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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner

Das Merkwürdigste bei diesen Kämpfen zwischen Schwert-
fisch oder Narwal und den Walen soll aber sein, daß erstere
die letzteren nicht etwa angreifen, um sie zu fressen, sondern
aus reiner Mordlust. Ein anderer, etwa zwanzig Fuß langer
Raubfisch, der sogenannte Drescher, und selbst zum Geschlecht der
Wale gehörig, ist ebenfalls Todfeind seiner großen Brüder, ver-
nichtet sie aber, um wenigstens ihre Zunge zu fressen, die auch
sein alleiniges Angriffsobject bildet. Wie er das anfängt, ist
mir allerdings nicht klar geworden und ich kann mir auch nicht
denken, daß er das bei den mit so gewaltigen Zähnen bewaff-
neten Potfischen versucht, nachdem ich gesehen, wie ein Schwert-
fisch zermalmt worden war.

Der leise Windhauch, welcher den Kapitän veranlaßte, den
todten Fisch loszuwerfen, zeigte sich endlich als der so lang er-
sehnte Südostpassat. Ganz allmälig frischte er zu einer schönen
Briese auf, und gegen Abend glitt unsere "Alma" wieder leicht-
füßig mit rundgeschwellten Segeln durch die Fluthen, deren
gleichmäßige Wellen mit leisem Rauschen überköpften. Alles
Ungemach der letzten drei Wochen war vergessen und wiederum
genossen wir für eben so lange Zeit die Annehmlichkeiten des See-
lebens wie im Norden der Linie, die noch dadurch erhöht wurden,
daß wir jetzt am Winde segelten, dieser einen seitlichen Druck
auf die Segel übte und daß in Folge dessen das Schlingern auf-
hörte, das bisweilen recht unbequem geworden war.

Auf Grund der Windrichtung, die im Beginn des Passats
noch südlicher ist als Südost, müssen Segelschiffe einen ganz
bedeutenden Bogen nach Westen machen und kommen ziemlich
weit nach der südamerikanischen Küste hinüber. Erst auf un-
gefähr 30 Grad südlicher Breite wechselt der Passat mit ver-
änderlichen Winden, mit denen man in südöstlicher Richtung bis
über den 40. Grad südlicher Breite steuert, um die dort herr-
schenden Westwinde aufzusuchen. Mit ihnen segelt man dann um
das Cap der guten Hoffnung und so weit nach Osten, bis man

Werner

Das Merkwürdigſte bei dieſen Kämpfen zwiſchen Schwert-
fiſch oder Narwal und den Walen ſoll aber ſein, daß erſtere
die letzteren nicht etwa angreifen, um ſie zu freſſen, ſondern
aus reiner Mordluſt. Ein anderer, etwa zwanzig Fuß langer
Raubfiſch, der ſogenannte Dreſcher, und ſelbſt zum Geſchlecht der
Wale gehörig, iſt ebenfalls Todfeind ſeiner großen Brüder, ver-
nichtet ſie aber, um wenigſtens ihre Zunge zu freſſen, die auch
ſein alleiniges Angriffsobject bildet. Wie er das anfängt, iſt
mir allerdings nicht klar geworden und ich kann mir auch nicht
denken, daß er das bei den mit ſo gewaltigen Zähnen bewaff-
neten Potfiſchen verſucht, nachdem ich geſehen, wie ein Schwert-
fiſch zermalmt worden war.

Der leiſe Windhauch, welcher den Kapitän veranlaßte, den
todten Fiſch loszuwerfen, zeigte ſich endlich als der ſo lang er-
ſehnte Südoſtpaſſat. Ganz allmälig friſchte er zu einer ſchönen
Brieſe auf, und gegen Abend glitt unſere „Alma“ wieder leicht-
füßig mit rundgeſchwellten Segeln durch die Fluthen, deren
gleichmäßige Wellen mit leiſem Rauſchen überköpften. Alles
Ungemach der letzten drei Wochen war vergeſſen und wiederum
genoſſen wir für eben ſo lange Zeit die Annehmlichkeiten des See-
lebens wie im Norden der Linie, die noch dadurch erhöht wurden,
daß wir jetzt am Winde ſegelten, dieſer einen ſeitlichen Druck
auf die Segel übte und daß in Folge deſſen das Schlingern auf-
hörte, das bisweilen recht unbequem geworden war.

Auf Grund der Windrichtung, die im Beginn des Paſſats
noch ſüdlicher iſt als Südoſt, müſſen Segelſchiffe einen ganz
bedeutenden Bogen nach Weſten machen und kommen ziemlich
weit nach der ſüdamerikaniſchen Küſte hinüber. Erſt auf un-
gefähr 30 Grad ſüdlicher Breite wechſelt der Paſſat mit ver-
änderlichen Winden, mit denen man in ſüdöſtlicher Richtung bis
über den 40. Grad ſüdlicher Breite ſteuert, um die dort herr-
ſchenden Weſtwinde aufzuſuchen. Mit ihnen ſegelt man dann um
das Cap der guten Hoffnung und ſo weit nach Oſten, bis man

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[100/0112] Werner Das Merkwürdigſte bei dieſen Kämpfen zwiſchen Schwert- fiſch oder Narwal und den Walen ſoll aber ſein, daß erſtere die letzteren nicht etwa angreifen, um ſie zu freſſen, ſondern aus reiner Mordluſt. Ein anderer, etwa zwanzig Fuß langer Raubfiſch, der ſogenannte Dreſcher, und ſelbſt zum Geſchlecht der Wale gehörig, iſt ebenfalls Todfeind ſeiner großen Brüder, ver- nichtet ſie aber, um wenigſtens ihre Zunge zu freſſen, die auch ſein alleiniges Angriffsobject bildet. Wie er das anfängt, iſt mir allerdings nicht klar geworden und ich kann mir auch nicht denken, daß er das bei den mit ſo gewaltigen Zähnen bewaff- neten Potfiſchen verſucht, nachdem ich geſehen, wie ein Schwert- fiſch zermalmt worden war. Der leiſe Windhauch, welcher den Kapitän veranlaßte, den todten Fiſch loszuwerfen, zeigte ſich endlich als der ſo lang er- ſehnte Südoſtpaſſat. Ganz allmälig friſchte er zu einer ſchönen Brieſe auf, und gegen Abend glitt unſere „Alma“ wieder leicht- füßig mit rundgeſchwellten Segeln durch die Fluthen, deren gleichmäßige Wellen mit leiſem Rauſchen überköpften. Alles Ungemach der letzten drei Wochen war vergeſſen und wiederum genoſſen wir für eben ſo lange Zeit die Annehmlichkeiten des See- lebens wie im Norden der Linie, die noch dadurch erhöht wurden, daß wir jetzt am Winde ſegelten, dieſer einen ſeitlichen Druck auf die Segel übte und daß in Folge deſſen das Schlingern auf- hörte, das bisweilen recht unbequem geworden war. Auf Grund der Windrichtung, die im Beginn des Paſſats noch ſüdlicher iſt als Südoſt, müſſen Segelſchiffe einen ganz bedeutenden Bogen nach Weſten machen und kommen ziemlich weit nach der ſüdamerikaniſchen Küſte hinüber. Erſt auf un- gefähr 30 Grad ſüdlicher Breite wechſelt der Paſſat mit ver- änderlichen Winden, mit denen man in ſüdöſtlicher Richtung bis über den 40. Grad ſüdlicher Breite ſteuert, um die dort herr- ſchenden Weſtwinde aufzuſuchen. Mit ihnen ſegelt man dann um das Cap der guten Hoffnung und ſo weit nach Oſten, bis man

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/112>, abgerufen am 24.11.2024.