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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Es ist bekannt, dass bei den Salamandern die Beine
wieder wachsen
, wenn sie abgeschnitten werden, und wir
verdanken vor Allem den Untersuchungen Götte's1) und
Fraisse's2) eine recht genaue Kenntniss der betreffenden Re-
generations-Vorgänge. Die Untersuchungen beider Forscher
stimmen darin überein, dass die Neubildung des Beines nach
demselben Typus vor sich geht, wie die erste Bildung desselben
in der Embryogenese, d. h. die einzelnen Theile und Abschnitte
der Extremität legen sich in derselben Reihenfolge an, wie
beim Embryo und aus ähnlichem Zellmaterial. Wir hätten also
hier, wie bei Regeneration der Oberhaut, eine palingenetische
Form der Regeneration vor uns.

Gehen wir dabei von dem wenigstens für Wirbelthiere
gültigen Gesetz aus, dass jedes specifische Gewebe nur seine
eigenen specifischen Gewebezellen durch Regeneration hervor-
bringen kann, so wird es möglich, einen einzelnen Gewebetheil
der Extremität allein und für sich in Bezug auf die Theorie
der Regeneration zu prüfen, z. B. das Knochensystem der-
selben. Gerade für dieses steht es fest, dass seine Regeneration
stets nur vom verletzten Knochen resp. seinem Periost ausgeht.
Ist kein Knochen verletzt worden, ist z. B. die Extremität aus
dem Schultergürtel heraus exartikulirt worden, so erfolgt keine
Knochen-Neubildung. Wenn nun auch ein Aufeinander-Wirken
der verschiedenen Gewebearten, welche zur Regeneration des
ganzen Gliedes gehören, besonders durch Druck, nicht entfernt
in Abrede gestellt werden soll, so ist doch klar, dass die Ent-
stehung der Knochen lediglich vom alten Knochen abhängt,

1) Götte, "Über Entwickelung und Regeneration des Gliedmaassen-
Skeletts der Molche". Leipzig 1879.
2) Fraisse, "Die Regeneration von Geweben und Organen bei
den Wirbelthieren, besonders bei Amphibien und Reptilien". Cassel und
Berlin 1885.

Es ist bekannt, dass bei den Salamandern die Beine
wieder wachsen
, wenn sie abgeschnitten werden, und wir
verdanken vor Allem den Untersuchungen Götte’s1) und
Fraisse’s2) eine recht genaue Kenntniss der betreffenden Re-
generations-Vorgänge. Die Untersuchungen beider Forscher
stimmen darin überein, dass die Neubildung des Beines nach
demselben Typus vor sich geht, wie die erste Bildung desselben
in der Embryogenese, d. h. die einzelnen Theile und Abschnitte
der Extremität legen sich in derselben Reihenfolge an, wie
beim Embryo und aus ähnlichem Zellmaterial. Wir hätten also
hier, wie bei Regeneration der Oberhaut, eine palingenetische
Form der Regeneration vor uns.

Gehen wir dabei von dem wenigstens für Wirbelthiere
gültigen Gesetz aus, dass jedes specifische Gewebe nur seine
eigenen specifischen Gewebezellen durch Regeneration hervor-
bringen kann, so wird es möglich, einen einzelnen Gewebetheil
der Extremität allein und für sich in Bezug auf die Theorie
der Regeneration zu prüfen, z. B. das Knochensystem der-
selben. Gerade für dieses steht es fest, dass seine Regeneration
stets nur vom verletzten Knochen resp. seinem Periost ausgeht.
Ist kein Knochen verletzt worden, ist z. B. die Extremität aus
dem Schultergürtel heraus exartikulirt worden, so erfolgt keine
Knochen-Neubildung. Wenn nun auch ein Aufeinander-Wirken
der verschiedenen Gewebearten, welche zur Regeneration des
ganzen Gliedes gehören, besonders durch Druck, nicht entfernt
in Abrede gestellt werden soll, so ist doch klar, dass die Ent-
stehung der Knochen lediglich vom alten Knochen abhängt,

1) Götte, „Über Entwickelung und Regeneration des Gliedmaassen-
Skeletts der Molche“. Leipzig 1879.
2) Fraisse, „Die Regeneration von Geweben und Organen bei
den Wirbelthieren, besonders bei Amphibien und Reptilien“. Cassel und
Berlin 1885.
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[132/0156] Es ist bekannt, dass bei den Salamandern die Beine wieder wachsen, wenn sie abgeschnitten werden, und wir verdanken vor Allem den Untersuchungen Götte’s 1) und Fraisse’s 2) eine recht genaue Kenntniss der betreffenden Re- generations-Vorgänge. Die Untersuchungen beider Forscher stimmen darin überein, dass die Neubildung des Beines nach demselben Typus vor sich geht, wie die erste Bildung desselben in der Embryogenese, d. h. die einzelnen Theile und Abschnitte der Extremität legen sich in derselben Reihenfolge an, wie beim Embryo und aus ähnlichem Zellmaterial. Wir hätten also hier, wie bei Regeneration der Oberhaut, eine palingenetische Form der Regeneration vor uns. Gehen wir dabei von dem wenigstens für Wirbelthiere gültigen Gesetz aus, dass jedes specifische Gewebe nur seine eigenen specifischen Gewebezellen durch Regeneration hervor- bringen kann, so wird es möglich, einen einzelnen Gewebetheil der Extremität allein und für sich in Bezug auf die Theorie der Regeneration zu prüfen, z. B. das Knochensystem der- selben. Gerade für dieses steht es fest, dass seine Regeneration stets nur vom verletzten Knochen resp. seinem Periost ausgeht. Ist kein Knochen verletzt worden, ist z. B. die Extremität aus dem Schultergürtel heraus exartikulirt worden, so erfolgt keine Knochen-Neubildung. Wenn nun auch ein Aufeinander-Wirken der verschiedenen Gewebearten, welche zur Regeneration des ganzen Gliedes gehören, besonders durch Druck, nicht entfernt in Abrede gestellt werden soll, so ist doch klar, dass die Ent- stehung der Knochen lediglich vom alten Knochen abhängt, 1) Götte, „Über Entwickelung und Regeneration des Gliedmaassen- Skeletts der Molche“. Leipzig 1879. 2) Fraisse, „Die Regeneration von Geweben und Organen bei den Wirbelthieren, besonders bei Amphibien und Reptilien“. Cassel und Berlin 1885.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/156>, abgerufen am 21.11.2024.