Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683.

Bild:
<< vorherige Seite
Comica.
Rob. Mein Herr College, ich höre geduldig zu:
Doch wenn ich antworten sol/ so muß ich gleichfals
einen geduldigen Zuhörer haben.

Sigh. Ich rede dessentwegen/ daß ich wil berich-
tet seyn.

Rob. Das gantze Spiel gehet auf solche Leute/ die
etwas in der Welt auf sich nehmen/ das sie nicht ge-
lernet haben: Und solte ich nicht in allen Ständen
viel Dutzend dergleichen Personen antreffen/ die
nicht besser wären als Bonifacius von Bettelrode/
oder der Todtengräber von der Eselswiese?

Sigh. Es ist aber zu weit gesucht.
Rob. Man lässet die Leute lachen: so kan man de-
sto empfindlicher am Ende beweisen/ wie sie niemand
ausgelachet haben/ als sich selbst.

Sigh. Auf diese Masse wäre die gantze Welt voll
Pickelheringe.

Rob. Ja wol. Allein dieses ist die Menschliche
Klugheit/ wenn jemand seinen Pickelhering so ver-
bergen kan/daß er allezeit vor eine ernste Haupt Per-
son angesehen wird.

Sigh. Ich muß zwar schweigen/ aber ehe ich alles
gläube/ so muß ich nachdencken.

Rob. Was darff es viel Nachdenckens? Man-
cher wil musiciren/ und kan es nicht: Mancher wil
fortificiren/ und kan es nicht: Mancher wil Bü-
cher schreiben/ und kan es nicht: Mancher wil re-
gieren/ und kan es nicht: Mancher wil commendiren/
und kan es nicht: Mancher wil die Leute reich/ klug/
gesund/
Comica.
Rob. Mein Herr College, ich hoͤre geduldig zu:
Doch wenn ich antworten ſol/ ſo muß ich gleichfals
einen geduldigen Zuhoͤrer haben.

Sigh. Ich rede deſſentwegen/ daß ich wil berich-
tet ſeyn.

Rob. Das gantze Spiel gehet auf ſolche Leute/ die
etwas in der Welt auf ſich nehmen/ das ſie nicht ge-
lernet haben: Und ſolte ich nicht in allen Staͤnden
viel Dutzend dergleichen Perſonen antreffen/ die
nicht beſſer waͤren als Bonifacius von Bettelrode/
oder der Todtengraͤber von der Eſelswieſe?

Sigh. Es iſt aber zu weit geſucht.
Rob. Man laͤſſet die Leute lachen: ſo kan man de-
ſto empfindlicher am Ende beweiſen/ wie ſie niemand
ausgelachet haben/ als ſich ſelbſt.

Sigh. Auf dieſe Maſſe waͤre die gantze Welt voll
Pickelheringe.

Rob. Ja wol. Allein dieſes iſt die Menſchliche
Klugheit/ wenn jemand ſeinen Pickelhering ſo ver-
bergen kan/daß er allezeit vor eine ernſte Haupt Per-
ſon angeſehen wird.

Sigh. Ich muß zwar ſchweigen/ aber ehe ich alles
glaͤube/ ſo muß ich nachdencken.

Rob. Was darff es viel Nachdenckens? Man-
cher wil muſiciren/ und kan es nicht: Mancher wil
fortificiren/ und kan es nicht: Mancher wil Buͤ-
cher ſchreiben/ und kan es nicht: Mancher wil re-
gieren/ und kan es nicht: Mancher wil commendirẽ/
und kan es nicht: Mancher wil die Leute reich/ klug/
geſund/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0688" n="349[347]"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#k">Comica.</hi> </hi> </hi> </fw><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Rob.</hi> </speaker>
              <p>Mein Herr <hi rendition="#aq">College,</hi> ich ho&#x0364;re geduldig zu:<lb/>
Doch wenn ich antworten &#x017F;ol/ &#x017F;o muß ich gleichfals<lb/>
einen geduldigen Zuho&#x0364;rer haben.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Sigh.</hi> </speaker>
              <p>Ich rede de&#x017F;&#x017F;entwegen/ daß ich wil berich-<lb/>
tet &#x017F;eyn.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Rob.</hi> </speaker>
              <p>Das gantze Spiel gehet auf &#x017F;olche Leute/ die<lb/>
etwas in der Welt auf &#x017F;ich nehmen/ das &#x017F;ie nicht ge-<lb/>
lernet haben: Und &#x017F;olte ich nicht in allen Sta&#x0364;nden<lb/>
viel Dutzend dergleichen Per&#x017F;onen antreffen/ die<lb/>
nicht be&#x017F;&#x017F;er wa&#x0364;ren als <hi rendition="#aq">Bonifacius</hi> von Bettelrode/<lb/>
oder der Todtengra&#x0364;ber von der E&#x017F;elswie&#x017F;e?</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Sigh.</hi> </speaker>
              <p>Es i&#x017F;t aber zu weit ge&#x017F;ucht.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Rob.</hi> </speaker>
              <p>Man la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et die Leute lachen: &#x017F;o kan man de-<lb/>
&#x017F;to empfindlicher am Ende bewei&#x017F;en/ wie &#x017F;ie niemand<lb/>
ausgelachet haben/ als &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Sigh.</hi> </speaker>
              <p>Auf die&#x017F;e Ma&#x017F;&#x017F;e wa&#x0364;re die gantze Welt voll<lb/>
Pickelheringe.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Rob.</hi> </speaker>
              <p>Ja wol. Allein die&#x017F;es i&#x017F;t die Men&#x017F;chliche<lb/>
Klugheit/ wenn jemand &#x017F;einen Pickelhering &#x017F;o ver-<lb/>
bergen kan/daß er allezeit vor eine ern&#x017F;te Haupt Per-<lb/>
&#x017F;on ange&#x017F;ehen wird.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Sigh.</hi> </speaker>
              <p>Ich muß zwar &#x017F;chweigen/ aber ehe ich alles<lb/>
gla&#x0364;ube/ &#x017F;o muß ich nachdencken.</p><lb/>
            </sp>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#aq">Rob.</hi> </speaker>
              <p>Was darff es viel Nachdenckens? Man-<lb/>
cher wil <hi rendition="#aq">mu&#x017F;ici</hi>ren/ und kan es nicht: Mancher wil<lb/><hi rendition="#aq">fortifici</hi>ren/ und kan es nicht: Mancher wil Bu&#x0364;-<lb/>
cher &#x017F;chreiben/ und kan es nicht: Mancher wil re-<lb/>
gieren/ und kan es nicht: Mancher wil <hi rendition="#aq">commendi</hi>r&#x1EBD;/<lb/>
und kan es nicht: Mancher wil die Leute reich/ klug/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;und/</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349[347]/0688] Comica. Rob. Mein Herr College, ich hoͤre geduldig zu: Doch wenn ich antworten ſol/ ſo muß ich gleichfals einen geduldigen Zuhoͤrer haben. Sigh. Ich rede deſſentwegen/ daß ich wil berich- tet ſeyn. Rob. Das gantze Spiel gehet auf ſolche Leute/ die etwas in der Welt auf ſich nehmen/ das ſie nicht ge- lernet haben: Und ſolte ich nicht in allen Staͤnden viel Dutzend dergleichen Perſonen antreffen/ die nicht beſſer waͤren als Bonifacius von Bettelrode/ oder der Todtengraͤber von der Eſelswieſe? Sigh. Es iſt aber zu weit geſucht. Rob. Man laͤſſet die Leute lachen: ſo kan man de- ſto empfindlicher am Ende beweiſen/ wie ſie niemand ausgelachet haben/ als ſich ſelbſt. Sigh. Auf dieſe Maſſe waͤre die gantze Welt voll Pickelheringe. Rob. Ja wol. Allein dieſes iſt die Menſchliche Klugheit/ wenn jemand ſeinen Pickelhering ſo ver- bergen kan/daß er allezeit vor eine ernſte Haupt Per- ſon angeſehen wird. Sigh. Ich muß zwar ſchweigen/ aber ehe ich alles glaͤube/ ſo muß ich nachdencken. Rob. Was darff es viel Nachdenckens? Man- cher wil muſiciren/ und kan es nicht: Mancher wil fortificiren/ und kan es nicht: Mancher wil Buͤ- cher ſchreiben/ und kan es nicht: Mancher wil re- gieren/ und kan es nicht: Mancher wil commendirẽ/ und kan es nicht: Mancher wil die Leute reich/ klug/ geſund/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/688
Zitationshilfe: Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683, S. 349[347]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/688>, abgerufen am 22.11.2024.