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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Die deutsche Marine 1848--1852
heute mit dem Feinde messen sollten. Helgoland tauchte am
fernen Horizonte auf; mit voller Kraft steuerten wir darauf hin.

"Segler voraus", meldete der im Vortop des "Barbarossa"
stationirte Ausguck, und Aller Augen richteten sich auf den be-
zeichneten Punkt. Nur drei Mastspitzen ragten aus dem Wasser,
aber bei unserer schnellen Fahrt wuchsen sie zusehends empor.
Bald hob sich der Rumpf über die Meeresfläche und ließ keinen
Zweifel, daß wir ein Kriegsschiff vor uns hatten. Durch die
Fernröhre unterschieden wir die Flagge; es war der Dannebrog,
das weiße Kreuz im rothen Felde, der von der Gaffel der
Segel-Corvette "Volkyrien" wehte. Sie lag eine Meile südlich
von Helgoland; bei den schwankenden Bewegungen des Schiffes sahen
wir ihre Segel gegen Masten und Stengen schlagen, ein Zeichen,
daß sie sich in Windstille befand und nicht manövrirfähig war.

Wie klopfte uns das Herz und mit welchem Jubel wurde
das Signal des Flaggschiffes aufgenommen, Curs auf den
Feind zu setzen. Die Corvette war nur mit 12 kurzen
18-Pfündern armirt und ihre Besatzung zählte noch nicht 200
Mann. Unsere drei Schiffe hatten zwar auch nur 12 Ge-
schütze, aber davon führte der Barbarossa acht 68-pfündige
Bombenkanonen, jede der beiden Corvetten einen langen 56- und
einen 32-Pfünder und unsere gesammte Besatzung belief sich
nahe auf 400 Köpfe. Unter solchen Umständen unterlag es
keinem Zweifel, daß ein Angriff unsrerseits auf die "Valkyrien"
mit vollem Erfolg gekrönt sein mußte. Wir hatten es in der
Hand, den fast unbeweglichen Feind mit unsern weittragenden
Geschützen aus solcher Entfernung zu beschießen, daß seine Ge-
schosse uns nicht erreichten, um gegen die leichte Verletzbarkeit
unserer Maschine gesichert zu sein, und konnten ihn auf diese
Weise zum Flaggenstreichen zwingen.

Die Aufregung wuchs von Minute zu Minute je näher
wir kamen und erreichte ihren Höhepunkt, als der Befehl ge-
geben ward, die Schiffe fertig zum Gefecht zu machen. Der

Die deutſche Marine 1848—1852
heute mit dem Feinde meſſen ſollten. Helgoland tauchte am
fernen Horizonte auf; mit voller Kraft ſteuerten wir darauf hin.

„Segler voraus“, meldete der im Vortop des „Barbaroſſa“
ſtationirte Ausguck, und Aller Augen richteten ſich auf den be-
zeichneten Punkt. Nur drei Maſtſpitzen ragten aus dem Waſſer,
aber bei unſerer ſchnellen Fahrt wuchſen ſie zuſehends empor.
Bald hob ſich der Rumpf über die Meeresfläche und ließ keinen
Zweifel, daß wir ein Kriegsſchiff vor uns hatten. Durch die
Fernröhre unterſchieden wir die Flagge; es war der Dannebrog,
das weiße Kreuz im rothen Felde, der von der Gaffel der
Segel-Corvette „Volkyrien“ wehte. Sie lag eine Meile ſüdlich
von Helgoland; bei den ſchwankenden Bewegungen des Schiffes ſahen
wir ihre Segel gegen Maſten und Stengen ſchlagen, ein Zeichen,
daß ſie ſich in Windſtille befand und nicht manövrirfähig war.

Wie klopfte uns das Herz und mit welchem Jubel wurde
das Signal des Flaggſchiffes aufgenommen, Curs auf den
Feind zu ſetzen. Die Corvette war nur mit 12 kurzen
18-Pfündern armirt und ihre Beſatzung zählte noch nicht 200
Mann. Unſere drei Schiffe hatten zwar auch nur 12 Ge-
ſchütze, aber davon führte der Barbaroſſa acht 68-pfündige
Bombenkanonen, jede der beiden Corvetten einen langen 56- und
einen 32-Pfünder und unſere geſammte Beſatzung belief ſich
nahe auf 400 Köpfe. Unter ſolchen Umſtänden unterlag es
keinem Zweifel, daß ein Angriff unſrerſeits auf die „Valkyrien“
mit vollem Erfolg gekrönt ſein mußte. Wir hatten es in der
Hand, den faſt unbeweglichen Feind mit unſern weittragenden
Geſchützen aus ſolcher Entfernung zu beſchießen, daß ſeine Ge-
ſchoſſe uns nicht erreichten, um gegen die leichte Verletzbarkeit
unſerer Maſchine geſichert zu ſein, und konnten ihn auf dieſe
Weiſe zum Flaggenſtreichen zwingen.

Die Aufregung wuchs von Minute zu Minute je näher
wir kamen und erreichte ihren Höhepunkt, als der Befehl ge-
geben ward, die Schiffe fertig zum Gefecht zu machen. Der

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[191/0203] Die deutſche Marine 1848—1852 heute mit dem Feinde meſſen ſollten. Helgoland tauchte am fernen Horizonte auf; mit voller Kraft ſteuerten wir darauf hin. „Segler voraus“, meldete der im Vortop des „Barbaroſſa“ ſtationirte Ausguck, und Aller Augen richteten ſich auf den be- zeichneten Punkt. Nur drei Maſtſpitzen ragten aus dem Waſſer, aber bei unſerer ſchnellen Fahrt wuchſen ſie zuſehends empor. Bald hob ſich der Rumpf über die Meeresfläche und ließ keinen Zweifel, daß wir ein Kriegsſchiff vor uns hatten. Durch die Fernröhre unterſchieden wir die Flagge; es war der Dannebrog, das weiße Kreuz im rothen Felde, der von der Gaffel der Segel-Corvette „Volkyrien“ wehte. Sie lag eine Meile ſüdlich von Helgoland; bei den ſchwankenden Bewegungen des Schiffes ſahen wir ihre Segel gegen Maſten und Stengen ſchlagen, ein Zeichen, daß ſie ſich in Windſtille befand und nicht manövrirfähig war. Wie klopfte uns das Herz und mit welchem Jubel wurde das Signal des Flaggſchiffes aufgenommen, Curs auf den Feind zu ſetzen. Die Corvette war nur mit 12 kurzen 18-Pfündern armirt und ihre Beſatzung zählte noch nicht 200 Mann. Unſere drei Schiffe hatten zwar auch nur 12 Ge- ſchütze, aber davon führte der Barbaroſſa acht 68-pfündige Bombenkanonen, jede der beiden Corvetten einen langen 56- und einen 32-Pfünder und unſere geſammte Beſatzung belief ſich nahe auf 400 Köpfe. Unter ſolchen Umſtänden unterlag es keinem Zweifel, daß ein Angriff unſrerſeits auf die „Valkyrien“ mit vollem Erfolg gekrönt ſein mußte. Wir hatten es in der Hand, den faſt unbeweglichen Feind mit unſern weittragenden Geſchützen aus ſolcher Entfernung zu beſchießen, daß ſeine Ge- ſchoſſe uns nicht erreichten, um gegen die leichte Verletzbarkeit unſerer Maſchine geſichert zu ſein, und konnten ihn auf dieſe Weiſe zum Flaggenſtreichen zwingen. Die Aufregung wuchs von Minute zu Minute je näher wir kamen und erreichte ihren Höhepunkt, als der Befehl ge- geben ward, die Schiffe fertig zum Gefecht zu machen. Der

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/203>, abgerufen am 21.11.2024.