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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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und zum Theil derartige, wie sie erst durch die Staaten-
bildung und die Existenz von Arbeitern möglich geworden
sind. Aber auch äusserlich sind die Arbeiterinnen nicht
selten durch Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, welche mit
ihrer Thätigkeit aufs genaueste zusammenhängen und des-
halb nicht schon von den Geschlechtsthieren her auf sie
vererbt sein und diesen selbst dann verloren gegangen sein
können. Dahin gehören z. B. die langen Dornen, welche
die Arbeiterinnen mancher Arten (z. B. von Atta) auf dem
Kopf und dem Rücken tragen.

Grade bei der Gattung Atta unterscheiden sich aber
die Arbeiterinnen von den Weibchen noch durch viel tiefer
greifende Merkmale. Bei manchen Arten kommen zwei
Formen von Arbeiterinnen
vor, deren eine als "Sol-
daten" bezeichnet zu werden pflegt, weil sie die Vertheidigung
der Kolonie übernehmen. Diese nun zeigen sich oft sehr
verschieden von den anderen Arbeitern und noch mehr von
den fruchtbaren Weibchen. So ist bei Pheidole megacephala
der Kopf der Soldaten viel grösser und mit viel mächtigeren
Kiefern ausgerüstet, und "die Grösse des Kopfes gestattet
den Muskeln, welche die Kiefern bewegen, ganz ungewöhn-
liche Dimensionen", wie Lubbock 1) berichtet, der diese
südeuropäische Art im Leben beobachtet hat. Bei der
mitteleuropäischen Colobopsis truncata hat Carlo Emery
auch zwei Arbeiterformen entdeckt, von denen die "Sol-
daten" so verschieden sind von der gewöhnlichen Arbeiter-
form, dass man sie bisher für eine andere Art gehalten
hatte (C. fuscipes), als man sie im Nest der Colobopsis

1) Sir John Lubbock, "Ameisen, Bienen und Wespen",
Leipzig 1883, p. 16.

und zum Theil derartige, wie sie erst durch die Staaten-
bildung und die Existenz von Arbeitern möglich geworden
sind. Aber auch äusserlich sind die Arbeiterinnen nicht
selten durch Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, welche mit
ihrer Thätigkeit aufs genaueste zusammenhängen und des-
halb nicht schon von den Geschlechtsthieren her auf sie
vererbt sein und diesen selbst dann verloren gegangen sein
können. Dahin gehören z. B. die langen Dornen, welche
die Arbeiterinnen mancher Arten (z. B. von Atta) auf dem
Kopf und dem Rücken tragen.

Grade bei der Gattung Atta unterscheiden sich aber
die Arbeiterinnen von den Weibchen noch durch viel tiefer
greifende Merkmale. Bei manchen Arten kommen zwei
Formen von Arbeiterinnen
vor, deren eine als „Sol-
daten“ bezeichnet zu werden pflegt, weil sie die Vertheidigung
der Kolonie übernehmen. Diese nun zeigen sich oft sehr
verschieden von den anderen Arbeitern und noch mehr von
den fruchtbaren Weibchen. So ist bei Pheidole megacephala
der Kopf der Soldaten viel grösser und mit viel mächtigeren
Kiefern ausgerüstet, und „die Grösse des Kopfes gestattet
den Muskeln, welche die Kiefern bewegen, ganz ungewöhn-
liche Dimensionen“, wie Lubbock 1) berichtet, der diese
südeuropäische Art im Leben beobachtet hat. Bei der
mitteleuropäischen Colobopsis truncata hat Carlo Eméry
auch zwei Arbeiterformen entdeckt, von denen die „Sol-
daten“ so verschieden sind von der gewöhnlichen Arbeiter-
form, dass man sie bisher für eine andere Art gehalten
hatte (C. fuscipes), als man sie im Nest der Colobopsis

1) Sir John Lubbock, „Ameisen, Bienen und Wespen“,
Leipzig 1883, p. 16.
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[23/0035] und zum Theil derartige, wie sie erst durch die Staaten- bildung und die Existenz von Arbeitern möglich geworden sind. Aber auch äusserlich sind die Arbeiterinnen nicht selten durch Eigenthümlichkeiten ausgezeichnet, welche mit ihrer Thätigkeit aufs genaueste zusammenhängen und des- halb nicht schon von den Geschlechtsthieren her auf sie vererbt sein und diesen selbst dann verloren gegangen sein können. Dahin gehören z. B. die langen Dornen, welche die Arbeiterinnen mancher Arten (z. B. von Atta) auf dem Kopf und dem Rücken tragen. Grade bei der Gattung Atta unterscheiden sich aber die Arbeiterinnen von den Weibchen noch durch viel tiefer greifende Merkmale. Bei manchen Arten kommen zwei Formen von Arbeiterinnen vor, deren eine als „Sol- daten“ bezeichnet zu werden pflegt, weil sie die Vertheidigung der Kolonie übernehmen. Diese nun zeigen sich oft sehr verschieden von den anderen Arbeitern und noch mehr von den fruchtbaren Weibchen. So ist bei Pheidole megacephala der Kopf der Soldaten viel grösser und mit viel mächtigeren Kiefern ausgerüstet, und „die Grösse des Kopfes gestattet den Muskeln, welche die Kiefern bewegen, ganz ungewöhn- liche Dimensionen“, wie Lubbock 1) berichtet, der diese südeuropäische Art im Leben beobachtet hat. Bei der mitteleuropäischen Colobopsis truncata hat Carlo Eméry auch zwei Arbeiterformen entdeckt, von denen die „Sol- daten“ so verschieden sind von der gewöhnlichen Arbeiter- form, dass man sie bisher für eine andere Art gehalten hatte (C. fuscipes), als man sie im Nest der Colobopsis 1) Sir John Lubbock, „Ameisen, Bienen und Wespen“, Leipzig 1883, p. 16.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/35>, abgerufen am 21.11.2024.