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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Bei der zweiten Gruppe von Thieren muss angenommen
werden, dass schon früh in der Ontogenese das Knospungs-
Keimplasma sich in zwei Determinantengruppen zerlegt, von
denen jede dann in gebundenem Zustand durch verschiedene
Zellfolgen hindurch weitergegeben wird, bis der Ort und Zeit-
punkt erreicht ist, in welchem ihr Aktivwerden beginnen kann.

Bei der dritten Gruppe zerlegt sich das inaktive Knos-
pungs-Idioplasma in drei Determinantengruppen, von welchen
die eine im Ektoderm, die andere in gewissen Zellfolgen des
Mesoderm, die dritte in solchen des Entoderm weiterrückt, bis
sie den Ort, an welchem sie aktiv zu werden haben, erreichen.

Knospung wird phyletisch auf dem Wege entstanden sein,
dass eine Verdoppelung des Keimplasma's im befruchteten Ei
in der Weise eintrat, dass die eine Hälfte desselben inaktiv
blieb und nun entweder als inaktives Knospen-Keimplasma
weitergegeben wurde, oder sich im Laufe der Ontogenese in
Gruppen spaltete, welche getrennt nach demselben Ziel, der
Knospungsstelle hinbefördert wurden.

Überall aber, wo Knospung ein dauernder Besitz der Art
wurde, scheint sich früh schon diese Verdoppelung des Keim-
plasma's dauernd durch alle Stadien der Ontogenese hindurch
erhalten zu haben, denn wir sehen, dass die durch Knospung
entstandenen Individuen sehr häufig selbstständig abändern und
oft sogar in bedeutendem Betrag. Selbstständiges Variiren vom
Keim aus setzt aber besondere Determinanten des Knospungs-
Keimplasma's voraus. Niemals hätten Medusen aus Polypen
hervorknospen können, wenn nicht selbstständig variable Deter-
minanten der Knospe im Keim des befruchteten Eies vorhanden
gewesen wären. Wir nehmen deshalb an, dass bei Arten mit
Generationswechsel zweierlei Keimplasma existirt
,
welches immer mit einander vorkommt, im Ei sowohl, als in
der Knospe, von welchem aber immer nur eines gleichzeitig

Bei der zweiten Gruppe von Thieren muss angenommen
werden, dass schon früh in der Ontogenese das Knospungs-
Keimplasma sich in zwei Determinantengruppen zerlegt, von
denen jede dann in gebundenem Zustand durch verschiedene
Zellfolgen hindurch weitergegeben wird, bis der Ort und Zeit-
punkt erreicht ist, in welchem ihr Aktivwerden beginnen kann.

Bei der dritten Gruppe zerlegt sich das inaktive Knos-
pungs-Idioplasma in drei Determinantengruppen, von welchen
die eine im Ektoderm, die andere in gewissen Zellfolgen des
Mesoderm, die dritte in solchen des Entoderm weiterrückt, bis
sie den Ort, an welchem sie aktiv zu werden haben, erreichen.

Knospung wird phyletisch auf dem Wege entstanden sein,
dass eine Verdoppelung des Keimplasma’s im befruchteten Ei
in der Weise eintrat, dass die eine Hälfte desselben inaktiv
blieb und nun entweder als inaktives Knospen-Keimplasma
weitergegeben wurde, oder sich im Laufe der Ontogenese in
Gruppen spaltete, welche getrennt nach demselben Ziel, der
Knospungsstelle hinbefördert wurden.

Überall aber, wo Knospung ein dauernder Besitz der Art
wurde, scheint sich früh schon diese Verdoppelung des Keim-
plasma’s dauernd durch alle Stadien der Ontogenese hindurch
erhalten zu haben, denn wir sehen, dass die durch Knospung
entstandenen Individuen sehr häufig selbstständig abändern und
oft sogar in bedeutendem Betrag. Selbstständiges Variiren vom
Keim aus setzt aber besondere Determinanten des Knospungs-
Keimplasma’s voraus. Niemals hätten Medusen aus Polypen
hervorknospen können, wenn nicht selbstständig variable Deter-
minanten der Knospe im Keim des befruchteten Eies vorhanden
gewesen wären. Wir nehmen deshalb an, dass bei Arten mit
Generationswechsel zweierlei Keimplasma existirt
,
welches immer mit einander vorkommt, im Ei sowohl, als in
der Knospe, von welchem aber immer nur eines gleichzeitig

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[600/0624] Bei der zweiten Gruppe von Thieren muss angenommen werden, dass schon früh in der Ontogenese das Knospungs- Keimplasma sich in zwei Determinantengruppen zerlegt, von denen jede dann in gebundenem Zustand durch verschiedene Zellfolgen hindurch weitergegeben wird, bis der Ort und Zeit- punkt erreicht ist, in welchem ihr Aktivwerden beginnen kann. Bei der dritten Gruppe zerlegt sich das inaktive Knos- pungs-Idioplasma in drei Determinantengruppen, von welchen die eine im Ektoderm, die andere in gewissen Zellfolgen des Mesoderm, die dritte in solchen des Entoderm weiterrückt, bis sie den Ort, an welchem sie aktiv zu werden haben, erreichen. Knospung wird phyletisch auf dem Wege entstanden sein, dass eine Verdoppelung des Keimplasma’s im befruchteten Ei in der Weise eintrat, dass die eine Hälfte desselben inaktiv blieb und nun entweder als inaktives Knospen-Keimplasma weitergegeben wurde, oder sich im Laufe der Ontogenese in Gruppen spaltete, welche getrennt nach demselben Ziel, der Knospungsstelle hinbefördert wurden. Überall aber, wo Knospung ein dauernder Besitz der Art wurde, scheint sich früh schon diese Verdoppelung des Keim- plasma’s dauernd durch alle Stadien der Ontogenese hindurch erhalten zu haben, denn wir sehen, dass die durch Knospung entstandenen Individuen sehr häufig selbstständig abändern und oft sogar in bedeutendem Betrag. Selbstständiges Variiren vom Keim aus setzt aber besondere Determinanten des Knospungs- Keimplasma’s voraus. Niemals hätten Medusen aus Polypen hervorknospen können, wenn nicht selbstständig variable Deter- minanten der Knospe im Keim des befruchteten Eies vorhanden gewesen wären. Wir nehmen deshalb an, dass bei Arten mit Generationswechsel zweierlei Keimplasma existirt, welches immer mit einander vorkommt, im Ei sowohl, als in der Knospe, von welchem aber immer nur eines gleichzeitig

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/624>, abgerufen am 22.11.2024.