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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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gängig machen," erwiderte der Kaiser. "Er muß deshalb bis
Sonnenuntergang oben bleiben."

"Majestät, dann ist aber nichts im Wege, daß der Ad-
miral gleich herunterkommt," sagte einer der Admirale.

"Wie so?" fragte der Kaiser erstaunt.

"Majestät befehlen einfach, daß die Sonne jetzt, statt heute
Abend um zehn Uhr, untergeht. Es wird nur Signal zur
Flaggenparade gemacht."

Dem Kaiser leuchtete dieser Ausweg ein, der ihm das
Mittel bot, seine Uebereilung gut zu machen, ohne seinen Be-
fehl direct zurücknehmen zu müssen. Das Signal zur Flaggen-
parade ging in die Höhe und die Flaggen wurden sämmtlich in
aller Form niedergeholt. Obwol die Sonne noch hoch am
Himmel leuchtete, ging sie für die russische Flotte officiell unter,
und als der Kaiser von Bord fuhr, um unsern "Bugbear" in
Augenschein zu nehmen, enterte auch der Admiral aus dem Top
nieder, um wieder das Commando der Flotte zu übernehmen.

Der kaiserliche Besuch war ja für uns eine große Ehre,"
fuhr Mathy fort, indem er unmerklich auf ein anderes seiner
"Erlebnisse" überging, "aber mir persönlich kam er sehr theuer
zu stehen und ich hatte dabei einen großen Verlust, den auch
die kostbare goldene Uhr nicht aufwiegen konnte, um so mehr,
als sie mir nachher gestohlen wurde."

"Wie so? Erzählen Sie!" riefen die neugierig gemachten
Zuhörer und Mathy ließ sich auch nicht lange bitten.

"Ich besaß einen wundervollen Papagei, den ich auf
eigenthümliche Weise in Brasilien erhalten und der mir unge-
mein viel werth war, nicht allein als Andenken an einen Freund,
dem er früher gehörte, sondern weil er ganz außergewöhnlich
sprach und sang, wie wol nicht so leicht ein zweiter. Diesen
sah einer der jungen Großfürsten, hörte ihn singen und war so
entzückt von ihm, daß er ihn mir durchaus abkaufen wollte.
Daß ich darauf nicht einging, können Sie sich denken, aber

Werner
gängig machen,“ erwiderte der Kaiſer. „Er muß deshalb bis
Sonnenuntergang oben bleiben.“

„Majeſtät, dann iſt aber nichts im Wege, daß der Ad-
miral gleich herunterkommt,“ ſagte einer der Admirale.

„Wie ſo?“ fragte der Kaiſer erſtaunt.

„Majeſtät befehlen einfach, daß die Sonne jetzt, ſtatt heute
Abend um zehn Uhr, untergeht. Es wird nur Signal zur
Flaggenparade gemacht.“

Dem Kaiſer leuchtete dieſer Ausweg ein, der ihm das
Mittel bot, ſeine Uebereilung gut zu machen, ohne ſeinen Be-
fehl direct zurücknehmen zu müſſen. Das Signal zur Flaggen-
parade ging in die Höhe und die Flaggen wurden ſämmtlich in
aller Form niedergeholt. Obwol die Sonne noch hoch am
Himmel leuchtete, ging ſie für die ruſſiſche Flotte officiell unter,
und als der Kaiſer von Bord fuhr, um unſern „Bugbear“ in
Augenſchein zu nehmen, enterte auch der Admiral aus dem Top
nieder, um wieder das Commando der Flotte zu übernehmen.

Der kaiſerliche Beſuch war ja für uns eine große Ehre,“
fuhr Mathy fort, indem er unmerklich auf ein anderes ſeiner
„Erlebniſſe“ überging, „aber mir perſönlich kam er ſehr theuer
zu ſtehen und ich hatte dabei einen großen Verluſt, den auch
die koſtbare goldene Uhr nicht aufwiegen konnte, um ſo mehr,
als ſie mir nachher geſtohlen wurde.“

„Wie ſo? Erzählen Sie!“ riefen die neugierig gemachten
Zuhörer und Mathy ließ ſich auch nicht lange bitten.

„Ich beſaß einen wundervollen Papagei, den ich auf
eigenthümliche Weiſe in Braſilien erhalten und der mir unge-
mein viel werth war, nicht allein als Andenken an einen Freund,
dem er früher gehörte, ſondern weil er ganz außergewöhnlich
ſprach und ſang, wie wol nicht ſo leicht ein zweiter. Dieſen
ſah einer der jungen Großfürſten, hörte ihn ſingen und war ſo
entzückt von ihm, daß er ihn mir durchaus abkaufen wollte.
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[280/0292] Werner gängig machen,“ erwiderte der Kaiſer. „Er muß deshalb bis Sonnenuntergang oben bleiben.“ „Majeſtät, dann iſt aber nichts im Wege, daß der Ad- miral gleich herunterkommt,“ ſagte einer der Admirale. „Wie ſo?“ fragte der Kaiſer erſtaunt. „Majeſtät befehlen einfach, daß die Sonne jetzt, ſtatt heute Abend um zehn Uhr, untergeht. Es wird nur Signal zur Flaggenparade gemacht.“ Dem Kaiſer leuchtete dieſer Ausweg ein, der ihm das Mittel bot, ſeine Uebereilung gut zu machen, ohne ſeinen Be- fehl direct zurücknehmen zu müſſen. Das Signal zur Flaggen- parade ging in die Höhe und die Flaggen wurden ſämmtlich in aller Form niedergeholt. Obwol die Sonne noch hoch am Himmel leuchtete, ging ſie für die ruſſiſche Flotte officiell unter, und als der Kaiſer von Bord fuhr, um unſern „Bugbear“ in Augenſchein zu nehmen, enterte auch der Admiral aus dem Top nieder, um wieder das Commando der Flotte zu übernehmen. Der kaiſerliche Beſuch war ja für uns eine große Ehre,“ fuhr Mathy fort, indem er unmerklich auf ein anderes ſeiner „Erlebniſſe“ überging, „aber mir perſönlich kam er ſehr theuer zu ſtehen und ich hatte dabei einen großen Verluſt, den auch die koſtbare goldene Uhr nicht aufwiegen konnte, um ſo mehr, als ſie mir nachher geſtohlen wurde.“ „Wie ſo? Erzählen Sie!“ riefen die neugierig gemachten Zuhörer und Mathy ließ ſich auch nicht lange bitten. „Ich beſaß einen wundervollen Papagei, den ich auf eigenthümliche Weiſe in Braſilien erhalten und der mir unge- mein viel werth war, nicht allein als Andenken an einen Freund, dem er früher gehörte, ſondern weil er ganz außergewöhnlich ſprach und ſang, wie wol nicht ſo leicht ein zweiter. Dieſen ſah einer der jungen Großfürſten, hörte ihn ſingen und war ſo entzückt von ihm, daß er ihn mir durchaus abkaufen wollte. Daß ich darauf nicht einging, können Sie ſich denken, aber

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/292>, abgerufen am 22.11.2024.