sich die innere Organisation der Flotte in überraschend schneller Zeit entwickelte.
Was die Handhabung des Dienstes, die Exercitien, Ord- nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe schon nach Jahresfrist ohne irgend welche Ueberhebung musterhaft genannt werden, und ihr Zustand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die Bedingungen für eine deutsche Flotte vorhanden waren und daß diese nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer 1850 kam die amerikanische Fregatte "St. Lawrence" nach Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten viel mit den Officieren, statteten uns gegenseitig oft Besuche an Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit unseren Schiffen sowol wie mit der Ausbildung der Mann- schaften hinter den Amerikanern nicht zurückstanden. Freilich hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unseres vor- züglichen Personals an Mannschaften, die unsere Bemühungen sehr erleichterten.
Unser deutsches Officiercorps war, in Bezug auf seine innere Beschaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus sehr verschiedenen Elementen zusammengesetzt. Bei der Gründung der Flotte, wo es sich um möglichst schnelle Heranziehung von Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf- farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächst weniger auf Wissenschaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf practische Tüchtigkeit für die neu zu schaffenden Posten an- kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer- leuten der Handelsschiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb nicht aus, daß in dieser Richtung mancherlei Mißgriffe ge- macht und Persönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver- leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für dasselbe gelten konnten, wenn sie sonst auch ganz biedere gute Menschen waren. Uebrigens war vom Marineminister Duckwitz gleich von vornherein dafür gesorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und
Werner
ſich die innere Organiſation der Flotte in überraſchend ſchneller Zeit entwickelte.
Was die Handhabung des Dienſtes, die Exercitien, Ord- nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe ſchon nach Jahresfriſt ohne irgend welche Ueberhebung muſterhaft genannt werden, und ihr Zuſtand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die Bedingungen für eine deutſche Flotte vorhanden waren und daß dieſe nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer 1850 kam die amerikaniſche Fregatte „St. Lawrence“ nach Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten viel mit den Officieren, ſtatteten uns gegenſeitig oft Beſuche an Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit unſeren Schiffen ſowol wie mit der Ausbildung der Mann- ſchaften hinter den Amerikanern nicht zurückſtanden. Freilich hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unſeres vor- züglichen Perſonals an Mannſchaften, die unſere Bemühungen ſehr erleichterten.
Unſer deutſches Officiercorps war, in Bezug auf ſeine innere Beſchaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus ſehr verſchiedenen Elementen zuſammengeſetzt. Bei der Gründung der Flotte, wo es ſich um möglichſt ſchnelle Heranziehung von Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf- farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächſt weniger auf Wiſſenſchaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf practiſche Tüchtigkeit für die neu zu ſchaffenden Poſten an- kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer- leuten der Handelsſchiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb nicht aus, daß in dieſer Richtung mancherlei Mißgriffe ge- macht und Perſönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver- leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für daſſelbe gelten konnten, wenn ſie ſonſt auch ganz biedere gute Menſchen waren. Uebrigens war vom Marineminiſter Duckwitz gleich von vornherein dafür geſorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0252"n="240"/><fwplace="top"type="header">Werner</fw><lb/>ſich die innere Organiſation der Flotte in überraſchend ſchneller<lb/>
Zeit entwickelte.</p><lb/><p>Was die Handhabung des Dienſtes, die Exercitien, Ord-<lb/>
nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe ſchon nach<lb/>
Jahresfriſt ohne irgend welche Ueberhebung muſterhaft genannt<lb/>
werden, und ihr Zuſtand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die<lb/>
Bedingungen für eine deutſche Flotte vorhanden waren und daß<lb/>
dieſe nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer<lb/>
1850 kam die amerikaniſche Fregatte „St. Lawrence“ nach<lb/>
Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten<lb/>
viel mit den Officieren, ſtatteten uns gegenſeitig oft Beſuche an<lb/>
Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit<lb/>
unſeren Schiffen ſowol wie mit der Ausbildung der Mann-<lb/>ſchaften hinter den Amerikanern nicht zurückſtanden. Freilich<lb/>
hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unſeres vor-<lb/>
züglichen Perſonals an Mannſchaften, die unſere Bemühungen<lb/>ſehr erleichterten.</p><lb/><p>Unſer deutſches Officiercorps war, in Bezug auf ſeine<lb/>
innere Beſchaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus ſehr<lb/>
verſchiedenen Elementen zuſammengeſetzt. Bei der Gründung<lb/>
der Flotte, wo es ſich um möglichſt ſchnelle Heranziehung von<lb/>
Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf-<lb/>
farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächſt weniger<lb/>
auf Wiſſenſchaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf<lb/>
practiſche Tüchtigkeit für die neu zu ſchaffenden Poſten an-<lb/>
kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer-<lb/>
leuten der Handelsſchiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb<lb/>
nicht aus, daß in dieſer Richtung mancherlei Mißgriffe ge-<lb/>
macht und Perſönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver-<lb/>
leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für daſſelbe<lb/>
gelten konnten, wenn ſie ſonſt auch ganz biedere gute Menſchen<lb/>
waren. Uebrigens war vom Marineminiſter Duckwitz gleich von<lb/>
vornherein dafür geſorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[240/0252]
Werner
ſich die innere Organiſation der Flotte in überraſchend ſchneller
Zeit entwickelte.
Was die Handhabung des Dienſtes, die Exercitien, Ord-
nung und Reinlichkeit betraf, konnten die Schiffe ſchon nach
Jahresfriſt ohne irgend welche Ueberhebung muſterhaft genannt
werden, und ihr Zuſtand lieferte jedenfalls den Beweis, daß die
Bedingungen für eine deutſche Flotte vorhanden waren und daß
dieſe nur der Pflege und Weiterbildung bedurfte. Im Sommer
1850 kam die amerikaniſche Fregatte „St. Lawrence“ nach
Bremerhafen und blieb dort einige Wochen. Wir verkehrten
viel mit den Officieren, ſtatteten uns gegenſeitig oft Beſuche an
Bord ab und bemerkten mit großer Genugthuung, daß wir mit
unſeren Schiffen ſowol wie mit der Ausbildung der Mann-
ſchaften hinter den Amerikanern nicht zurückſtanden. Freilich
hatten wir zu jener Zeit noch den größten Theil unſeres vor-
züglichen Perſonals an Mannſchaften, die unſere Bemühungen
ſehr erleichterten.
Unſer deutſches Officiercorps war, in Bezug auf ſeine
innere Beſchaffenheit, auf Erziehung und Bildung, aus ſehr
verſchiedenen Elementen zuſammengeſetzt. Bei der Gründung
der Flotte, wo es ſich um möglichſt ſchnelle Heranziehung von
Officieren handelte und es dafür nur eine Quelle die Kauf-
farteimarine gab, konnte es für die Auswahl zunächſt weniger
auf Wiſſenſchaftlichkeit und vollendete äußere Formen, als auf
practiſche Tüchtigkeit für die neu zu ſchaffenden Poſten an-
kommen, und beides fand man in den Kapitänen und Steuer-
leuten der Handelsſchiffe nicht oft vereint. Es blieb deshalb
nicht aus, daß in dieſer Richtung mancherlei Mißgriffe ge-
macht und Perſönlichkeiten dem neuen Officiercorps einver-
leibt wurden, die grade nicht als Vorbilder für daſſelbe
gelten konnten, wenn ſie ſonſt auch ganz biedere gute Menſchen
waren. Uebrigens war vom Marineminiſter Duckwitz gleich von
vornherein dafür geſorgt, daß diejenigen, deren Herkunft und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/252>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.