betreffenden Pflanze vorfinden. De Vries stellt zwar diesen Satz auf, bemerkt aber dazu eine Ausnahme, nämlich "die eigenthümliche, sich später in ein dünnwandiges Nahrungs- gewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipidengallen". Ich kann dies nicht für "eine wohl nur scheinbare Ausnahme" von der Regel halten, sondern für einen sehr werthvollen Hin- weis darauf, dass diese Regel nicht besteht, dass es nur ein scheinbares Zurückgreifen auf ererbte Zellenformen, d. h. auf solche ist, die schon in latentem Zustande in den Zellen des Blattes enthalten waren. Ich möchte vielmehr gerade in diesen "Ausnahmen" den Beweis sehen, dass wir es in den Gallen mit wirklichen Neubildungen zu thun haben, mit Ab- änderungen der betreffenden Zellenformen, die durch den Larvenreiz entstehen. Wenn sie häufig Zellformen aus andern Theilen der Pflanze sehr ähnlich sind, so kann das kaum in Erstaunen setzen, da die Veränderungen, die die Larve hervor- bringt, sich an einem Idioplasma abspielen, welches aus den Determinanten der betreffenden Art zusammengesetzt ist; da also diese Veränderungen sich zunächst nicht weit von solchen Biophoren-Combinationen (Determinanten) entfernen werden, welche auch sonst in der Pflanze vorkommen. Neu-Com- binirung der Biophoren in verschiedenem Grade scheint mir die Folge der Larven-Einwirkung zu sein und da- durch Abänderung der Determinanten.
In ähnlicher Weise möchte ich die von de Vries gegen mich angeführten Gallen von Cecidomyia Poae auffassen. Diese Stengelgallen bedecken sich auf den Reiz der Larve hin mit einem dichten, wohl als Schutz dienenden Filz von wurzel- artigen Auswüchsen, die in Erde gebracht sich wie normale Wurzeln verzweigen. Dass durch den Reiz des Parasiten unter Umständen das Idioplasma gewisser somatischer Zellen so um- geordnet wird, dass es einem anderen Gewebe, ja Organ der-
19*
betreffenden Pflanze vorfinden. De Vries stellt zwar diesen Satz auf, bemerkt aber dazu eine Ausnahme, nämlich „die eigenthümliche, sich später in ein dünnwandiges Nahrungs- gewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipidengallen“. Ich kann dies nicht für „eine wohl nur scheinbare Ausnahme“ von der Regel halten, sondern für einen sehr werthvollen Hin- weis darauf, dass diese Regel nicht besteht, dass es nur ein scheinbares Zurückgreifen auf ererbte Zellenformen, d. h. auf solche ist, die schon in latentem Zustande in den Zellen des Blattes enthalten waren. Ich möchte vielmehr gerade in diesen „Ausnahmen“ den Beweis sehen, dass wir es in den Gallen mit wirklichen Neubildungen zu thun haben, mit Ab- änderungen der betreffenden Zellenformen, die durch den Larvenreiz entstehen. Wenn sie häufig Zellformen aus andern Theilen der Pflanze sehr ähnlich sind, so kann das kaum in Erstaunen setzen, da die Veränderungen, die die Larve hervor- bringt, sich an einem Idioplasma abspielen, welches aus den Determinanten der betreffenden Art zusammengesetzt ist; da also diese Veränderungen sich zunächst nicht weit von solchen Biophoren-Combinationen (Determinanten) entfernen werden, welche auch sonst in der Pflanze vorkommen. Neu-Com- binirung der Biophoren in verschiedenem Grade scheint mir die Folge der Larven-Einwirkung zu sein und da- durch Abänderung der Determinanten.
In ähnlicher Weise möchte ich die von de Vries gegen mich angeführten Gallen von Cecidomyia Poae auffassen. Diese Stengelgallen bedecken sich auf den Reiz der Larve hin mit einem dichten, wohl als Schutz dienenden Filz von wurzel- artigen Auswüchsen, die in Erde gebracht sich wie normale Wurzeln verzweigen. Dass durch den Reiz des Parasiten unter Umständen das Idioplasma gewisser somatischer Zellen so um- geordnet wird, dass es einem anderen Gewebe, ja Organ der-
19*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0315"n="291"/>
betreffenden Pflanze vorfinden. De Vries</hi> stellt zwar<lb/>
diesen Satz auf, bemerkt aber dazu eine Ausnahme, nämlich<lb/>„die eigenthümliche, sich später in ein dünnwandiges Nahrungs-<lb/>
gewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipidengallen“.<lb/>
Ich kann dies nicht für „eine wohl nur scheinbare Ausnahme“<lb/>
von der Regel halten, sondern für einen sehr werthvollen Hin-<lb/>
weis darauf, dass diese Regel nicht besteht, dass es nur ein<lb/>
scheinbares Zurückgreifen auf ererbte Zellenformen, d. h. auf<lb/>
solche ist, die schon in latentem Zustande in den Zellen des<lb/>
Blattes enthalten waren. Ich möchte vielmehr gerade in diesen<lb/>„Ausnahmen“ den Beweis sehen, <hirendition="#g">dass wir es in den Gallen<lb/>
mit wirklichen Neubildungen zu thun haben, mit Ab-<lb/>
änderungen der betreffenden Zellenformen</hi>, die durch<lb/>
den Larvenreiz entstehen. Wenn sie häufig Zellformen aus<lb/>
andern Theilen der Pflanze sehr ähnlich sind, so kann das kaum<lb/>
in Erstaunen setzen, da die Veränderungen, die die Larve hervor-<lb/>
bringt, sich an einem Idioplasma abspielen, welches aus den<lb/>
Determinanten der betreffenden Art zusammengesetzt ist; da<lb/>
also diese Veränderungen sich zunächst nicht weit von solchen<lb/>
Biophoren-Combinationen (Determinanten) entfernen werden,<lb/>
welche auch sonst in der Pflanze vorkommen. <hirendition="#g">Neu-Com-<lb/>
binirung der Biophoren in verschiedenem Grade scheint<lb/>
mir die Folge der Larven-Einwirkung zu sein und da-<lb/>
durch Abänderung der Determinanten</hi>.</p><lb/><p>In ähnlicher Weise möchte ich die von <hirendition="#g">de Vries</hi> gegen<lb/>
mich angeführten Gallen von Cecidomyia Poae auffassen. Diese<lb/>
Stengelgallen bedecken sich auf den Reiz der Larve hin mit<lb/>
einem dichten, wohl als Schutz dienenden Filz von wurzel-<lb/>
artigen Auswüchsen, die in Erde gebracht sich wie normale<lb/>
Wurzeln verzweigen. Dass durch den Reiz des Parasiten unter<lb/>
Umständen das Idioplasma gewisser somatischer Zellen so um-<lb/>
geordnet wird, dass es einem anderen Gewebe, ja Organ der-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">19*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[291/0315]
betreffenden Pflanze vorfinden. De Vries stellt zwar
diesen Satz auf, bemerkt aber dazu eine Ausnahme, nämlich
„die eigenthümliche, sich später in ein dünnwandiges Nahrungs-
gewebe verändernde Steinzellenschicht mancher Cynipidengallen“.
Ich kann dies nicht für „eine wohl nur scheinbare Ausnahme“
von der Regel halten, sondern für einen sehr werthvollen Hin-
weis darauf, dass diese Regel nicht besteht, dass es nur ein
scheinbares Zurückgreifen auf ererbte Zellenformen, d. h. auf
solche ist, die schon in latentem Zustande in den Zellen des
Blattes enthalten waren. Ich möchte vielmehr gerade in diesen
„Ausnahmen“ den Beweis sehen, dass wir es in den Gallen
mit wirklichen Neubildungen zu thun haben, mit Ab-
änderungen der betreffenden Zellenformen, die durch
den Larvenreiz entstehen. Wenn sie häufig Zellformen aus
andern Theilen der Pflanze sehr ähnlich sind, so kann das kaum
in Erstaunen setzen, da die Veränderungen, die die Larve hervor-
bringt, sich an einem Idioplasma abspielen, welches aus den
Determinanten der betreffenden Art zusammengesetzt ist; da
also diese Veränderungen sich zunächst nicht weit von solchen
Biophoren-Combinationen (Determinanten) entfernen werden,
welche auch sonst in der Pflanze vorkommen. Neu-Com-
binirung der Biophoren in verschiedenem Grade scheint
mir die Folge der Larven-Einwirkung zu sein und da-
durch Abänderung der Determinanten.
In ähnlicher Weise möchte ich die von de Vries gegen
mich angeführten Gallen von Cecidomyia Poae auffassen. Diese
Stengelgallen bedecken sich auf den Reiz der Larve hin mit
einem dichten, wohl als Schutz dienenden Filz von wurzel-
artigen Auswüchsen, die in Erde gebracht sich wie normale
Wurzeln verzweigen. Dass durch den Reiz des Parasiten unter
Umständen das Idioplasma gewisser somatischer Zellen so um-
geordnet wird, dass es einem anderen Gewebe, ja Organ der-
19*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/315>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.