekennen/ daß ich dergleichen Leute vor die Elendeſten halte/ und faſt ſo lieb wolte von dem Tuͤrcken gefangen ſeyn/ als in ſolcher Qvalitaͤt zu Hoffe leben. Und wie ſchwer werden es dieſelben bey Gott zu ver- antworten haben/ welche bißweilen ein Kind mit Wiſſen und Willen verwarloſen/ und zum Narren machen/ nur daß es nicht an kurtzwei- ligen Perſonen mangelt. Als nun Gelanor ſolche Diſcurſe fuͤhrete/ ſaß der luſtige Pickelhering mit nieder geſchla- genen Augen/ und ſchaͤmete ſich: denn ſeine Vernunfft ſagte es ihm klar genug/ daß er ſich vor erbaren Leuten ſcheuen/ und mit derglei- chen liederlichem Weſen haͤtte ſollen zuruͤcke halten. Doch was wolte er machen/ verant- wor-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/315>, abgerufen am 22.11.2024.