Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Des Lust-Spiels Leo. Wer mein gehorsamer sohn heissen wil/ der soll der wildniß gute nacht geben. Phil. Kan aber ein vater so grausam seyn/ den sohn in seinem höchsten glücke zu verhindern? Leo. Deine thorheit bildet sich ein glücke ein/ da kei- nes anzutreffen ist. Phil. Was ich würcklich empfinde/ solches darff durch keine thörichte einbildung unterhalten werden. Leo. Deine ergötzligkeit ist mit allen unvernünffti- gen thieren gemein. Phil. Doch meine vernunfft giebt mir bessere an- leitung/ daß ich dieser freude nachsinnen kan. Leo. Jn der stadt heisset man solches faulheit und müssiggang. Phil. Es ist nichts neues/ daß in der stadt feinen sachen falsche namen auffgeleget werden. Leo. Dieser nahme ist nicht falsch/ wer Gott und dem nechsten nicht dienet/ der ist ein müssiggänger/ und eine unnütze last des erdbodens. Phil. Vielleicht diene ich Gott hier unter dem frcy- en himmel besser/ als mancher in der stadt/ der bey sei- nen welt-händeln selten an Gott gedencken kan. Leo. Gott wil sich aber nicht unter denen wilden thieren/ sondern vielmehr in einer grossen gemeine eh- ren lassen/ hast du so viel überflüssige frömmigkeit/ so komm/ und diene deinem nechsten. Phil. Jch diene dem nechsten genung/ in dem ich niemand schaden thue/ und keinem in dem wege herum gehe. Leo. (Entrüstet sich) Und hierinne widersprichst du deinem vater nicht? Phil. Werthester herr vater/ ich bin bereit in sei- nem
Des Luſt-Spiels Leo. Wer mein gehorſamer ſohn heiſſen wil/ der ſoll der wildniß gute nacht geben. Phil. Kan aber ein vater ſo gꝛauſam ſeyn/ den ſohn in ſeinem hoͤchſten gluͤcke zu verhindern? Leo. Deine thorheit bildet ſich ein gluͤcke ein/ da kei- nes anzutreffen iſt. Phil. Was ich wuͤrcklich empfinde/ ſolches darff durch keine thoͤrichte einbildung unterhalten werden. Leo. Deine ergoͤtzligkeit iſt mit allen unvernuͤnffti- gen thieren gemein. Phil. Doch meine vernunfft giebt mir beſſere an- leitung/ daß ich dieſer freude nachſinnen kan. Leo. Jn der ſtadt heiſſet man ſolches faulheit und muͤſſiggang. Phil. Es iſt nichts neues/ daß in der ſtadt feinen ſachen falſche namen auffgeleget werden. Leo. Dieſer nahme iſt nicht falſch/ wer Gott und dem nechſten nicht dienet/ der iſt ein muͤſſiggaͤnger/ und eine unnuͤtze laſt des erdbodens. Phil. Vielleicht diene ich Gott hier unter dem frcy- en himmel beſſer/ als mancher in der ſtadt/ der bey ſei- nen welt-haͤndeln ſelten an Gott gedencken kan. Leo. Gott wil ſich aber nicht unter denen wilden thieren/ ſondern vielmehr in einer groſſen gemeine eh- ren laſſen/ haſt du ſo viel uͤberfluͤſſige froͤmmigkeit/ ſo komm/ und diene deinem nechſten. Phil. Jch diene dem nechſten genung/ in dem ich niemand ſchaden thue/ und keinem in dem wege herum gehe. Leo. (Entruͤſtet ſich) Und hierinne widerſprichſt du deinem vater nicht? Phil. Wertheſter heꝛr vater/ ich bin bereit in ſei- nem
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Des Luſt-Spiels
Leo. Wer mein gehorſamer ſohn heiſſen wil/ der ſoll
der wildniß gute nacht geben.
Phil. Kan aber ein vater ſo gꝛauſam ſeyn/ den ſohn
in ſeinem hoͤchſten gluͤcke zu verhindern?
Leo. Deine thorheit bildet ſich ein gluͤcke ein/ da kei-
nes anzutreffen iſt.
Phil. Was ich wuͤrcklich empfinde/ ſolches darff
durch keine thoͤrichte einbildung unterhalten werden.
Leo. Deine ergoͤtzligkeit iſt mit allen unvernuͤnffti-
gen thieren gemein.
Phil. Doch meine vernunfft giebt mir beſſere an-
leitung/ daß ich dieſer freude nachſinnen kan.
Leo. Jn der ſtadt heiſſet man ſolches faulheit und
muͤſſiggang.
Phil. Es iſt nichts neues/ daß in der ſtadt feinen
ſachen falſche namen auffgeleget werden.
Leo. Dieſer nahme iſt nicht falſch/ wer Gott und
dem nechſten nicht dienet/ der iſt ein muͤſſiggaͤnger/ und
eine unnuͤtze laſt des erdbodens.
Phil. Vielleicht diene ich Gott hier unter dem frcy-
en himmel beſſer/ als mancher in der ſtadt/ der bey ſei-
nen welt-haͤndeln ſelten an Gott gedencken kan.
Leo. Gott wil ſich aber nicht unter denen wilden
thieren/ ſondern vielmehr in einer groſſen gemeine eh-
ren laſſen/ haſt du ſo viel uͤberfluͤſſige froͤmmigkeit/ ſo
komm/ und diene deinem nechſten.
Phil. Jch diene dem nechſten genung/ in dem ich
niemand ſchaden thue/ und keinem in dem wege herum
gehe.
Leo. (Entruͤſtet ſich) Und hierinne widerſprichſt
du deinem vater nicht?
Phil. Wertheſter heꝛr vater/ ich bin bereit in ſei-
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/602>, abgerufen am 20.07.2024. |