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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Nach Westindien und dem Mittelmeer

Und wie am Tage, so blitzt und leuchtet es in Baum und
Strauch auch Nachts. Wenn Vögel und Schmetterlinge zur
Ruhe gegangen, dann kommen Millionen Glühwürmer aus
ihrem Versteck und erhellen das Dunkel mit ihrem phosphores-
cirenden Schein. Viele haben die Größe eines Maikäfers, und
das von ihnen ausstrahlende Licht ist so stark, daß man in dem
Umkreise von zwei bis drei Fuß die Gegenstände gut erkennen kann.

Wie Urwald und cultivirter Boden hier sich unver-
mittelt berühren, so tritt uns dasselbe Schauspiel auch mit Be-
zug auf die Menschen entgegen. Wenige hundert Schritte von
Esteban und seinen Villen entfernt haben Ureinwohner des Landes,
Indianer, ihre gebrechlichen Hütten errichtet und leben von
der Jagd und den Früchten des Waldes, wie vor Jahrhunder-
ten ihre Väter es gethan. Ihre Zahl schmilzt freilich von Jahr
zu Jahr beträchtlich zusammen, und bald werden sie aus den
von Europäern bevölkerten Gegenden ganz verschwunden und
von dem Naturgesetze ereilt sein, demzufolge der rothe Mann
untergeht, wo er mit dem Weißen zusammentrifft.

Der Metallreichthum Venezuela's tritt besonders unweit
Puerto Cabello in der Provinz Coro zu Tage und sind vor
allem die Kupfererze ergiebig. Bis vor wenigen Jahren schaffte
man das Erz über zwanzig Meilen weit aus dem District Aora
auf Maulthieren bis zu dem westlich von Puerto Cabello gelege-
nen Hafen Tucacas. Wenn trotzdem die Sache rentabel war,
so lag es nahe, eine Eisenbahn zu bauen, und in der That
hatten die Engländer kurze Zeit vor unserer Ankunft ein solches
Unternehmen in's Leben zu rufen versucht, waren aber ebenfalls
an den unsicheren Zuständen des Landes gescheitert. Eines
Tages überfielen revolutionirende Soldaten das Bureau, er-
mordeten sämmtliche Beamte, raubten das vorhandene Geld,
und damit war alles zu Ende.

Der in Aussicht stehende Gewinn war indessen so ver-
lockend, daß, als Guzman Präsident geworden und damit Ruhe

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer

Und wie am Tage, ſo blitzt und leuchtet es in Baum und
Strauch auch Nachts. Wenn Vögel und Schmetterlinge zur
Ruhe gegangen, dann kommen Millionen Glühwürmer aus
ihrem Verſteck und erhellen das Dunkel mit ihrem phosphores-
cirenden Schein. Viele haben die Größe eines Maikäfers, und
das von ihnen ausſtrahlende Licht iſt ſo ſtark, daß man in dem
Umkreiſe von zwei bis drei Fuß die Gegenſtände gut erkennen kann.

Wie Urwald und cultivirter Boden hier ſich unver-
mittelt berühren, ſo tritt uns daſſelbe Schauſpiel auch mit Be-
zug auf die Menſchen entgegen. Wenige hundert Schritte von
Eſteban und ſeinen Villen entfernt haben Ureinwohner des Landes,
Indianer, ihre gebrechlichen Hütten errichtet und leben von
der Jagd und den Früchten des Waldes, wie vor Jahrhunder-
ten ihre Väter es gethan. Ihre Zahl ſchmilzt freilich von Jahr
zu Jahr beträchtlich zuſammen, und bald werden ſie aus den
von Europäern bevölkerten Gegenden ganz verſchwunden und
von dem Naturgeſetze ereilt ſein, demzufolge der rothe Mann
untergeht, wo er mit dem Weißen zuſammentrifft.

Der Metallreichthum Venezuela’s tritt beſonders unweit
Puerto Cabello in der Provinz Coro zu Tage und ſind vor
allem die Kupfererze ergiebig. Bis vor wenigen Jahren ſchaffte
man das Erz über zwanzig Meilen weit aus dem Diſtrict Aora
auf Maulthieren bis zu dem weſtlich von Puerto Cabello gelege-
nen Hafen Tucacas. Wenn trotzdem die Sache rentabel war,
ſo lag es nahe, eine Eiſenbahn zu bauen, und in der That
hatten die Engländer kurze Zeit vor unſerer Ankunft ein ſolches
Unternehmen in’s Leben zu rufen verſucht, waren aber ebenfalls
an den unſicheren Zuſtänden des Landes geſcheitert. Eines
Tages überfielen revolutionirende Soldaten das Bureau, er-
mordeten ſämmtliche Beamte, raubten das vorhandene Geld,
und damit war alles zu Ende.

Der in Ausſicht ſtehende Gewinn war indeſſen ſo ver-
lockend, daß, als Guzman Präſident geworden und damit Ruhe

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[341/0353] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Und wie am Tage, ſo blitzt und leuchtet es in Baum und Strauch auch Nachts. Wenn Vögel und Schmetterlinge zur Ruhe gegangen, dann kommen Millionen Glühwürmer aus ihrem Verſteck und erhellen das Dunkel mit ihrem phosphores- cirenden Schein. Viele haben die Größe eines Maikäfers, und das von ihnen ausſtrahlende Licht iſt ſo ſtark, daß man in dem Umkreiſe von zwei bis drei Fuß die Gegenſtände gut erkennen kann. Wie Urwald und cultivirter Boden hier ſich unver- mittelt berühren, ſo tritt uns daſſelbe Schauſpiel auch mit Be- zug auf die Menſchen entgegen. Wenige hundert Schritte von Eſteban und ſeinen Villen entfernt haben Ureinwohner des Landes, Indianer, ihre gebrechlichen Hütten errichtet und leben von der Jagd und den Früchten des Waldes, wie vor Jahrhunder- ten ihre Väter es gethan. Ihre Zahl ſchmilzt freilich von Jahr zu Jahr beträchtlich zuſammen, und bald werden ſie aus den von Europäern bevölkerten Gegenden ganz verſchwunden und von dem Naturgeſetze ereilt ſein, demzufolge der rothe Mann untergeht, wo er mit dem Weißen zuſammentrifft. Der Metallreichthum Venezuela’s tritt beſonders unweit Puerto Cabello in der Provinz Coro zu Tage und ſind vor allem die Kupfererze ergiebig. Bis vor wenigen Jahren ſchaffte man das Erz über zwanzig Meilen weit aus dem Diſtrict Aora auf Maulthieren bis zu dem weſtlich von Puerto Cabello gelege- nen Hafen Tucacas. Wenn trotzdem die Sache rentabel war, ſo lag es nahe, eine Eiſenbahn zu bauen, und in der That hatten die Engländer kurze Zeit vor unſerer Ankunft ein ſolches Unternehmen in’s Leben zu rufen verſucht, waren aber ebenfalls an den unſicheren Zuſtänden des Landes geſcheitert. Eines Tages überfielen revolutionirende Soldaten das Bureau, er- mordeten ſämmtliche Beamte, raubten das vorhandene Geld, und damit war alles zu Ende. Der in Ausſicht ſtehende Gewinn war indeſſen ſo ver- lockend, daß, als Guzman Präſident geworden und damit Ruhe

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/353>, abgerufen am 22.11.2024.