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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Es giebt nun offenbar viele Zellen bei höheren Thieren,
welche nicht einzeln durch je eine Determinante im Keim-
plasma vertreten sein werden. Die Milliarden von Blutzellen,
welche bei den Wirbelthieren im Laufe des Lebens sich ablösen,
dürften möglicherweise von einer einzigen Determinante des
Keimplasma's aus bestimmt werden. Es würde jedenfalls kein
Nachtheil für die Art daraus erwachsen, weil eine selbstständige
Bestimmbarkeit einzelner Blutkörperchen oder selbst einzelner
Tausende von ihnen werthlos wäre. Sie sind nicht lokalisirt;
eines ist soviel werth wie das andere, und ihre Variabilität
könnte deshalb sehr wohl von einem einzigen Punkte aus
geleitet werden. Nach dem Gesetz der Sparsamkeit wird die
Natur nicht mehr Determinanten dem Keimplasma einverleibt
haben, als nothwendig war.

So wird es vermuthlich bei höheren Thieren noch viele
Zellengruppen geben, deren Zellen nicht einzeln im Keimplasma
vertreten sind. Wenn auch die Nervenzellen des Gehirns sicher-
lich alle ihre besondere Determinanten besitzen, da andernfalls
die so sehr ins Einzelne gehende Vererbung geistiger Anlagen
beim Menschen unerklärt bleiben würde, so kann doch Wenig
darauf ankommen, dass jede Faser eines Muskels, jede Zelle der
Haut oder des Bindegewebes oder der Epithelschicht des Darms
seine besondere Determinante hätte. Vermuthlich werden hier
grössere oder kleinere Gruppen von Zellen durch eine gemein-
same Determinante bestimmt. Ein Hinweis für diese Auffassung
darf vielleicht in der Art gesehen werden, wie das Epithel des
Darmes bei Insektenpuppen sich erneut. Bei Musciden z. B.
und bei Schmetterlingen zerfällt der Darm der Larve, wie ich
vor langer Zeit nachwies, und aus seinen Trümmern baut sich
der sehr verschiedenartige Darm der Imago auf. Kowalewsky
und von Rees haben später gezeigt, dass dies in der Weise
geschieht, dass von gewissen, in ziemlich regelmässigen Ab-

Es giebt nun offenbar viele Zellen bei höheren Thieren,
welche nicht einzeln durch je eine Determinante im Keim-
plasma vertreten sein werden. Die Milliarden von Blutzellen,
welche bei den Wirbelthieren im Laufe des Lebens sich ablösen,
dürften möglicherweise von einer einzigen Determinante des
Keimplasma’s aus bestimmt werden. Es würde jedenfalls kein
Nachtheil für die Art daraus erwachsen, weil eine selbstständige
Bestimmbarkeit einzelner Blutkörperchen oder selbst einzelner
Tausende von ihnen werthlos wäre. Sie sind nicht lokalisirt;
eines ist soviel werth wie das andere, und ihre Variabilität
könnte deshalb sehr wohl von einem einzigen Punkte aus
geleitet werden. Nach dem Gesetz der Sparsamkeit wird die
Natur nicht mehr Determinanten dem Keimplasma einverleibt
haben, als nothwendig war.

So wird es vermuthlich bei höheren Thieren noch viele
Zellengruppen geben, deren Zellen nicht einzeln im Keimplasma
vertreten sind. Wenn auch die Nervenzellen des Gehirns sicher-
lich alle ihre besondere Determinanten besitzen, da andernfalls
die so sehr ins Einzelne gehende Vererbung geistiger Anlagen
beim Menschen unerklärt bleiben würde, so kann doch Wenig
darauf ankommen, dass jede Faser eines Muskels, jede Zelle der
Haut oder des Bindegewebes oder der Epithelschicht des Darms
seine besondere Determinante hätte. Vermuthlich werden hier
grössere oder kleinere Gruppen von Zellen durch eine gemein-
same Determinante bestimmt. Ein Hinweis für diese Auffassung
darf vielleicht in der Art gesehen werden, wie das Epithel des
Darmes bei Insektenpuppen sich erneut. Bei Musciden z. B.
und bei Schmetterlingen zerfällt der Darm der Larve, wie ich
vor langer Zeit nachwies, und aus seinen Trümmern baut sich
der sehr verschiedenartige Darm der Imago auf. Kowalewsky
und von Rees haben später gezeigt, dass dies in der Weise
geschieht, dass von gewissen, in ziemlich regelmässigen Ab-

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[77/0101] Es giebt nun offenbar viele Zellen bei höheren Thieren, welche nicht einzeln durch je eine Determinante im Keim- plasma vertreten sein werden. Die Milliarden von Blutzellen, welche bei den Wirbelthieren im Laufe des Lebens sich ablösen, dürften möglicherweise von einer einzigen Determinante des Keimplasma’s aus bestimmt werden. Es würde jedenfalls kein Nachtheil für die Art daraus erwachsen, weil eine selbstständige Bestimmbarkeit einzelner Blutkörperchen oder selbst einzelner Tausende von ihnen werthlos wäre. Sie sind nicht lokalisirt; eines ist soviel werth wie das andere, und ihre Variabilität könnte deshalb sehr wohl von einem einzigen Punkte aus geleitet werden. Nach dem Gesetz der Sparsamkeit wird die Natur nicht mehr Determinanten dem Keimplasma einverleibt haben, als nothwendig war. So wird es vermuthlich bei höheren Thieren noch viele Zellengruppen geben, deren Zellen nicht einzeln im Keimplasma vertreten sind. Wenn auch die Nervenzellen des Gehirns sicher- lich alle ihre besondere Determinanten besitzen, da andernfalls die so sehr ins Einzelne gehende Vererbung geistiger Anlagen beim Menschen unerklärt bleiben würde, so kann doch Wenig darauf ankommen, dass jede Faser eines Muskels, jede Zelle der Haut oder des Bindegewebes oder der Epithelschicht des Darms seine besondere Determinante hätte. Vermuthlich werden hier grössere oder kleinere Gruppen von Zellen durch eine gemein- same Determinante bestimmt. Ein Hinweis für diese Auffassung darf vielleicht in der Art gesehen werden, wie das Epithel des Darmes bei Insektenpuppen sich erneut. Bei Musciden z. B. und bei Schmetterlingen zerfällt der Darm der Larve, wie ich vor langer Zeit nachwies, und aus seinen Trümmern baut sich der sehr verschiedenartige Darm der Imago auf. Kowalewsky und von Rees haben später gezeigt, dass dies in der Weise geschieht, dass von gewissen, in ziemlich regelmässigen Ab-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/101>, abgerufen am 04.12.2024.