Angesichts des Feindes war sie jedoch sehr ernst; unsere Ent- fernung von ihm betrug kaum noch eine halbe Meile.
Die Maschinen wurden gestoppt und alle möglichen Mittel angewandt, um die Ansetzer wieder heraus zu holen, aber ver- gebens. Es blieb nichts übrig, als sie heraus zu schießen. Was wol die Dänen gedacht haben mögen, als auf dem deut- schen Flaggschiffe plötzlich sämmtliche Geschütze nach allen Himmels- richtungen abgefeuert wurden, ohne daß irgend wo das Ein- schlagen eines Geschosses auf der glatten Meeresfläche sich bemerk- lich machte? Das Manöver muß ihnen als unerklärliches Räthsel erschienen sein. Der Commodore machte ein sehr zweifelhaftes Gesicht, die Meldung der Schlagfertigkeit des Schiffes stimmte gar nicht mit der eben gemachten Wahr- nehmung.
Die Ansetzer flogen natürlich zersplittert in das Wasser, doch glücklicher Weise fand sich ein zweiter Satz an Bord. Im Augenblick waren die neuen an Deck gebracht und nach weni- gen Minuten hatten die Hobel der Zimmerleute ihnen die nöthige konische Form gegeben; der Schaden war damit reparirt. Aber- mals wurden die Kartuschen angesetzt; alles war jetzt in Ord- nung und die Maschinen setzten sich langsam in Bewegung, bis wir auf etwa 3500 Schritt herangekommen waren. Dann stoppten die Schiffe, das Feuer begann und wurde von der "Valkyrien" erwidert. Es war jedoch von beiden Seiten un- gefährlich. Die dänischen Geschosse erreichten uns lange nicht und unsere Granaten verfehlten auf die große Entfernung eben- falls ihr Ziel, was ja auch bei der Ungeübtheit der Mann- schaft im Scharfschießen trotz allen Eifers und guten Willens nicht anders zu erwarten war. Uns Officieren gefiel aber diese Munitionsverschwendung durchaus nicht. Voll Kampfesmuth wollten wir näher an den Feind und mit größter Ungeduld er- warteten wir den Befehl "Voll Dampf voraus," der jedoch ausblieb.
R. Werner, Erinnerungen. 13
Die deutſche Marine 1848—1852
Angeſichts des Feindes war ſie jedoch ſehr ernſt; unſere Ent- fernung von ihm betrug kaum noch eine halbe Meile.
Die Maſchinen wurden geſtoppt und alle möglichen Mittel angewandt, um die Anſetzer wieder heraus zu holen, aber ver- gebens. Es blieb nichts übrig, als ſie heraus zu ſchießen. Was wol die Dänen gedacht haben mögen, als auf dem deut- ſchen Flaggſchiffe plötzlich ſämmtliche Geſchütze nach allen Himmels- richtungen abgefeuert wurden, ohne daß irgend wo das Ein- ſchlagen eines Geſchoſſes auf der glatten Meeresfläche ſich bemerk- lich machte? Das Manöver muß ihnen als unerklärliches Räthſel erſchienen ſein. Der Commodore machte ein ſehr zweifelhaftes Geſicht, die Meldung der Schlagfertigkeit des Schiffes ſtimmte gar nicht mit der eben gemachten Wahr- nehmung.
Die Anſetzer flogen natürlich zerſplittert in das Waſſer, doch glücklicher Weiſe fand ſich ein zweiter Satz an Bord. Im Augenblick waren die neuen an Deck gebracht und nach weni- gen Minuten hatten die Hobel der Zimmerleute ihnen die nöthige koniſche Form gegeben; der Schaden war damit reparirt. Aber- mals wurden die Kartuſchen angeſetzt; alles war jetzt in Ord- nung und die Maſchinen ſetzten ſich langſam in Bewegung, bis wir auf etwa 3500 Schritt herangekommen waren. Dann ſtoppten die Schiffe, das Feuer begann und wurde von der „Valkyrien“ erwidert. Es war jedoch von beiden Seiten un- gefährlich. Die däniſchen Geſchoſſe erreichten uns lange nicht und unſere Granaten verfehlten auf die große Entfernung eben- falls ihr Ziel, was ja auch bei der Ungeübtheit der Mann- ſchaft im Scharfſchießen trotz allen Eifers und guten Willens nicht anders zu erwarten war. Uns Officieren gefiel aber dieſe Munitionsverſchwendung durchaus nicht. Voll Kampfesmuth wollten wir näher an den Feind und mit größter Ungeduld er- warteten wir den Befehl „Voll Dampf voraus,“ der jedoch ausblieb.
R. Werner, Erinnerungen. 13
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0205"n="193"/><fwplace="top"type="header">Die deutſche Marine 1848—1852</fw><lb/>
Angeſichts des Feindes war ſie jedoch ſehr ernſt; unſere Ent-<lb/>
fernung von ihm betrug kaum noch eine halbe Meile.</p><lb/><p>Die Maſchinen wurden geſtoppt und alle möglichen Mittel<lb/>
angewandt, um die Anſetzer wieder heraus zu holen, aber ver-<lb/>
gebens. Es blieb nichts übrig, als ſie heraus zu ſchießen.<lb/>
Was wol die Dänen gedacht haben mögen, als auf dem deut-<lb/>ſchen Flaggſchiffe plötzlich ſämmtliche Geſchütze nach allen Himmels-<lb/>
richtungen abgefeuert wurden, ohne daß irgend wo das Ein-<lb/>ſchlagen eines Geſchoſſes auf der glatten Meeresfläche ſich bemerk-<lb/>
lich machte? Das Manöver muß ihnen als unerklärliches<lb/>
Räthſel erſchienen ſein. Der Commodore machte ein ſehr<lb/>
zweifelhaftes Geſicht, die Meldung der Schlagfertigkeit des<lb/>
Schiffes ſtimmte gar nicht mit der eben gemachten Wahr-<lb/>
nehmung.</p><lb/><p>Die Anſetzer flogen natürlich zerſplittert in das Waſſer,<lb/>
doch glücklicher Weiſe fand ſich ein zweiter Satz an Bord. Im<lb/>
Augenblick waren die neuen an Deck gebracht und nach weni-<lb/>
gen Minuten hatten die Hobel der Zimmerleute ihnen die nöthige<lb/>
koniſche Form gegeben; der Schaden war damit reparirt. Aber-<lb/>
mals wurden die Kartuſchen angeſetzt; alles war jetzt in Ord-<lb/>
nung und die Maſchinen ſetzten ſich langſam in Bewegung, bis<lb/>
wir auf etwa 3500 Schritt herangekommen waren. Dann<lb/>ſtoppten die Schiffe, das Feuer begann und wurde von der<lb/>„Valkyrien“ erwidert. Es war jedoch von beiden Seiten un-<lb/>
gefährlich. Die däniſchen Geſchoſſe erreichten uns lange nicht<lb/>
und unſere Granaten verfehlten auf die große Entfernung eben-<lb/>
falls ihr Ziel, was ja auch bei der Ungeübtheit der Mann-<lb/>ſchaft im Scharfſchießen trotz allen Eifers und guten Willens<lb/>
nicht anders zu erwarten war. Uns Officieren gefiel aber dieſe<lb/>
Munitionsverſchwendung durchaus nicht. Voll Kampfesmuth<lb/>
wollten wir näher an den Feind und mit größter Ungeduld er-<lb/>
warteten wir den Befehl „Voll Dampf voraus,“ der jedoch<lb/>
ausblieb.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">R. <hirendition="#g">Werner</hi>, Erinnerungen. 13</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[193/0205]
Die deutſche Marine 1848—1852
Angeſichts des Feindes war ſie jedoch ſehr ernſt; unſere Ent-
fernung von ihm betrug kaum noch eine halbe Meile.
Die Maſchinen wurden geſtoppt und alle möglichen Mittel
angewandt, um die Anſetzer wieder heraus zu holen, aber ver-
gebens. Es blieb nichts übrig, als ſie heraus zu ſchießen.
Was wol die Dänen gedacht haben mögen, als auf dem deut-
ſchen Flaggſchiffe plötzlich ſämmtliche Geſchütze nach allen Himmels-
richtungen abgefeuert wurden, ohne daß irgend wo das Ein-
ſchlagen eines Geſchoſſes auf der glatten Meeresfläche ſich bemerk-
lich machte? Das Manöver muß ihnen als unerklärliches
Räthſel erſchienen ſein. Der Commodore machte ein ſehr
zweifelhaftes Geſicht, die Meldung der Schlagfertigkeit des
Schiffes ſtimmte gar nicht mit der eben gemachten Wahr-
nehmung.
Die Anſetzer flogen natürlich zerſplittert in das Waſſer,
doch glücklicher Weiſe fand ſich ein zweiter Satz an Bord. Im
Augenblick waren die neuen an Deck gebracht und nach weni-
gen Minuten hatten die Hobel der Zimmerleute ihnen die nöthige
koniſche Form gegeben; der Schaden war damit reparirt. Aber-
mals wurden die Kartuſchen angeſetzt; alles war jetzt in Ord-
nung und die Maſchinen ſetzten ſich langſam in Bewegung, bis
wir auf etwa 3500 Schritt herangekommen waren. Dann
ſtoppten die Schiffe, das Feuer begann und wurde von der
„Valkyrien“ erwidert. Es war jedoch von beiden Seiten un-
gefährlich. Die däniſchen Geſchoſſe erreichten uns lange nicht
und unſere Granaten verfehlten auf die große Entfernung eben-
falls ihr Ziel, was ja auch bei der Ungeübtheit der Mann-
ſchaft im Scharfſchießen trotz allen Eifers und guten Willens
nicht anders zu erwarten war. Uns Officieren gefiel aber dieſe
Munitionsverſchwendung durchaus nicht. Voll Kampfesmuth
wollten wir näher an den Feind und mit größter Ungeduld er-
warteten wir den Befehl „Voll Dampf voraus,“ der jedoch
ausblieb.
R. Werner, Erinnerungen. 13
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/205>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.