Dieser Ansicht von der Bedeutung der sexuellen Fort- pflanzung ist von Hatschek1) entgegengehalten worden, "die Veränderungen der Arten passirten viel zu selten, als dass man eine ununterbrochen wirksame Einrichtung, wie sexuelle Fort- pflanzung daraus erklären könne". Dabei ist aber übersehen, dass -- nach meiner Ansicht wenigstens -- nicht nur die Um- wandlung, sondern auch die Erhaltung der Constanz der Arten auf Naturzüchtung beruht, dass diese somit keinen Augen- blick ruht, vielmehr unausgesetzt thätig ist.
Nach dem, was oben in dem Capitel über den Kampf der Determinanten der beiden Eltern in der Ontogenese, was ferner über die bei Amphimixis unerlässliche Reductionstheilung des Keimplasma's gesagt wurde, geht hinreichend hervor, dass in der That durch Amphimixis immer neue Combinationen der bei einer Art möglichen Variationen entstehen müssen. Einer- seits erhält das Keimplasma eines durch Amphimixis begründeten neuen Individuums immer nur die Hälfte der Ide jeden Elters, und zwar in immer wechselnder Auswahl und Zusammenstellung, und dann giebt das Zusammenwirken der von beiden Seiten zusammenkommenden Ide nicht in allen Theilen des neuen Bion überall dieselbe Mittlere, sondern je nach der Anzahl und der bestimmenden Kraft der einzelnen homologen Determinanten bildet sich jeder Theil bald mehr nach väterlichen, oder mehr nach mütterlichen Anlagen aus; die Resultante aus den zusammen- wirkenden Kräften kann in jedem Theil eine verschiedene sein.
Wenn aber auch Amphimixis für höhere, d. h. compli- cirtere Organismen eine unerlässliche Bedingung für die Fort- entwickelung der Art, für ihre Anpassung an neue Existenz- bedingungen ist, so kann sie dennoch nicht die letzte Wurzel der erblichen Variation sein. Durch sie können nur
1) B. Hatschek, "Lehrbuch der Zoologie", Jena 1888, p. 10.
Dieser Ansicht von der Bedeutung der sexuellen Fort- pflanzung ist von Hatschek1) entgegengehalten worden, „die Veränderungen der Arten passirten viel zu selten, als dass man eine ununterbrochen wirksame Einrichtung, wie sexuelle Fort- pflanzung daraus erklären könne“. Dabei ist aber übersehen, dass — nach meiner Ansicht wenigstens — nicht nur die Um- wandlung, sondern auch die Erhaltung der Constanz der Arten auf Naturzüchtung beruht, dass diese somit keinen Augen- blick ruht, vielmehr unausgesetzt thätig ist.
Nach dem, was oben in dem Capitel über den Kampf der Determinanten der beiden Eltern in der Ontogenese, was ferner über die bei Amphimixis unerlässliche Reductionstheilung des Keimplasma’s gesagt wurde, geht hinreichend hervor, dass in der That durch Amphimixis immer neue Combinationen der bei einer Art möglichen Variationen entstehen müssen. Einer- seits erhält das Keimplasma eines durch Amphimixis begründeten neuen Individuums immer nur die Hälfte der Ide jeden Elters, und zwar in immer wechselnder Auswahl und Zusammenstellung, und dann giebt das Zusammenwirken der von beiden Seiten zusammenkommenden Ide nicht in allen Theilen des neuen Bion überall dieselbe Mittlere, sondern je nach der Anzahl und der bestimmenden Kraft der einzelnen homologen Determinanten bildet sich jeder Theil bald mehr nach väterlichen, oder mehr nach mütterlichen Anlagen aus; die Resultante aus den zusammen- wirkenden Kräften kann in jedem Theil eine verschiedene sein.
Wenn aber auch Amphimixis für höhere, d. h. compli- cirtere Organismen eine unerlässliche Bedingung für die Fort- entwickelung der Art, für ihre Anpassung an neue Existenz- bedingungen ist, so kann sie dennoch nicht die letzte Wurzel der erblichen Variation sein. Durch sie können nur
1) B. Hatschek, „Lehrbuch der Zoologie“, Jena 1888, p. 10.
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[542/0566]
Dieser Ansicht von der Bedeutung der sexuellen Fort-
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Veränderungen der Arten passirten viel zu selten, als dass man
eine ununterbrochen wirksame Einrichtung, wie sexuelle Fort-
pflanzung daraus erklären könne“. Dabei ist aber übersehen,
dass — nach meiner Ansicht wenigstens — nicht nur die Um-
wandlung, sondern auch die Erhaltung der Constanz der
Arten auf Naturzüchtung beruht, dass diese somit keinen Augen-
blick ruht, vielmehr unausgesetzt thätig ist.
Nach dem, was oben in dem Capitel über den Kampf der
Determinanten der beiden Eltern in der Ontogenese, was ferner
über die bei Amphimixis unerlässliche Reductionstheilung des
Keimplasma’s gesagt wurde, geht hinreichend hervor, dass in
der That durch Amphimixis immer neue Combinationen der
bei einer Art möglichen Variationen entstehen müssen. Einer-
seits erhält das Keimplasma eines durch Amphimixis begründeten
neuen Individuums immer nur die Hälfte der Ide jeden Elters,
und zwar in immer wechselnder Auswahl und Zusammenstellung,
und dann giebt das Zusammenwirken der von beiden Seiten
zusammenkommenden Ide nicht in allen Theilen des neuen Bion
überall dieselbe Mittlere, sondern je nach der Anzahl und der
bestimmenden Kraft der einzelnen homologen Determinanten
bildet sich jeder Theil bald mehr nach väterlichen, oder mehr
nach mütterlichen Anlagen aus; die Resultante aus den zusammen-
wirkenden Kräften kann in jedem Theil eine verschiedene sein.
Wenn aber auch Amphimixis für höhere, d. h. compli-
cirtere Organismen eine unerlässliche Bedingung für die Fort-
entwickelung der Art, für ihre Anpassung an neue Existenz-
bedingungen ist, so kann sie dennoch nicht die letzte Wurzel
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1) B. Hatschek, „Lehrbuch der Zoologie“, Jena 1888, p. 10.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/566>, abgerufen am 22.11.2024.
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