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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Ehe ich auf die Veränderungen eingehe, welche das Keim-
plasma als Ganzes bei der Artumwandlung erleiden muss,
möchte ich einem Einwurf begegnen, der gemacht werden könnte.
Wenn alle Determinanten unausgesetzt kleinen Ernährungs-
differenzen und damit kleinen Variationen unterworfen sind,
woher kommt dann die so überaus grosse Hartnäckigkeit, mit
welcher die Species sich erhält, ohne ihren Typus zu verändern?
woher die Constanz der Species? man sollte denken, dass
dann alle organischen Formen sich in einem fortwährenden
Fluss befinden müssten, dass keine Form und kein Organ lange
Bestand haben könnte.

Ich glaube, man vergisst dabei Mehrerlei. Einmal steht
jede Art unter unausgesetzter Controle der Naturzüchtung, wie
man am besten aus dem Verkümmern bedeutungslos gewordener
Theile sieht. Nachdem, wie mir scheint, die alte Annahme
von der Vererbung somatogener Abänderungen endgültig auf-
gegeben werden muss, bleibt zur Erklärung dieser Rückbildung
Nichts übrig, als Panmixie, d. h. Aufhören der Controle der
Naturzüchtung bei dem nicht mehr nützlichen Theil. Daraus
aber, dass diese Rückbildung immer eintritt, dürfen wir schliessen,
dass Schwankungen in den Determinanten immer und überall
vorkommen, daraus aber, dass die Rückbildung immer sehr lang-
sam vor sich geht, schliesse ich weiter, dass trotz ihrer Häufig-
keit diese Schwankungen nur sehr allmälig zu sichtbaren
Variationen sich häufen
.

Wie gleich Anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die
einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vor-
stellen. Direkt könnte Naturzüchtung Nichts mit der einzelnen
Variation anfangen; sie könnte sie nicht summiren; die Summi-
rung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt werden, und ich
möchte annehmen, dass darin die eine Hälfte ihrer Bedeutung
liegt. Sie kann Minoritäten abgeänderter Determinanten zu

Ehe ich auf die Veränderungen eingehe, welche das Keim-
plasma als Ganzes bei der Artumwandlung erleiden muss,
möchte ich einem Einwurf begegnen, der gemacht werden könnte.
Wenn alle Determinanten unausgesetzt kleinen Ernährungs-
differenzen und damit kleinen Variationen unterworfen sind,
woher kommt dann die so überaus grosse Hartnäckigkeit, mit
welcher die Species sich erhält, ohne ihren Typus zu verändern?
woher die Constanz der Species? man sollte denken, dass
dann alle organischen Formen sich in einem fortwährenden
Fluss befinden müssten, dass keine Form und kein Organ lange
Bestand haben könnte.

Ich glaube, man vergisst dabei Mehrerlei. Einmal steht
jede Art unter unausgesetzter Controle der Naturzüchtung, wie
man am besten aus dem Verkümmern bedeutungslos gewordener
Theile sieht. Nachdem, wie mir scheint, die alte Annahme
von der Vererbung somatogener Abänderungen endgültig auf-
gegeben werden muss, bleibt zur Erklärung dieser Rückbildung
Nichts übrig, als Panmixie, d. h. Aufhören der Controle der
Naturzüchtung bei dem nicht mehr nützlichen Theil. Daraus
aber, dass diese Rückbildung immer eintritt, dürfen wir schliessen,
dass Schwankungen in den Determinanten immer und überall
vorkommen, daraus aber, dass die Rückbildung immer sehr lang-
sam vor sich geht, schliesse ich weiter, dass trotz ihrer Häufig-
keit diese Schwankungen nur sehr allmälig zu sichtbaren
Variationen sich häufen
.

Wie gleich Anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die
einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vor-
stellen. Direkt könnte Naturzüchtung Nichts mit der einzelnen
Variation anfangen; sie könnte sie nicht summiren; die Summi-
rung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt werden, und ich
möchte annehmen, dass darin die eine Hälfte ihrer Bedeutung
liegt. Sie kann Minoritäten abgeänderter Determinanten zu

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[569/0593] Ehe ich auf die Veränderungen eingehe, welche das Keim- plasma als Ganzes bei der Artumwandlung erleiden muss, möchte ich einem Einwurf begegnen, der gemacht werden könnte. Wenn alle Determinanten unausgesetzt kleinen Ernährungs- differenzen und damit kleinen Variationen unterworfen sind, woher kommt dann die so überaus grosse Hartnäckigkeit, mit welcher die Species sich erhält, ohne ihren Typus zu verändern? woher die Constanz der Species? man sollte denken, dass dann alle organischen Formen sich in einem fortwährenden Fluss befinden müssten, dass keine Form und kein Organ lange Bestand haben könnte. Ich glaube, man vergisst dabei Mehrerlei. Einmal steht jede Art unter unausgesetzter Controle der Naturzüchtung, wie man am besten aus dem Verkümmern bedeutungslos gewordener Theile sieht. Nachdem, wie mir scheint, die alte Annahme von der Vererbung somatogener Abänderungen endgültig auf- gegeben werden muss, bleibt zur Erklärung dieser Rückbildung Nichts übrig, als Panmixie, d. h. Aufhören der Controle der Naturzüchtung bei dem nicht mehr nützlichen Theil. Daraus aber, dass diese Rückbildung immer eintritt, dürfen wir schliessen, dass Schwankungen in den Determinanten immer und überall vorkommen, daraus aber, dass die Rückbildung immer sehr lang- sam vor sich geht, schliesse ich weiter, dass trotz ihrer Häufig- keit diese Schwankungen nur sehr allmälig zu sichtbaren Variationen sich häufen. Wie gleich Anfangs gesagt wurde, müssen wir uns die einzelnen Schwankungen der Determinanten ungemein klein vor- stellen. Direkt könnte Naturzüchtung Nichts mit der einzelnen Variation anfangen; sie könnte sie nicht summiren; die Summi- rung kann lediglich durch Amphimixis bewirkt werden, und ich möchte annehmen, dass darin die eine Hälfte ihrer Bedeutung liegt. Sie kann Minoritäten abgeänderter Determinanten zu

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/593>, abgerufen am 22.11.2024.