Untersuchungen von Oka1), Davenport2) und Braem3) lassen keinen Zweifel an der Betheiligung von "Mesodermzellen" des Mutterthieres an der Knospenbildung. So wird man denn an- nehmen müssen, dass gewisse, mit bestimmten Determinanten- Gruppen für Muskeln, Endothelien und Geschlechtsorgane aus- gerüstete Mesodermzellen in die Knospe einwandern. Für die Bildung von Muskeln, und noch leichter für Endothelien, lässt sich dies begreifen, wie aber freie Zellen aus der Leibeshöhle des Mutterthieres in die Knospung einwandern sollen, um dort an ganz bestimmten Stellen Geschlechtsorgane zu bilden, das wäre schwer zu verstehen, es sei denn, dass nur scheinbar beliebige, in Wirklichkeit aber bestimmte Zellindividuen einwanderten. Einer solchen Annahme widersprechen aber die abnormalen Knospungs-Vorgänge, wie sie bei Pedicellina vor- kommen. Ich halte deshalb diese Frage nach dem Ursprung der Geschlechtsorgane noch nicht für abgeschlossen, sondern vermuthe, dass dennoch eine oder zwei der Mesodermzellen der Knospe aus der primären Ektoderm-Wucherung herrührt. Dies findet sogar in der Darstellung Seeliger's eine Stütze, indem derselbe bei Loxosoma wenigstens eine solche Herkunft ein- zelner der Mesodermzellen der Knospe für möglich hielt.
Da es sich hier nicht um die Knospung der Bryozoen als solche, sondern nur um ein Beispiel einer von zwei Keim- blättern zugleich ausgehenden Knospung handelt, so kann diese Frage unentschieden bleiben. Soviel wenigstens steht fest, dass bei der Knospung der Bryozoen nicht allein eine Zelle der
1) A. Oka, "Observations on Fresh-water Polyzoa", Journ. of Col- lege of Science, Imperial University, Japan. Vol. IV, Pt. I. 1890.
2) C. B. Davenport, "Observations on budding in Paludicella and some other Bryozoa", Bull. of the Museum of Comp. Zool. at Harvard College. Vol. XXII, No. 1. 1891.
3) F. Braem, Untersuch. über die Bryozoen des süssen Wassers. Cassel 1890.
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Untersuchungen von Oka1), Davenport2) und Braem3) lassen keinen Zweifel an der Betheiligung von „Mesodermzellen“ des Mutterthieres an der Knospenbildung. So wird man denn an- nehmen müssen, dass gewisse, mit bestimmten Determinanten- Gruppen für Muskeln, Endothelien und Geschlechtsorgane aus- gerüstete Mesodermzellen in die Knospe einwandern. Für die Bildung von Muskeln, und noch leichter für Endothelien, lässt sich dies begreifen, wie aber freie Zellen aus der Leibeshöhle des Mutterthieres in die Knospung einwandern sollen, um dort an ganz bestimmten Stellen Geschlechtsorgane zu bilden, das wäre schwer zu verstehen, es sei denn, dass nur scheinbar beliebige, in Wirklichkeit aber bestimmte Zellindividuen einwanderten. Einer solchen Annahme widersprechen aber die abnormalen Knospungs-Vorgänge, wie sie bei Pedicellina vor- kommen. Ich halte deshalb diese Frage nach dem Ursprung der Geschlechtsorgane noch nicht für abgeschlossen, sondern vermuthe, dass dennoch eine oder zwei der Mesodermzellen der Knospe aus der primären Ektoderm-Wucherung herrührt. Dies findet sogar in der Darstellung Seeliger’s eine Stütze, indem derselbe bei Loxosoma wenigstens eine solche Herkunft ein- zelner der Mesodermzellen der Knospe für möglich hielt.
Da es sich hier nicht um die Knospung der Bryozoen als solche, sondern nur um ein Beispiel einer von zwei Keim- blättern zugleich ausgehenden Knospung handelt, so kann diese Frage unentschieden bleiben. Soviel wenigstens steht fest, dass bei der Knospung der Bryozoen nicht allein eine Zelle der
1) A. Oka, „Observations on Fresh-water Polyzoa“, Journ. of Col- lege of Science, Imperial University, Japan. Vol. IV, Pt. I. 1890.
2) C. B. Davenport, „Observations on budding in Paludicella and some other Bryozoa“, Bull. of the Museum of Comp. Zool. at Harvard College. Vol. XXII, No. 1. 1891.
3) F. Braem, Untersuch. über die Bryozoen des süssen Wassers. Cassel 1890.
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Untersuchungen von Oka 1), Davenport 2) und Braem 3) lassen
keinen Zweifel an der Betheiligung von „Mesodermzellen“ des
Mutterthieres an der Knospenbildung. So wird man denn an-
nehmen müssen, dass gewisse, mit bestimmten Determinanten-
Gruppen für Muskeln, Endothelien und Geschlechtsorgane aus-
gerüstete Mesodermzellen in die Knospe einwandern. Für die
Bildung von Muskeln, und noch leichter für Endothelien, lässt
sich dies begreifen, wie aber freie Zellen aus der Leibeshöhle
des Mutterthieres in die Knospung einwandern sollen, um dort
an ganz bestimmten Stellen Geschlechtsorgane zu bilden,
das wäre schwer zu verstehen, es sei denn, dass nur scheinbar
beliebige, in Wirklichkeit aber bestimmte Zellindividuen
einwanderten. Einer solchen Annahme widersprechen aber die
abnormalen Knospungs-Vorgänge, wie sie bei Pedicellina vor-
kommen. Ich halte deshalb diese Frage nach dem Ursprung
der Geschlechtsorgane noch nicht für abgeschlossen, sondern
vermuthe, dass dennoch eine oder zwei der Mesodermzellen der
Knospe aus der primären Ektoderm-Wucherung herrührt. Dies
findet sogar in der Darstellung Seeliger’s eine Stütze, indem
derselbe bei Loxosoma wenigstens eine solche Herkunft ein-
zelner der Mesodermzellen der Knospe für möglich hielt.
Da es sich hier nicht um die Knospung der Bryozoen als
solche, sondern nur um ein Beispiel einer von zwei Keim-
blättern zugleich ausgehenden Knospung handelt, so kann diese
Frage unentschieden bleiben. Soviel wenigstens steht fest, dass
bei der Knospung der Bryozoen nicht allein eine Zelle der
1) A. Oka, „Observations on Fresh-water Polyzoa“, Journ. of Col-
lege of Science, Imperial University, Japan. Vol. IV, Pt. I. 1890.
2) C. B. Davenport, „Observations on budding in Paludicella and
some other Bryozoa“, Bull. of the Museum of Comp. Zool. at Harvard
College. Vol. XXII, No. 1. 1891.
3) F. Braem, Untersuch. über die Bryozoen des süssen Wassers.
Cassel 1890.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/235>, abgerufen am 21.11.2024.
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