geröthet wurden durch Einwirkung des Pollens einer roth- blühenden Sorte auf eine einzige Blüthe dieser Inflorescenz!
Da hervorragende Botaniker, wie Focke1) und neuerdings wieder de Vries2), sich sehr zweifelnd solchen Beobachtungen oder vielmehr Deutungen gegenüber ausgesprochen haben, so muss wohl erst eine kritische Nachprüfung dieser Versuche ab- gewartet werden, ehe man eine theoretische Erklärung versucht. Eine solche würde mit der Hauptschwierigkeit zu kämpfen haben, dass es sich hier um die Einwirkung von Keimplasma der Samenzelle auf ein Gewebe der fremden Art handelt, welches nur einen einzelnen Theil der Pflanze ausmacht. Man müsste annehmen, dass nicht sämmtliche Determinanten des Keim- plasma's, sondern blos diejenigen hier wirksam seien, welche die Frucht bestimmen.
Noch grösser ist die Unsicherheit bei den Fällen von sog. "Infection des Keimes". Wenn freilich der von Darwin3) angeführte -- aber nicht auch von ihm selbst beobachtete -- Fall sicher und richtig beobachtet ist, dann könnte man kaum noch einen Zweifel mehr hegen. Eine Pferdestute des Lord Morton erzeugte mit einem Quaggahengst einen Bastard; später warf sie zwei Füllen von einem arabischen Rapphengst, und diese waren zum Theil graubraun ("dun") und an den Beinen quaggaartig gestreift, und zwar deutlicher, als der wirkliche Bastard. Auch der Hals der Thiere und mehrere andere Theile des Körpers waren deutlich gestreift, und die Mähne soll nicht
1)Focke, "Die Pflanzen-Mischlinge". Berlin 1881, p. 510 u. f.
2)Hugo de Vries, "Intracellulare Pangenesis". Jena 1889, p. 206.
3) Ich citire den Fall nach Darwin in "Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustand der Domestication" Bd. I, p. 453 d. deutsch. 2. Auf- lage. Darwin scheinen die weiterhin noch zu erwähnenden Bilder des betreffenden Füllens nicht bekannt gewesen zu sein. Auch ich habe sie nicht gesehen, sondern habe ihre Existenz erst aus dem Buche von Settegast erfahren.
geröthet wurden durch Einwirkung des Pollens einer roth- blühenden Sorte auf eine einzige Blüthe dieser Inflorescenz!
Da hervorragende Botaniker, wie Focke1) und neuerdings wieder de Vries2), sich sehr zweifelnd solchen Beobachtungen oder vielmehr Deutungen gegenüber ausgesprochen haben, so muss wohl erst eine kritische Nachprüfung dieser Versuche ab- gewartet werden, ehe man eine theoretische Erklärung versucht. Eine solche würde mit der Hauptschwierigkeit zu kämpfen haben, dass es sich hier um die Einwirkung von Keimplasma der Samenzelle auf ein Gewebe der fremden Art handelt, welches nur einen einzelnen Theil der Pflanze ausmacht. Man müsste annehmen, dass nicht sämmtliche Determinanten des Keim- plasma’s, sondern blos diejenigen hier wirksam seien, welche die Frucht bestimmen.
Noch grösser ist die Unsicherheit bei den Fällen von sog. „Infection des Keimes“. Wenn freilich der von Darwin3) angeführte — aber nicht auch von ihm selbst beobachtete — Fall sicher und richtig beobachtet ist, dann könnte man kaum noch einen Zweifel mehr hegen. Eine Pferdestute des Lord Morton erzeugte mit einem Quaggahengst einen Bastard; später warf sie zwei Füllen von einem arabischen Rapphengst, und diese waren zum Theil graubraun („dun“) und an den Beinen quaggaartig gestreift, und zwar deutlicher, als der wirkliche Bastard. Auch der Hals der Thiere und mehrere andere Theile des Körpers waren deutlich gestreift, und die Mähne soll nicht
1)Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881, p. 510 u. f.
2)Hugo de Vries, „Intracellulare Pangenesis“. Jena 1889, p. 206.
3) Ich citire den Fall nach Darwin in „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustand der Domestication“ Bd. I, p. 453 d. deutsch. 2. Auf- lage. Darwin scheinen die weiterhin noch zu erwähnenden Bilder des betreffenden Füllens nicht bekannt gewesen zu sein. Auch ich habe sie nicht gesehen, sondern habe ihre Existenz erst aus dem Buche von Settegast erfahren.
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[504/0528]
geröthet wurden durch Einwirkung des Pollens einer roth-
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wieder de Vries 2), sich sehr zweifelnd solchen Beobachtungen
oder vielmehr Deutungen gegenüber ausgesprochen haben, so
muss wohl erst eine kritische Nachprüfung dieser Versuche ab-
gewartet werden, ehe man eine theoretische Erklärung versucht.
Eine solche würde mit der Hauptschwierigkeit zu kämpfen
haben, dass es sich hier um die Einwirkung von Keimplasma
der Samenzelle auf ein Gewebe der fremden Art handelt, welches
nur einen einzelnen Theil der Pflanze ausmacht. Man müsste
annehmen, dass nicht sämmtliche Determinanten des Keim-
plasma’s, sondern blos diejenigen hier wirksam seien, welche
die Frucht bestimmen.
Noch grösser ist die Unsicherheit bei den Fällen von sog.
„Infection des Keimes“. Wenn freilich der von Darwin 3)
angeführte — aber nicht auch von ihm selbst beobachtete —
Fall sicher und richtig beobachtet ist, dann könnte man kaum
noch einen Zweifel mehr hegen. Eine Pferdestute des Lord
Morton erzeugte mit einem Quaggahengst einen Bastard; später
warf sie zwei Füllen von einem arabischen Rapphengst, und
diese waren zum Theil graubraun („dun“) und an den Beinen
quaggaartig gestreift, und zwar deutlicher, als der wirkliche
Bastard. Auch der Hals der Thiere und mehrere andere Theile
des Körpers waren deutlich gestreift, und die Mähne soll nicht
1) Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881, p. 510 u. f.
2) Hugo de Vries, „Intracellulare Pangenesis“. Jena 1889, p. 206.
3) Ich citire den Fall nach Darwin in „Variiren der Thiere und
Pflanzen im Zustand der Domestication“ Bd. I, p. 453 d. deutsch. 2. Auf-
lage. Darwin scheinen die weiterhin noch zu erwähnenden Bilder des
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nicht gesehen, sondern habe ihre Existenz erst aus dem Buche von
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/528>, abgerufen am 22.11.2024.
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