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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
habe ich solche Schmerzen ausgestanden, als bei dieser Fahrt,
weil das Holz der Bootsriemen beim Rudern stets mit dem
rohen Fleisch meiner geschundenen Hände in Berührung kam,
aber mit einem eines Indianers würdigen Stoicismus ertrug
ich die heillose Pein, um für die Zukunft eine Lehre daraus
zu ziehen.

Wir fanden den Walfisch auf der Seite liegend und die
ganze Wasserfläche in seiner Umgebung von Blut geröthet. Er
hatte eine Länge von über 60 Fuß und namentlich imponirte
mir der riesige Kopf, der ein Drittheil des ganzen Körpers
auszumachen schien. Am Bauche hatte er vier schwere Wunden,
drei davon mehr horizontal, die vierte tödtliche jedoch durch
einen wohlgezielten Stoß von unten verursacht. Sie war es
wol, die den Wal zu seinem letzten verzweifelten Luftsprunge
getrieben hatte, bei dem er den Schwertfisch mit in die Höhe
riß. Das abgebrochene Schwert stak in der Wunde, war
aber so fest zwischen die Rippen eingekeilt, daß es nicht möglich
war, dasselbe mit den Händen herauszuziehen. Als wir dann
mit dem Boote zum Rachen hinholten, um ein Stück der Zunge
herauszuschneiden, fanden wir ersteren krampfhaft geschlossen,
aber zwischen den Kiefern einen vollständig zermalmten Schwert-
fisch. Der Wal mußte ihn wahrscheinlich noch unmittelbar vor
seinem Tode recht quer erfaßt und ihn mit seiner gewaltigen
Reihe von 48, sechs bis sieben Zoll langen, kegelförmigen Zähnen
förmlich zu Brei zerquetscht haben; nur der Kopf mit dem
Schwert hing an der oben liegenden Seite des Rachens noch
unverletzt, so daß wir ihn abschneiden und in das Boot nehmen
konnten.

Damit war dem Bootsmann jedoch nicht gedient, er war
auf die Zunge versessen und wollte sie durchaus haben. Das
ließ sich aber nur machen, wenn wir den Fisch langseit des
Schiffes brachten, und wir bugsirten ihn deshalb bis dorthin.
Als der Koloß einmal in Bewegung gesetzt war, glitt er leicht

Werner
habe ich ſolche Schmerzen ausgeſtanden, als bei dieſer Fahrt,
weil das Holz der Bootsriemen beim Rudern ſtets mit dem
rohen Fleiſch meiner geſchundenen Hände in Berührung kam,
aber mit einem eines Indianers würdigen Stoicismus ertrug
ich die heilloſe Pein, um für die Zukunft eine Lehre daraus
zu ziehen.

Wir fanden den Walfiſch auf der Seite liegend und die
ganze Waſſerfläche in ſeiner Umgebung von Blut geröthet. Er
hatte eine Länge von über 60 Fuß und namentlich imponirte
mir der rieſige Kopf, der ein Drittheil des ganzen Körpers
auszumachen ſchien. Am Bauche hatte er vier ſchwere Wunden,
drei davon mehr horizontal, die vierte tödtliche jedoch durch
einen wohlgezielten Stoß von unten verurſacht. Sie war es
wol, die den Wal zu ſeinem letzten verzweifelten Luftſprunge
getrieben hatte, bei dem er den Schwertfiſch mit in die Höhe
riß. Das abgebrochene Schwert ſtak in der Wunde, war
aber ſo feſt zwiſchen die Rippen eingekeilt, daß es nicht möglich
war, daſſelbe mit den Händen herauszuziehen. Als wir dann
mit dem Boote zum Rachen hinholten, um ein Stück der Zunge
herauszuſchneiden, fanden wir erſteren krampfhaft geſchloſſen,
aber zwiſchen den Kiefern einen vollſtändig zermalmten Schwert-
fiſch. Der Wal mußte ihn wahrſcheinlich noch unmittelbar vor
ſeinem Tode recht quer erfaßt und ihn mit ſeiner gewaltigen
Reihe von 48, ſechs bis ſieben Zoll langen, kegelförmigen Zähnen
förmlich zu Brei zerquetſcht haben; nur der Kopf mit dem
Schwert hing an der oben liegenden Seite des Rachens noch
unverletzt, ſo daß wir ihn abſchneiden und in das Boot nehmen
konnten.

Damit war dem Bootsmann jedoch nicht gedient, er war
auf die Zunge verſeſſen und wollte ſie durchaus haben. Das
ließ ſich aber nur machen, wenn wir den Fiſch langſeit des
Schiffes brachten, und wir bugſirten ihn deshalb bis dorthin.
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[98/0110] Werner habe ich ſolche Schmerzen ausgeſtanden, als bei dieſer Fahrt, weil das Holz der Bootsriemen beim Rudern ſtets mit dem rohen Fleiſch meiner geſchundenen Hände in Berührung kam, aber mit einem eines Indianers würdigen Stoicismus ertrug ich die heilloſe Pein, um für die Zukunft eine Lehre daraus zu ziehen. Wir fanden den Walfiſch auf der Seite liegend und die ganze Waſſerfläche in ſeiner Umgebung von Blut geröthet. Er hatte eine Länge von über 60 Fuß und namentlich imponirte mir der rieſige Kopf, der ein Drittheil des ganzen Körpers auszumachen ſchien. Am Bauche hatte er vier ſchwere Wunden, drei davon mehr horizontal, die vierte tödtliche jedoch durch einen wohlgezielten Stoß von unten verurſacht. Sie war es wol, die den Wal zu ſeinem letzten verzweifelten Luftſprunge getrieben hatte, bei dem er den Schwertfiſch mit in die Höhe riß. Das abgebrochene Schwert ſtak in der Wunde, war aber ſo feſt zwiſchen die Rippen eingekeilt, daß es nicht möglich war, daſſelbe mit den Händen herauszuziehen. Als wir dann mit dem Boote zum Rachen hinholten, um ein Stück der Zunge herauszuſchneiden, fanden wir erſteren krampfhaft geſchloſſen, aber zwiſchen den Kiefern einen vollſtändig zermalmten Schwert- fiſch. Der Wal mußte ihn wahrſcheinlich noch unmittelbar vor ſeinem Tode recht quer erfaßt und ihn mit ſeiner gewaltigen Reihe von 48, ſechs bis ſieben Zoll langen, kegelförmigen Zähnen förmlich zu Brei zerquetſcht haben; nur der Kopf mit dem Schwert hing an der oben liegenden Seite des Rachens noch unverletzt, ſo daß wir ihn abſchneiden und in das Boot nehmen konnten. Damit war dem Bootsmann jedoch nicht gedient, er war auf die Zunge verſeſſen und wollte ſie durchaus haben. Das ließ ſich aber nur machen, wenn wir den Fiſch langſeit des Schiffes brachten, und wir bugſirten ihn deshalb bis dorthin. Als der Koloß einmal in Bewegung geſetzt war, glitt er leicht

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/110>, abgerufen am 24.11.2024.