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Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673.

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lesen/ und abmahlen könte. Doch Gelanor
war gantz einer andern Meynung. Der sag-
te: Mein Freund/ wir haben noch nicht gantz
Deutschland durchwandert/ und solten nun
von der gantzen Welt urtheilen/ wir müssen
weiter gehen/ Jn Franckreich/ Spanien/
Engeland/ Polen. Ja absonderlich in Jta-
lien wird auch etwas auffzuzeichnen seyn.
Florindo machte zwar ein saur Gesichte: Al-
lein Gelanor trotzte auf seine Instruction, also
daß der gute untergebene sich wegen der Lieb-
ste noch keine süsse Gedancken durffte ankom-
men lassen. Derhalben bat er auch/ man
möchte an einem Orte die Zeit nicht so verge-
bens verlieren; sondern ehe heute als morgen
sich zur Reyse schicken/ wiewohl Gelanor traue-
te der ungesunden Lufft nicht/ und blieb biß ge-
gen Ostern still liegen/ immittelst kam etliche
mahl Post/ dabey Florindo Brieffe von sei-
ner Liebsten erhielt/ doch kunte er alles so ver-
bergen/ daß man so eigentlich nicht wuste/ in
was vor terminis die Sache bestehen möchte/
zu grossen Versehen/ hatte er den Schlüssel
am Reiß-Kuffer stecken lassen/ und war zu ei-
nem guten Freunde gangen/ da er allem Ver-
muthen nach/ sobald nicht gedachte wieder zu
kommen/ drumb ließ sich Gelanor die Curio-

sität


leſen/ und abmahlen koͤnte. Doch Gelanor
war gantz einer andern Meynung. Der ſag-
te: Mein Freund/ wir haben noch nicht gantz
Deutſchland durchwandert/ und ſolten nun
von der gantzen Welt urtheilen/ wir muͤſſen
weiter gehen/ Jn Franckreich/ Spanien/
Engeland/ Polen. Ja abſonderlich in Jta-
lien wird auch etwas auffzuzeichnen ſeyn.
Florindo machte zwar ein ſaur Geſichte: Al-
lein Gelanor trotzte auf ſeine Inſtruction, alſo
daß der gute untergebene ſich wegen der Lieb-
ſte noch keine ſuͤſſe Gedancken durffte ankom-
men laſſen. Derhalben bat er auch/ man
moͤchte an einem Orte die Zeit nicht ſo verge-
bens verlieren; ſondern ehe heute als morgen
ſich zur Reyſe ſchicken/ wiewohl Gelanor traue-
te der ungeſunden Lufft nicht/ und blieb biß ge-
gen Oſtern ſtill liegen/ immittelſt kam etliche
mahl Poſt/ dabey Florindo Brieffe von ſei-
ner Liebſten erhielt/ doch kunte er alles ſo ver-
bergen/ daß man ſo eigentlich nicht wuſte/ in
was vor terminis die Sache beſtehen moͤchte/
zu groſſen Verſehen/ hatte er den Schluͤſſel
am Reiß-Kuffer ſtecken laſſen/ und war zu ei-
nem guten Freunde gangen/ da er allem Ver-
muthen nach/ ſobald nicht gedachte wieder zu
kommen/ drumb ließ ſich Gelanor die Curio-

ſitaͤt
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[376/0382] leſen/ und abmahlen koͤnte. Doch Gelanor war gantz einer andern Meynung. Der ſag- te: Mein Freund/ wir haben noch nicht gantz Deutſchland durchwandert/ und ſolten nun von der gantzen Welt urtheilen/ wir muͤſſen weiter gehen/ Jn Franckreich/ Spanien/ Engeland/ Polen. Ja abſonderlich in Jta- lien wird auch etwas auffzuzeichnen ſeyn. Florindo machte zwar ein ſaur Geſichte: Al- lein Gelanor trotzte auf ſeine Inſtruction, alſo daß der gute untergebene ſich wegen der Lieb- ſte noch keine ſuͤſſe Gedancken durffte ankom- men laſſen. Derhalben bat er auch/ man moͤchte an einem Orte die Zeit nicht ſo verge- bens verlieren; ſondern ehe heute als morgen ſich zur Reyſe ſchicken/ wiewohl Gelanor traue- te der ungeſunden Lufft nicht/ und blieb biß ge- gen Oſtern ſtill liegen/ immittelſt kam etliche mahl Poſt/ dabey Florindo Brieffe von ſei- ner Liebſten erhielt/ doch kunte er alles ſo ver- bergen/ daß man ſo eigentlich nicht wuſte/ in was vor terminis die Sache beſtehen moͤchte/ zu groſſen Verſehen/ hatte er den Schluͤſſel am Reiß-Kuffer ſtecken laſſen/ und war zu ei- nem guten Freunde gangen/ da er allem Ver- muthen nach/ ſobald nicht gedachte wieder zu kommen/ drumb ließ ſich Gelanor die Curio- ſitaͤt

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Die drey ärgsten Ertz-Narren. 2. Aufl. 1673, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_ertznarren_1672/382>, abgerufen am 22.11.2024.