Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693. Jor. Der Herr Vater ist tödtlich kranck. Jsab. Die Sache verhält sich anders/ er ist gesund. Jor. Jch habe ihn noch nicht gesehen. Ach es ist eine Sünde/ wenn ein Kind so weit nur glauben will/ als die Augen sehen. Jsab. Ein gehorsamer Sohn soll so weit glauben/ als die Mütterlichen Augen sehen/ und ich weiß/ es wird keine Stun- de vorbey gehen/ so wollen wir den Herrn Vater auff der Strasse an- treffen. Jor. Ach Fr. Mutter sie verzeihe mir/ daß ich in der Traurigkeit ungehorsam gewesen bin. Jsab. Meynet ihr gleichwohl/ daß sich eine Mutter so bald zur Verzeihung verste- hen soll. Jor. Freylich ist die Meynung das beste. Denn ich habe kein Vermögen/ daß ich die Verzeihung abkauffen könte. Jsab. Ach lieber Herr Sohn/ das Vermö- gen ist wohl da/ wenn ihr sonst euer hertzlich geliebten Fr. Mutter was an- genehmes erweisen woltet. Jor.
Jor. Der Herr Vater iſt toͤdtlich kranck. Jſab. Die Sache verhaͤlt ſich anders/ er iſt geſund. Jor. Jch habe ihn noch nicht geſehen. Ach es iſt eine Suͤnde/ wenn ein Kind ſo weit nur glauben will/ als die Augen ſehen. Jſab. Ein gehorſamer Sohn ſoll ſo weit glauben/ als die Muͤtterlichen Augen ſehen/ und ich weiß/ es wird keine Stun- de vorbey gehen/ ſo wollen wir den Herrn Vater auff der Straſſe an- treffen. Jor. Ach Fr. Mutter ſie verzeihe mir/ daß ich in der Traurigkeit ungehorſam geweſen bin. Jſab. Meynet ihr gleichwohl/ daß ſich eine Mutter ſo bald zur Verzeihung verſte- hen ſoll. Jor. Freylich iſt die Meynung das beſte. Denn ich habe kein Vermoͤgen/ daß ich die Verzeihung abkauffen koͤnte. Jſab. Ach lieber Herr Sohn/ das Vermoͤ- gen iſt wohl da/ wenn ihr ſonſt euer hertzlich geliebten Fr. Mutter was an- genehmes erweiſen woltet. Jor.
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Jor. Der Herr Vater iſt toͤdtlich kranck.
Jſab. Die Sache verhaͤlt ſich anders/ er iſt
geſund.
Jor. Jch habe ihn noch nicht geſehen. Ach
es iſt eine Suͤnde/ wenn ein Kind ſo
weit nur glauben will/ als die Augen
ſehen.
Jſab. Ein gehorſamer Sohn ſoll ſo weit
glauben/ als die Muͤtterlichen Augen
ſehen/ und ich weiß/ es wird keine Stun-
de vorbey gehen/ ſo wollen wir den
Herrn Vater auff der Straſſe an-
treffen.
Jor. Ach Fr. Mutter ſie verzeihe mir/ daß
ich in der Traurigkeit ungehorſam
geweſen bin.
Jſab. Meynet ihr gleichwohl/ daß ſich eine
Mutter ſo bald zur Verzeihung verſte-
hen ſoll.
Jor. Freylich iſt die Meynung das beſte.
Denn ich habe kein Vermoͤgen/ daß ich
die Verzeihung abkauffen koͤnte.
Jſab. Ach lieber Herr Sohn/ das Vermoͤ-
gen iſt wohl da/ wenn ihr ſonſt euer
hertzlich geliebten Fr. Mutter was an-
genehmes erweiſen woltet.
Jor.
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