Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

belassen wurde, so dass also die eine sie bestimmende Determi-
nante durch Wachsthum vervielfacht werden kann, und dadurch
die Möglichkeit gegeben wurde, durch Zelltheilung Zellen von
dem gleichen Charakter hervorzubringen.

Wir finden aber die Regeneration nicht auf diese einfachste
Form des Ersatzes beschränkt, sondern beobachten, dass auch
complicirter zusammengesetzte Gewebe sich selbst wieder hervor-
bringen können, ja dass ganze Organstücke, ganze Organe, ganze
Gliedmaassen und grössere Körpertheile, wie Kopf und Schwanz,
bei gewissen Thiergruppen neu erzeugt werden können, wenn
sie verloren gegangen sind. Die idioplasmatische Erklärung
dieser Thatsachen fanden wir darin, dass auch hier die Determi-
nanten der Zellgruppen, welche regenerirbar sein sollten, ver-
vielfacht und im Laufe der Ontogenese gewissen Zellen als
inaktives Neben-Idioplasma beigegeben wurden. Die Aus-
rüstung solcher Zellen mit Regenerations-Determinanten beruht
auf Anpassung und hängt nur insoweit mit der Organisationshöhe
des Thieres zusammen, als die Schwierigkeit, eine grosse Menge
von Zellen mit genau abgestuften Regenerations-Determinanten
auszurüsten, um so grösser werden musste, je grösser die Zellen-
zahl wurde, von welcher die Regeneration auszugehen hatte,
und je zahlreicher und vielfacher differenzirt die Organe, welche
wieder herzustellen waren. Beides steigt mit der Complication
des Baues und deshalb nimmt im Allgemeinen die sogenannte
"Regenerationskraft" mit der Complication des Baues ab.

Zellen, welche Regenerationskraft besitzen, sind also solche,
welche ausser ihrer eigenen aktiven Determinante noch eine
grössere oder kleinere Gruppe von inaktiven Determinanten
solcher Zellen und Zellenfolgen enthalten, welche, wenn sie
aktiv werden, das Stück des Körpers ersetzen zu helfen fähig
sind, welches distalwärts von ihnen verloren gegangen ist. Nur
die harmonische Ausrüstung der Zellen eines bestimmten Quer-

belassen wurde, so dass also die eine sie bestimmende Determi-
nante durch Wachsthum vervielfacht werden kann, und dadurch
die Möglichkeit gegeben wurde, durch Zelltheilung Zellen von
dem gleichen Charakter hervorzubringen.

Wir finden aber die Regeneration nicht auf diese einfachste
Form des Ersatzes beschränkt, sondern beobachten, dass auch
complicirter zusammengesetzte Gewebe sich selbst wieder hervor-
bringen können, ja dass ganze Organstücke, ganze Organe, ganze
Gliedmaassen und grössere Körpertheile, wie Kopf und Schwanz,
bei gewissen Thiergruppen neu erzeugt werden können, wenn
sie verloren gegangen sind. Die idioplasmatische Erklärung
dieser Thatsachen fanden wir darin, dass auch hier die Determi-
nanten der Zellgruppen, welche regenerirbar sein sollten, ver-
vielfacht und im Laufe der Ontogenese gewissen Zellen als
inaktives Neben-Idioplasma beigegeben wurden. Die Aus-
rüstung solcher Zellen mit Regenerations-Determinanten beruht
auf Anpassung und hängt nur insoweit mit der Organisationshöhe
des Thieres zusammen, als die Schwierigkeit, eine grosse Menge
von Zellen mit genau abgestuften Regenerations-Determinanten
auszurüsten, um so grösser werden musste, je grösser die Zellen-
zahl wurde, von welcher die Regeneration auszugehen hatte,
und je zahlreicher und vielfacher differenzirt die Organe, welche
wieder herzustellen waren. Beides steigt mit der Complication
des Baues und deshalb nimmt im Allgemeinen die sogenannte
„Regenerationskraft“ mit der Complication des Baues ab.

Zellen, welche Regenerationskraft besitzen, sind also solche,
welche ausser ihrer eigenen aktiven Determinante noch eine
grössere oder kleinere Gruppe von inaktiven Determinanten
solcher Zellen und Zellenfolgen enthalten, welche, wenn sie
aktiv werden, das Stück des Körpers ersetzen zu helfen fähig
sind, welches distalwärts von ihnen verloren gegangen ist. Nur
die harmonische Ausrüstung der Zellen eines bestimmten Quer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0321" n="297"/>
belassen wurde, so dass also die <hi rendition="#g">eine</hi> sie bestimmende Determi-<lb/>
nante durch Wachsthum vervielfacht werden kann, und dadurch<lb/>
die Möglichkeit gegeben wurde, durch Zelltheilung Zellen von<lb/>
dem gleichen Charakter hervorzubringen.</p><lb/>
          <p>Wir finden aber die Regeneration nicht auf diese einfachste<lb/>
Form des Ersatzes beschränkt, sondern beobachten, dass auch<lb/>
complicirter zusammengesetzte Gewebe sich selbst wieder hervor-<lb/>
bringen können, ja dass ganze Organstücke, ganze Organe, ganze<lb/>
Gliedmaassen und grössere Körpertheile, wie Kopf und Schwanz,<lb/>
bei gewissen Thiergruppen neu erzeugt werden können, wenn<lb/>
sie verloren gegangen sind. Die idioplasmatische Erklärung<lb/>
dieser Thatsachen fanden wir darin, dass auch hier die Determi-<lb/>
nanten der Zellgruppen, welche regenerirbar sein sollten, ver-<lb/>
vielfacht und im Laufe der Ontogenese gewissen Zellen als<lb/><hi rendition="#g">inaktives Neben-Idioplasma</hi> beigegeben wurden. Die Aus-<lb/>
rüstung solcher Zellen mit Regenerations-Determinanten beruht<lb/>
auf Anpassung und hängt nur insoweit mit der Organisationshöhe<lb/>
des Thieres zusammen, als die Schwierigkeit, eine grosse Menge<lb/>
von Zellen mit genau abgestuften Regenerations-Determinanten<lb/>
auszurüsten, um so grösser werden musste, je grösser die Zellen-<lb/>
zahl wurde, von welcher die Regeneration auszugehen hatte,<lb/>
und je zahlreicher und vielfacher differenzirt die Organe, welche<lb/>
wieder herzustellen waren. Beides steigt mit der Complication<lb/>
des Baues und deshalb nimmt im Allgemeinen die sogenannte<lb/>
&#x201E;Regenerationskraft&#x201C; mit der Complication des Baues ab.</p><lb/>
          <p>Zellen, welche Regenerationskraft besitzen, sind also solche,<lb/>
welche ausser ihrer eigenen aktiven Determinante noch eine<lb/>
grössere oder kleinere Gruppe von inaktiven Determinanten<lb/>
solcher Zellen und Zellenfolgen enthalten, welche, wenn sie<lb/>
aktiv werden, das Stück des Körpers ersetzen zu helfen fähig<lb/>
sind, welches distalwärts von ihnen verloren gegangen ist. Nur<lb/>
die harmonische Ausrüstung der Zellen eines bestimmten Quer-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0321] belassen wurde, so dass also die eine sie bestimmende Determi- nante durch Wachsthum vervielfacht werden kann, und dadurch die Möglichkeit gegeben wurde, durch Zelltheilung Zellen von dem gleichen Charakter hervorzubringen. Wir finden aber die Regeneration nicht auf diese einfachste Form des Ersatzes beschränkt, sondern beobachten, dass auch complicirter zusammengesetzte Gewebe sich selbst wieder hervor- bringen können, ja dass ganze Organstücke, ganze Organe, ganze Gliedmaassen und grössere Körpertheile, wie Kopf und Schwanz, bei gewissen Thiergruppen neu erzeugt werden können, wenn sie verloren gegangen sind. Die idioplasmatische Erklärung dieser Thatsachen fanden wir darin, dass auch hier die Determi- nanten der Zellgruppen, welche regenerirbar sein sollten, ver- vielfacht und im Laufe der Ontogenese gewissen Zellen als inaktives Neben-Idioplasma beigegeben wurden. Die Aus- rüstung solcher Zellen mit Regenerations-Determinanten beruht auf Anpassung und hängt nur insoweit mit der Organisationshöhe des Thieres zusammen, als die Schwierigkeit, eine grosse Menge von Zellen mit genau abgestuften Regenerations-Determinanten auszurüsten, um so grösser werden musste, je grösser die Zellen- zahl wurde, von welcher die Regeneration auszugehen hatte, und je zahlreicher und vielfacher differenzirt die Organe, welche wieder herzustellen waren. Beides steigt mit der Complication des Baues und deshalb nimmt im Allgemeinen die sogenannte „Regenerationskraft“ mit der Complication des Baues ab. Zellen, welche Regenerationskraft besitzen, sind also solche, welche ausser ihrer eigenen aktiven Determinante noch eine grössere oder kleinere Gruppe von inaktiven Determinanten solcher Zellen und Zellenfolgen enthalten, welche, wenn sie aktiv werden, das Stück des Körpers ersetzen zu helfen fähig sind, welches distalwärts von ihnen verloren gegangen ist. Nur die harmonische Ausrüstung der Zellen eines bestimmten Quer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/321
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/321>, abgerufen am 21.11.2024.