Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Geliebter Leser.

ALldieweil über Vermuthen hier
etliche Blätter ledig verbleiben/
so habe ich nur dieses erinnern wol-
len/ daß man sich nicht ärgern dürf-
te/ wenn der Historie dergleichen Um-
stände angedichtet werden/ welche sich
weder aus der Bibel/ noch aus
andern Büchern können beweisen las-
sen. Zum Exempel ich gebe es vor
keine Warheit aus/ ob Rahel einen
andern Liebsten gehabt/ ob sich La-
bans Kinder der Heyrath wiederse-
tzet/ ob ein Engel mit einer solchen
Bothschafft erschienen ist/ u. d. g.
Doch die Freyheit eines Gedichtes
bringet es so mit/ daß man das jeni-
ge nach Gefallen suppliret, welches bey
dem Geschichtschreiber/ als unnöthig
ausgelassen worden. Denn die Action
muß vollkommen seyn/ und muß jhre
Affecten, jhre Intrigven, und endlich jh-

ren

Geliebter Leſer.

ALldieweil uͤber Vermuthen hier
etliche Blaͤtter ledig verbleiben/
ſo habe ich nur dieſes erinnern wol-
len/ daß man ſich nicht aͤrgern duͤrf-
te/ wenn der Hiſtorie dergleichen Um-
ſtaͤnde angedichtet werden/ welche ſich
weder aus der Bibel/ noch aus
andern Buͤchern koͤnnen beweiſen laſ-
ſen. Zum Exempel ich gebe es vor
keine Warheit aus/ ob Rahel einen
andern Liebſten gehabt/ ob ſich La-
bans Kinder der Heyrath wiederſe-
tzet/ ob ein Engel mit einer ſolchen
Bothſchafft erſchienen iſt/ u. d. g.
Doch die Freyheit eines Gedichtes
bringet es ſo mit/ daß man das jeni-
ge nach Gefallen ſuppliret, welches bey
dem Geſchichtſchreiber/ als unnoͤthig
ausgelaſſen worden. Denn die Action
muß vollkommen ſeyn/ und muß jhre
Affecten, jhre Intrigven, und endlich jh-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0339"/>
          <p> <hi rendition="#fr">Geliebter Le&#x017F;er.</hi> </p><lb/>
          <p><hi rendition="#in">A</hi>Lldieweil u&#x0364;ber Vermuthen hier<lb/>
etliche Bla&#x0364;tter ledig verbleiben/<lb/>
&#x017F;o habe ich nur die&#x017F;es erinnern wol-<lb/>
len/ daß man &#x017F;ich nicht a&#x0364;rgern du&#x0364;rf-<lb/>
te/ wenn der Hi&#x017F;torie dergleichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde angedichtet werden/ welche &#x017F;ich<lb/>
weder aus der Bibel/ noch aus<lb/>
andern Bu&#x0364;chern ko&#x0364;nnen bewei&#x017F;en la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Zum Exempel ich gebe es vor<lb/>
keine Warheit aus/ ob Rahel einen<lb/>
andern Lieb&#x017F;ten gehabt/ ob &#x017F;ich La-<lb/>
bans Kinder der Heyrath wieder&#x017F;e-<lb/>
tzet/ ob ein Engel mit einer &#x017F;olchen<lb/>
Both&#x017F;chafft er&#x017F;chienen i&#x017F;t/ u. d. g.<lb/>
Doch die Freyheit eines Gedichtes<lb/>
bringet es &#x017F;o mit/ daß man das jeni-<lb/>
ge nach Gefallen <hi rendition="#aq">&#x017F;uppliret,</hi> welches bey<lb/>
dem Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber/ als unno&#x0364;thig<lb/>
ausgela&#x017F;&#x017F;en worden. Denn die <hi rendition="#aq">Action</hi><lb/>
muß vollkommen &#x017F;eyn/ und muß jhre<lb/><hi rendition="#aq">Affecten,</hi> jhre <hi rendition="#aq">Intrigven,</hi> und endlich jh-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] Geliebter Leſer. ALldieweil uͤber Vermuthen hier etliche Blaͤtter ledig verbleiben/ ſo habe ich nur dieſes erinnern wol- len/ daß man ſich nicht aͤrgern duͤrf- te/ wenn der Hiſtorie dergleichen Um- ſtaͤnde angedichtet werden/ welche ſich weder aus der Bibel/ noch aus andern Buͤchern koͤnnen beweiſen laſ- ſen. Zum Exempel ich gebe es vor keine Warheit aus/ ob Rahel einen andern Liebſten gehabt/ ob ſich La- bans Kinder der Heyrath wiederſe- tzet/ ob ein Engel mit einer ſolchen Bothſchafft erſchienen iſt/ u. d. g. Doch die Freyheit eines Gedichtes bringet es ſo mit/ daß man das jeni- ge nach Gefallen ſuppliret, welches bey dem Geſchichtſchreiber/ als unnoͤthig ausgelaſſen worden. Denn die Action muß vollkommen ſeyn/ und muß jhre Affecten, jhre Intrigven, und endlich jh- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/339
Zitationshilfe: Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/339>, abgerufen am 21.11.2024.