So bezeichnet Focke die Nachkommenschaft einjähriger oder zweijähriger hybrider Pflanzen als "in der Regel ungemein un- gleichartig und formenreich" und führt als Beispiele die Gattungen Pisum, Phaseolus, Lactuca, Tragopogon, Datura, und speciell den Bastard von Nicotiana alata und N. Langsdorffii an. Auch de Vries1) erwähnt diese Thatsachen und schildert sie in sehr hübscher Weise mit folgenden Worten: "Die Bastarde der ersten Generation haben für jedes Paar von Arten ganz bestimmte Merkmale. Erzeugt man einen Bastard von zwei Arten, deren Kreuzung bereits früheren Forschern gelungen ist, so kann man sich darauf verlassen, dass die von ihnen gegebene Be- schreibung in der Regel genau auf die neu erworbene Mittel- form passen wird. Ist der Bastard ohne Mithülfe seiner Eltern fruchtbar, und zieht man seine Nachkommenschaft in einigen Generationen in Tausenden von Exemplaren, so beobachtet man stets, dass kaum zwei einander gleich sind. Einige kehren zu der Form des Vaters, andere zu jener der Mutter zurück; eine dritte Gruppe steht in der Mitte. Zwischen diesen stellen sich die übrigen in buntester Abwechselung väterlicher und mütter- licher Merkmale, und fast in jedem Grade gegenseitiger Mischung."
De Vries führt dies nur an als einen Beweis für das, was er die "freie Mischbarkeit der Eigenschaften" nennt, ohne Ge- wicht darauf zu legen, dass die erste Bastard-Generation sich so ganz anders verhält als die zweite, oder eine theoretische Erklärung dieses Verhaltens zu versuchen.
In neuester Zeit ist ein sehr schöner und genau unter- suchter Fall durch Professor Liebscher2) bekannt geworden. Derselbe kreuzte zwei Arten von Gerste, Hordeum Steudelii mit Hordeum trifurcatum . Die erste Art ist zweizeilig, die andere vierzeilig, die erste schwarz, die andere weiss u. s. w.
1)Hugo de Vries, "Intracellulare Pangenesis". Jena 1889, p. 25.
2)Liebscher, "Vererbung u. s. w." in Jen. Zeitschrift, Bd. 23, 1888.
So bezeichnet Focke die Nachkommenschaft einjähriger oder zweijähriger hybrider Pflanzen als „in der Regel ungemein un- gleichartig und formenreich“ und führt als Beispiele die Gattungen Pisum, Phaseolus, Lactuca, Tragopogon, Datura, und speciell den Bastard von Nicotiana alata und N. Langsdorffii an. Auch de Vries1) erwähnt diese Thatsachen und schildert sie in sehr hübscher Weise mit folgenden Worten: „Die Bastarde der ersten Generation haben für jedes Paar von Arten ganz bestimmte Merkmale. Erzeugt man einen Bastard von zwei Arten, deren Kreuzung bereits früheren Forschern gelungen ist, so kann man sich darauf verlassen, dass die von ihnen gegebene Be- schreibung in der Regel genau auf die neu erworbene Mittel- form passen wird. Ist der Bastard ohne Mithülfe seiner Eltern fruchtbar, und zieht man seine Nachkommenschaft in einigen Generationen in Tausenden von Exemplaren, so beobachtet man stets, dass kaum zwei einander gleich sind. Einige kehren zu der Form des Vaters, andere zu jener der Mutter zurück; eine dritte Gruppe steht in der Mitte. Zwischen diesen stellen sich die übrigen in buntester Abwechselung väterlicher und mütter- licher Merkmale, und fast in jedem Grade gegenseitiger Mischung.“
De Vries führt dies nur an als einen Beweis für das, was er die „freie Mischbarkeit der Eigenschaften“ nennt, ohne Ge- wicht darauf zu legen, dass die erste Bastard-Generation sich so ganz anders verhält als die zweite, oder eine theoretische Erklärung dieses Verhaltens zu versuchen.
In neuester Zeit ist ein sehr schöner und genau unter- suchter Fall durch Professor Liebscher2) bekannt geworden. Derselbe kreuzte zwei Arten von Gerste, Hordeum Steudelii ♀ mit Hordeum trifurcatum ♂. Die erste Art ist zweizeilig, die andere vierzeilig, die erste schwarz, die andere weiss u. s. w.
1)Hugo de Vries, „Intracellulare Pangenesis“. Jena 1889, p. 25.
2)Liebscher, „Vererbung u. s. w.“ in Jen. Zeitschrift, Bd. 23, 1888.
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So bezeichnet Focke die Nachkommenschaft einjähriger oder
zweijähriger hybrider Pflanzen als „in der Regel ungemein un-
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Pisum, Phaseolus, Lactuca, Tragopogon, Datura, und speciell den
Bastard von Nicotiana alata und N. Langsdorffii an. Auch
de Vries 1) erwähnt diese Thatsachen und schildert sie in sehr
hübscher Weise mit folgenden Worten: „Die Bastarde der ersten
Generation haben für jedes Paar von Arten ganz bestimmte
Merkmale. Erzeugt man einen Bastard von zwei Arten, deren
Kreuzung bereits früheren Forschern gelungen ist, so kann
man sich darauf verlassen, dass die von ihnen gegebene Be-
schreibung in der Regel genau auf die neu erworbene Mittel-
form passen wird. Ist der Bastard ohne Mithülfe seiner Eltern
fruchtbar, und zieht man seine Nachkommenschaft in einigen
Generationen in Tausenden von Exemplaren, so beobachtet man
stets, dass kaum zwei einander gleich sind. Einige kehren zu
der Form des Vaters, andere zu jener der Mutter zurück; eine
dritte Gruppe steht in der Mitte. Zwischen diesen stellen sich
die übrigen in buntester Abwechselung väterlicher und mütter-
licher Merkmale, und fast in jedem Grade gegenseitiger Mischung.“
De Vries führt dies nur an als einen Beweis für das, was
er die „freie Mischbarkeit der Eigenschaften“ nennt, ohne Ge-
wicht darauf zu legen, dass die erste Bastard-Generation sich
so ganz anders verhält als die zweite, oder eine theoretische
Erklärung dieses Verhaltens zu versuchen.
In neuester Zeit ist ein sehr schöner und genau unter-
suchter Fall durch Professor Liebscher 2) bekannt geworden.
Derselbe kreuzte zwei Arten von Gerste, Hordeum Steudelii ♀
mit Hordeum trifurcatum ♂. Die erste Art ist zweizeilig, die
andere vierzeilig, die erste schwarz, die andere weiss u. s. w.
1) Hugo de Vries, „Intracellulare Pangenesis“. Jena 1889, p. 25.
2) Liebscher, „Vererbung u. s. w.“ in Jen. Zeitschrift, Bd. 23, 1888.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/418>, abgerufen am 22.11.2024.
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