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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Ernstes und Heiteres

Nur in der Messe gelang es ihm sehr selten, zu Worte zu
kommen. Mathy's Suade gegenüber war er machtlos und dieser
kappte regelmäßig Frank's langen Faden so oft, bis dieser es
aufgab, ihn weiter zu spinnen und sich verdrießlich in seine
Kammer zurückzog. Gewöhnlich gelang es ihm jedoch, Mr.
Roberts, den englischen Maschineningenieur, mit sich zu bug-
siren und ihn zu einem Glase Grog einzuladen. Mr. Roberts
war ein dankbarer Zuhörer; er verstand zwar kein Deutsch, da
Jeder mit ihm englisch sprach, aber dies hielt ihn nicht ab, den
Gesprächen der Uebrigen in der Messe mit größter Aufmerk-
samkeit zu lauschen und dann und wann den bewundernden
Ausruf "how funny" -- wie komisch! dazwischen zu werfen.
Als Frank's Gast hatte er den doppelten Genuß, dessen Spuk-
geschichten in Englisch anzuhören, wodurch sie noch länger wurden
und dazu bei einem steifen Grog zu sitzen; was von beiden ihm
besser gefiel, blieb unentschieden.

Eine tonangebende Persönlichkeit war auch der Arzt des
Schiffes, Dr. Altmanns, ein Süddeutscher von quecksilberner Be-
weglichkeit. Dem militärischen Range nach war er als Marine-
arzt II. Classe der Aelteste der Messe und von Anfang an mit
Erfolg bestrebt gewesen, diesen Standpunkt zur Geltung zu
bringen. Er war ein starker Dialectiker und geistig sehr ge-
wandt. Die Seeofficiere waren ihm in dieser Richtung nicht
gewachsen, er sprach sie im Wortkampf sehr bald todt und hatte
dadurch so ziemlich die Alleinherrschaft an sich gerissen. Eines
Tages war diese Herrschaft aber erschüttert worden, die Autori-
tät hatte einige arge Stöße erlitten und der Doctor hielt sich
infolge dessen etwas mehr im Hintergrunde.

Bei einer sonst liebenswürdigen Außenseite, die den Ver-
kehr mit ihm erleichterte, hatte Altmanns einige Schwächen,
die seinen Kameraden eine Handhabe boten, sich für die in den
Wortgefechten stets erlittenen Niederlagen zu rächen. Er war
ziemlich eitel, und nicht nur auf seine vermeintliche geistige Ueber-

Ernſtes und Heiteres

Nur in der Meſſe gelang es ihm ſehr ſelten, zu Worte zu
kommen. Mathy’s Suade gegenüber war er machtlos und dieſer
kappte regelmäßig Frank’s langen Faden ſo oft, bis dieſer es
aufgab, ihn weiter zu ſpinnen und ſich verdrießlich in ſeine
Kammer zurückzog. Gewöhnlich gelang es ihm jedoch, Mr.
Roberts, den engliſchen Maſchineningenieur, mit ſich zu bug-
ſiren und ihn zu einem Glaſe Grog einzuladen. Mr. Roberts
war ein dankbarer Zuhörer; er verſtand zwar kein Deutſch, da
Jeder mit ihm engliſch ſprach, aber dies hielt ihn nicht ab, den
Geſprächen der Uebrigen in der Meſſe mit größter Aufmerk-
ſamkeit zu lauſchen und dann und wann den bewundernden
Ausruf „how funny“ — wie komiſch! dazwiſchen zu werfen.
Als Frank’s Gaſt hatte er den doppelten Genuß, deſſen Spuk-
geſchichten in Engliſch anzuhören, wodurch ſie noch länger wurden
und dazu bei einem ſteifen Grog zu ſitzen; was von beiden ihm
beſſer gefiel, blieb unentſchieden.

Eine tonangebende Perſönlichkeit war auch der Arzt des
Schiffes, Dr. Altmanns, ein Süddeutſcher von queckſilberner Be-
weglichkeit. Dem militäriſchen Range nach war er als Marine-
arzt II. Claſſe der Aelteſte der Meſſe und von Anfang an mit
Erfolg beſtrebt geweſen, dieſen Standpunkt zur Geltung zu
bringen. Er war ein ſtarker Dialectiker und geiſtig ſehr ge-
wandt. Die Seeofficiere waren ihm in dieſer Richtung nicht
gewachſen, er ſprach ſie im Wortkampf ſehr bald todt und hatte
dadurch ſo ziemlich die Alleinherrſchaft an ſich geriſſen. Eines
Tages war dieſe Herrſchaft aber erſchüttert worden, die Autori-
tät hatte einige arge Stöße erlitten und der Doctor hielt ſich
infolge deſſen etwas mehr im Hintergrunde.

Bei einer ſonſt liebenswürdigen Außenſeite, die den Ver-
kehr mit ihm erleichterte, hatte Altmanns einige Schwächen,
die ſeinen Kameraden eine Handhabe boten, ſich für die in den
Wortgefechten ſtets erlittenen Niederlagen zu rächen. Er war
ziemlich eitel, und nicht nur auf ſeine vermeintliche geiſtige Ueber-

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[261/0273] Ernſtes und Heiteres Nur in der Meſſe gelang es ihm ſehr ſelten, zu Worte zu kommen. Mathy’s Suade gegenüber war er machtlos und dieſer kappte regelmäßig Frank’s langen Faden ſo oft, bis dieſer es aufgab, ihn weiter zu ſpinnen und ſich verdrießlich in ſeine Kammer zurückzog. Gewöhnlich gelang es ihm jedoch, Mr. Roberts, den engliſchen Maſchineningenieur, mit ſich zu bug- ſiren und ihn zu einem Glaſe Grog einzuladen. Mr. Roberts war ein dankbarer Zuhörer; er verſtand zwar kein Deutſch, da Jeder mit ihm engliſch ſprach, aber dies hielt ihn nicht ab, den Geſprächen der Uebrigen in der Meſſe mit größter Aufmerk- ſamkeit zu lauſchen und dann und wann den bewundernden Ausruf „how funny“ — wie komiſch! dazwiſchen zu werfen. Als Frank’s Gaſt hatte er den doppelten Genuß, deſſen Spuk- geſchichten in Engliſch anzuhören, wodurch ſie noch länger wurden und dazu bei einem ſteifen Grog zu ſitzen; was von beiden ihm beſſer gefiel, blieb unentſchieden. Eine tonangebende Perſönlichkeit war auch der Arzt des Schiffes, Dr. Altmanns, ein Süddeutſcher von queckſilberner Be- weglichkeit. Dem militäriſchen Range nach war er als Marine- arzt II. Claſſe der Aelteſte der Meſſe und von Anfang an mit Erfolg beſtrebt geweſen, dieſen Standpunkt zur Geltung zu bringen. Er war ein ſtarker Dialectiker und geiſtig ſehr ge- wandt. Die Seeofficiere waren ihm in dieſer Richtung nicht gewachſen, er ſprach ſie im Wortkampf ſehr bald todt und hatte dadurch ſo ziemlich die Alleinherrſchaft an ſich geriſſen. Eines Tages war dieſe Herrſchaft aber erſchüttert worden, die Autori- tät hatte einige arge Stöße erlitten und der Doctor hielt ſich infolge deſſen etwas mehr im Hintergrunde. Bei einer ſonſt liebenswürdigen Außenſeite, die den Ver- kehr mit ihm erleichterte, hatte Altmanns einige Schwächen, die ſeinen Kameraden eine Handhabe boten, ſich für die in den Wortgefechten ſtets erlittenen Niederlagen zu rächen. Er war ziemlich eitel, und nicht nur auf ſeine vermeintliche geiſtige Ueber-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/273>, abgerufen am 22.11.2024.