In dumpfem Schweigen starrten wir in die schwarze Nacht hinaus und erwarteten die nächste Zukunft. Am ganzen Hori- zonte wetterleuchtete es ununterbrochen; dazwischen fuhren zackige Blitze blendend und grell hernieder; fast unaufhörlich rollte der Donner und seine Schläge ertönten immer lauter und näher. Die Köpfe der überbrechenden Wellen rauschten hohl, sie schim- merten phosphorescirend, wälzten sich aufthürmend neben unserem Boote her, bereit, uns jeden Augenblick zu verschlingen, und mitten in diesem Aufruhr der Natur wurde unser schwankes Boot auf der düsteren, mitleidslosen Wasserfläche wie ein Ball von Woge zu Woge dahin gepeitscht.
Da schien sich die ganze Masse der in der Atmosphäre angehäuften Elektricität auf einmal entladen zu wollen. Das Firmament verwandelte sich plötzlich in ein Flammenmeer und es war einen Augenblick tageshell. Unmittelbar danach erfolgte ein so furchtbarer Donnerschlag, daß er uns vollständig betäubte. Das Boot wurde so gewaltig erschüttert, daß wir im ersten Momente glaubten, es sei vom Blitze getroffen und zerschmettert. Aber jene kurze Tageshelle hatte hingereicht, um unsere ganze schreckliche Lage mit einem Schlage zu ändern. Das verlorene Großboot war ganz in unserer Nähe, rechts voraus; wir alle hatten es gesehen und eine Täuschung war ausgeschlossen. Eben- so hatten wir auch Inseln vor uns erblickt; das konnten nur die Inseln der Sundastraße sein, die wenige Meilen von der Rhede von Batavia entfernt liegen.
Wir trieben also nicht nordwestlich nach Sumatra, sondern westlich und der Wind mußte sich etwas gedreht haben. Diese Wahrnehmung gab uns unsere ganze Energie zurück. Wenn wir das Großboot erreichten, so hatten wir ein festes nicht leckendes und der See gewachsenes Fahrzeug unter den Füßen und die Hoffnung, es so zu dirigiren, daß es von den kleinen Inseln frei ging, hinter denen wir Schutz gegen Wind und See fanden. Aber selbst wenn uns dies nicht gelang, so lagen vor
Werner
In dumpfem Schweigen ſtarrten wir in die ſchwarze Nacht hinaus und erwarteten die nächſte Zukunft. Am ganzen Hori- zonte wetterleuchtete es ununterbrochen; dazwiſchen fuhren zackige Blitze blendend und grell hernieder; faſt unaufhörlich rollte der Donner und ſeine Schläge ertönten immer lauter und näher. Die Köpfe der überbrechenden Wellen rauſchten hohl, ſie ſchim- merten phosphorescirend, wälzten ſich aufthürmend neben unſerem Boote her, bereit, uns jeden Augenblick zu verſchlingen, und mitten in dieſem Aufruhr der Natur wurde unſer ſchwankes Boot auf der düſteren, mitleidsloſen Waſſerfläche wie ein Ball von Woge zu Woge dahin gepeitſcht.
Da ſchien ſich die ganze Maſſe der in der Atmoſphäre angehäuften Elektricität auf einmal entladen zu wollen. Das Firmament verwandelte ſich plötzlich in ein Flammenmeer und es war einen Augenblick tageshell. Unmittelbar danach erfolgte ein ſo furchtbarer Donnerſchlag, daß er uns vollſtändig betäubte. Das Boot wurde ſo gewaltig erſchüttert, daß wir im erſten Momente glaubten, es ſei vom Blitze getroffen und zerſchmettert. Aber jene kurze Tageshelle hatte hingereicht, um unſere ganze ſchreckliche Lage mit einem Schlage zu ändern. Das verlorene Großboot war ganz in unſerer Nähe, rechts voraus; wir alle hatten es geſehen und eine Täuſchung war ausgeſchloſſen. Eben- ſo hatten wir auch Inſeln vor uns erblickt; das konnten nur die Inſeln der Sundaſtraße ſein, die wenige Meilen von der Rhede von Batavia entfernt liegen.
Wir trieben alſo nicht nordweſtlich nach Sumatra, ſondern weſtlich und der Wind mußte ſich etwas gedreht haben. Dieſe Wahrnehmung gab uns unſere ganze Energie zurück. Wenn wir das Großboot erreichten, ſo hatten wir ein feſtes nicht leckendes und der See gewachſenes Fahrzeug unter den Füßen und die Hoffnung, es ſo zu dirigiren, daß es von den kleinen Inſeln frei ging, hinter denen wir Schutz gegen Wind und See fanden. Aber ſelbſt wenn uns dies nicht gelang, ſo lagen vor
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Werner
In dumpfem Schweigen ſtarrten wir in die ſchwarze Nacht
hinaus und erwarteten die nächſte Zukunft. Am ganzen Hori-
zonte wetterleuchtete es ununterbrochen; dazwiſchen fuhren zackige
Blitze blendend und grell hernieder; faſt unaufhörlich rollte der
Donner und ſeine Schläge ertönten immer lauter und näher.
Die Köpfe der überbrechenden Wellen rauſchten hohl, ſie ſchim-
merten phosphorescirend, wälzten ſich aufthürmend neben unſerem
Boote her, bereit, uns jeden Augenblick zu verſchlingen, und
mitten in dieſem Aufruhr der Natur wurde unſer ſchwankes
Boot auf der düſteren, mitleidsloſen Waſſerfläche wie ein Ball
von Woge zu Woge dahin gepeitſcht.
Da ſchien ſich die ganze Maſſe der in der Atmoſphäre
angehäuften Elektricität auf einmal entladen zu wollen. Das
Firmament verwandelte ſich plötzlich in ein Flammenmeer und
es war einen Augenblick tageshell. Unmittelbar danach erfolgte
ein ſo furchtbarer Donnerſchlag, daß er uns vollſtändig betäubte.
Das Boot wurde ſo gewaltig erſchüttert, daß wir im erſten
Momente glaubten, es ſei vom Blitze getroffen und zerſchmettert.
Aber jene kurze Tageshelle hatte hingereicht, um unſere ganze
ſchreckliche Lage mit einem Schlage zu ändern. Das verlorene
Großboot war ganz in unſerer Nähe, rechts voraus; wir alle
hatten es geſehen und eine Täuſchung war ausgeſchloſſen. Eben-
ſo hatten wir auch Inſeln vor uns erblickt; das konnten nur
die Inſeln der Sundaſtraße ſein, die wenige Meilen von der
Rhede von Batavia entfernt liegen.
Wir trieben alſo nicht nordweſtlich nach Sumatra, ſondern
weſtlich und der Wind mußte ſich etwas gedreht haben. Dieſe
Wahrnehmung gab uns unſere ganze Energie zurück. Wenn
wir das Großboot erreichten, ſo hatten wir ein feſtes nicht
leckendes und der See gewachſenes Fahrzeug unter den Füßen
und die Hoffnung, es ſo zu dirigiren, daß es von den kleinen
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fanden. Aber ſelbſt wenn uns dies nicht gelang, ſo lagen vor
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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