Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

natürlich unbefruchtet bleiben, zwar stets nur Männchen
hervorgehen, dass dies aber genüge, um die Eigenschaften
der mütterlichen Arbeiterin fortzupflanzen. Darauf wäre
Folgendes zu erwidern: Es ist richtig, dass bei mehreren
Arten die Arbeiterinnen zuweilen Eier legen (Forel,
Lubbock, Wasmann
), vor allem in Gefangenschaft
unter künstlich hergestellten Verhältnissen, besonders bei
hoher Temperatur, aber es geschieht dies, soweit bekannt
ist, nur ausnahmsweise. Wenn nun auch ein kleiner Procent-
satz der Männchen solchen Eiern entstammte, so würde
dadurch doch niemals eine Verbreitung der Arbeitereigen-
schaften im ganzen Stock stattfinden können, weil die wenigen
Männchen, welche von Arbeiterinnen abstammen, einer viel
grösseren Zahl von Männchen gegenüberständen, welche
von Königinnen stammen. Wenn freilich sämmtliche Männ-
chen der Kolonie aus Eiern von Arbeiterinnen hervorgingen,
und die Königinnen nur weibliche Nachkommen hervor-
brächten, dann wäre der Einwurf berechtigt, dann könnten
die Ameisen nicht mehr als ein Beispiel für die Umge-
staltung der Lebensformen unter Ausschluss einer Vererbung
functioneller Abänderung geltend gemacht werden, aber, so-
viel wir wissen, verhält sich die Sache nicht so. Allerdings
ist mir keine Beobachtung bekannt, welche direct erwiese,
dass die Königinnen Männchen und Weibchen hervorbringen,
wie dies für die Bienen längst feststeht, aber noch viel
weniger ist das Umgekehrte erwiesen, dass nämlich die
Königinnen keine Männchen hervorbringen. Wenn man
nun noch hinzunimmt, dass ja auch bei den Bienen die
Arbeiterinnen unter Umständen Eier legen, aus denen wie
bei den Ameisen immer nur Männchen kommen, und weiter
erwägt, dass der Zustand der Rückbildung, in welchem sich
der Eierstock befindet, bei den verschiedenen Arten ver-

natürlich unbefruchtet bleiben, zwar stets nur Männchen
hervorgehen, dass dies aber genüge, um die Eigenschaften
der mütterlichen Arbeiterin fortzupflanzen. Darauf wäre
Folgendes zu erwidern: Es ist richtig, dass bei mehreren
Arten die Arbeiterinnen zuweilen Eier legen (Forel,
Lubbock, Wasmann
), vor allem in Gefangenschaft
unter künstlich hergestellten Verhältnissen, besonders bei
hoher Temperatur, aber es geschieht dies, soweit bekannt
ist, nur ausnahmsweise. Wenn nun auch ein kleiner Procent-
satz der Männchen solchen Eiern entstammte, so würde
dadurch doch niemals eine Verbreitung der Arbeitereigen-
schaften im ganzen Stock stattfinden können, weil die wenigen
Männchen, welche von Arbeiterinnen abstammen, einer viel
grösseren Zahl von Männchen gegenüberständen, welche
von Königinnen stammen. Wenn freilich sämmtliche Männ-
chen der Kolonie aus Eiern von Arbeiterinnen hervorgingen,
und die Königinnen nur weibliche Nachkommen hervor-
brächten, dann wäre der Einwurf berechtigt, dann könnten
die Ameisen nicht mehr als ein Beispiel für die Umge-
staltung der Lebensformen unter Ausschluss einer Vererbung
functioneller Abänderung geltend gemacht werden, aber, so-
viel wir wissen, verhält sich die Sache nicht so. Allerdings
ist mir keine Beobachtung bekannt, welche direct erwiese,
dass die Königinnen Männchen und Weibchen hervorbringen,
wie dies für die Bienen längst feststeht, aber noch viel
weniger ist das Umgekehrte erwiesen, dass nämlich die
Königinnen keine Männchen hervorbringen. Wenn man
nun noch hinzunimmt, dass ja auch bei den Bienen die
Arbeiterinnen unter Umständen Eier legen, aus denen wie
bei den Ameisen immer nur Männchen kommen, und weiter
erwägt, dass der Zustand der Rückbildung, in welchem sich
der Eierstock befindet, bei den verschiedenen Arten ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="44"/>
natürlich unbefruchtet bleiben, zwar stets nur Männchen<lb/>
hervorgehen, dass dies aber genüge, um die Eigenschaften<lb/>
der mütterlichen Arbeiterin fortzupflanzen. Darauf wäre<lb/>
Folgendes zu erwidern: Es ist richtig, dass bei mehreren<lb/>
Arten die Arbeiterinnen zuweilen Eier legen (<hi rendition="#g">Forel,<lb/>
Lubbock, Wasmann</hi>), vor allem in Gefangenschaft<lb/>
unter künstlich hergestellten Verhältnissen, besonders bei<lb/>
hoher Temperatur, aber es geschieht dies, soweit bekannt<lb/>
ist, nur ausnahmsweise. Wenn nun auch ein kleiner Procent-<lb/>
satz der Männchen solchen Eiern entstammte, so würde<lb/>
dadurch doch niemals eine Verbreitung der Arbeitereigen-<lb/>
schaften im ganzen Stock stattfinden können, weil die wenigen<lb/>
Männchen, welche von Arbeiterinnen abstammen, einer viel<lb/>
grösseren Zahl von Männchen gegenüberständen, welche<lb/>
von Königinnen stammen. Wenn freilich sämmtliche Männ-<lb/>
chen der Kolonie aus Eiern von Arbeiterinnen hervorgingen,<lb/>
und die Königinnen nur weibliche Nachkommen hervor-<lb/>
brächten, dann wäre der Einwurf berechtigt, dann könnten<lb/>
die Ameisen nicht mehr als ein Beispiel für die Umge-<lb/>
staltung der Lebensformen unter Ausschluss einer Vererbung<lb/>
functioneller Abänderung geltend gemacht werden, aber, so-<lb/>
viel wir wissen, verhält sich die Sache nicht so. Allerdings<lb/>
ist mir keine Beobachtung bekannt, welche direct erwiese,<lb/>
dass die Königinnen Männchen und Weibchen hervorbringen,<lb/>
wie dies für die Bienen längst feststeht, aber noch viel<lb/>
weniger ist das Umgekehrte erwiesen, dass nämlich die<lb/>
Königinnen <hi rendition="#g">keine</hi> Männchen hervorbringen. Wenn man<lb/>
nun noch hinzunimmt, dass ja auch bei den Bienen die<lb/>
Arbeiterinnen unter Umständen Eier legen, aus denen wie<lb/>
bei den Ameisen immer nur Männchen kommen, und weiter<lb/>
erwägt, dass der Zustand der Rückbildung, in welchem sich<lb/>
der Eierstock befindet, bei den verschiedenen Arten ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0056] natürlich unbefruchtet bleiben, zwar stets nur Männchen hervorgehen, dass dies aber genüge, um die Eigenschaften der mütterlichen Arbeiterin fortzupflanzen. Darauf wäre Folgendes zu erwidern: Es ist richtig, dass bei mehreren Arten die Arbeiterinnen zuweilen Eier legen (Forel, Lubbock, Wasmann), vor allem in Gefangenschaft unter künstlich hergestellten Verhältnissen, besonders bei hoher Temperatur, aber es geschieht dies, soweit bekannt ist, nur ausnahmsweise. Wenn nun auch ein kleiner Procent- satz der Männchen solchen Eiern entstammte, so würde dadurch doch niemals eine Verbreitung der Arbeitereigen- schaften im ganzen Stock stattfinden können, weil die wenigen Männchen, welche von Arbeiterinnen abstammen, einer viel grösseren Zahl von Männchen gegenüberständen, welche von Königinnen stammen. Wenn freilich sämmtliche Männ- chen der Kolonie aus Eiern von Arbeiterinnen hervorgingen, und die Königinnen nur weibliche Nachkommen hervor- brächten, dann wäre der Einwurf berechtigt, dann könnten die Ameisen nicht mehr als ein Beispiel für die Umge- staltung der Lebensformen unter Ausschluss einer Vererbung functioneller Abänderung geltend gemacht werden, aber, so- viel wir wissen, verhält sich die Sache nicht so. Allerdings ist mir keine Beobachtung bekannt, welche direct erwiese, dass die Königinnen Männchen und Weibchen hervorbringen, wie dies für die Bienen längst feststeht, aber noch viel weniger ist das Umgekehrte erwiesen, dass nämlich die Königinnen keine Männchen hervorbringen. Wenn man nun noch hinzunimmt, dass ja auch bei den Bienen die Arbeiterinnen unter Umständen Eier legen, aus denen wie bei den Ameisen immer nur Männchen kommen, und weiter erwägt, dass der Zustand der Rückbildung, in welchem sich der Eierstock befindet, bei den verschiedenen Arten ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/56
Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/56>, abgerufen am 22.11.2024.