Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise Muscheln in den verschiedenartigsten Formen und Farben auf-gestapelt und die braunen Gestalten der Malayen priesen in einem Gemisch aller möglichen Sprachbrocken ihre Waare an. Anjer ist ein Halteplatz für fast alle Schiffe, welche ein- oder ausgehend die Sundastraße passiren und deshalb hat sich hier ein so lebhafter Markt herausgebildet, bei dem die Ver- käufer glänzende Geschäfte machen, weil der sorglose Seemann nicht nur alles mögliche kauft, so lange er einen Pfennig in der Tasche hat, sondern auch nicht um den Preis feilscht. Oft kommt es vor, daß auf größeren Schiffen, die heimwärts gehen, für Hunderte von Thalern allein an Thieren gekauft wird und es dann dort in der ersten Zeit wie in einer großen Menagerie aussieht. So störend dies in mancher Beziehung für den Dienst ist, läßt man doch den Leuten darin ziemlich viel Freiheit, denn die Sache dauert nicht lange. Ungunst der Witterung, Mangel an der richtigen Nahrung und Pflege räumen sehr bald auf, und nicht der zwanzigste Theil der mitgenommenen Thiere wird wirklich bis zur Heimath gebracht. In der Aussicht, auf der Rückreise den Ort wieder anzulaufen, begnügten wir uns mit dem bewundernden Anschauen der lebenden und todten Selten- heiten und verwendeten das uns verabfolgte Geld nur zum Ein- kauf von Früchten, um darin nach Herzenslust zu schwelgen. Vier bis fünf Dutzend Hühner wurden vom Kapitän acquirirt, um nach fast viermonatlicher Seekost der Mannschaft den Ge- nuß von frischem Fleisch zu gewähren und die Spuren des Scorbuts zu beseitigen, die sich, wenn auch noch in leichter Form, bei einigen von uns in aufgelockertem, leicht blutendem Zahnfleisch zu zeigen begannen. Dann wurde Anker gelichtet und mit der leichten Land- Eine erſte Seereiſe Muſcheln in den verſchiedenartigſten Formen und Farben auf-geſtapelt und die braunen Geſtalten der Malayen prieſen in einem Gemiſch aller möglichen Sprachbrocken ihre Waare an. Anjer iſt ein Halteplatz für faſt alle Schiffe, welche ein- oder ausgehend die Sundaſtraße paſſiren und deshalb hat ſich hier ein ſo lebhafter Markt herausgebildet, bei dem die Ver- käufer glänzende Geſchäfte machen, weil der ſorgloſe Seemann nicht nur alles mögliche kauft, ſo lange er einen Pfennig in der Taſche hat, ſondern auch nicht um den Preis feilſcht. Oft kommt es vor, daß auf größeren Schiffen, die heimwärts gehen, für Hunderte von Thalern allein an Thieren gekauft wird und es dann dort in der erſten Zeit wie in einer großen Menagerie ausſieht. So ſtörend dies in mancher Beziehung für den Dienſt iſt, läßt man doch den Leuten darin ziemlich viel Freiheit, denn die Sache dauert nicht lange. Ungunſt der Witterung, Mangel an der richtigen Nahrung und Pflege räumen ſehr bald auf, und nicht der zwanzigſte Theil der mitgenommenen Thiere wird wirklich bis zur Heimath gebracht. In der Ausſicht, auf der Rückreiſe den Ort wieder anzulaufen, begnügten wir uns mit dem bewundernden Anſchauen der lebenden und todten Selten- heiten und verwendeten das uns verabfolgte Geld nur zum Ein- kauf von Früchten, um darin nach Herzensluſt zu ſchwelgen. Vier bis fünf Dutzend Hühner wurden vom Kapitän acquirirt, um nach faſt viermonatlicher Seekoſt der Mannſchaft den Ge- nuß von friſchem Fleiſch zu gewähren und die Spuren des Scorbuts zu beſeitigen, die ſich, wenn auch noch in leichter Form, bei einigen von uns in aufgelockertem, leicht blutendem Zahnfleiſch zu zeigen begannen. 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Eine erſte Seereiſe
Muſcheln in den verſchiedenartigſten Formen und Farben auf-
geſtapelt und die braunen Geſtalten der Malayen prieſen in
einem Gemiſch aller möglichen Sprachbrocken ihre Waare
an. Anjer iſt ein Halteplatz für faſt alle Schiffe, welche ein-
oder ausgehend die Sundaſtraße paſſiren und deshalb hat ſich
hier ein ſo lebhafter Markt herausgebildet, bei dem die Ver-
käufer glänzende Geſchäfte machen, weil der ſorgloſe Seemann
nicht nur alles mögliche kauft, ſo lange er einen Pfennig in der
Taſche hat, ſondern auch nicht um den Preis feilſcht. Oft
kommt es vor, daß auf größeren Schiffen, die heimwärts gehen,
für Hunderte von Thalern allein an Thieren gekauft wird und
es dann dort in der erſten Zeit wie in einer großen Menagerie
ausſieht. So ſtörend dies in mancher Beziehung für den Dienſt
iſt, läßt man doch den Leuten darin ziemlich viel Freiheit, denn
die Sache dauert nicht lange. Ungunſt der Witterung, Mangel
an der richtigen Nahrung und Pflege räumen ſehr bald auf,
und nicht der zwanzigſte Theil der mitgenommenen Thiere wird
wirklich bis zur Heimath gebracht. In der Ausſicht, auf der
Rückreiſe den Ort wieder anzulaufen, begnügten wir uns mit
dem bewundernden Anſchauen der lebenden und todten Selten-
heiten und verwendeten das uns verabfolgte Geld nur zum Ein-
kauf von Früchten, um darin nach Herzensluſt zu ſchwelgen.
Vier bis fünf Dutzend Hühner wurden vom Kapitän acquirirt,
um nach faſt viermonatlicher Seekoſt der Mannſchaft den Ge-
nuß von friſchem Fleiſch zu gewähren und die Spuren des
Scorbuts zu beſeitigen, die ſich, wenn auch noch in leichter
Form, bei einigen von uns in aufgelockertem, leicht blutendem
Zahnfleiſch zu zeigen begannen.
Dann wurde Anker gelichtet und mit der leichten Land-
brieſe, die Abends wieder den Duft von Millionen Blüthen
vom Lande zu uns herüber trug, ſteuerten wir weiter unſerm
Ziele, der Rhede von Batavia zu. Am andern Morgen paſſir-
ten wir eine Menge kleiner Inſeln, welche die öſtliche Hälfte der
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