Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner müssen, die empfangenen Eindrücke nur oberflächlich zuskizziren, indessen gaben uns besondere Verhältnisse Gelegen- heit, nach manchen Richtungen hin doch ein getreues Spiegel- bild von den inneren Zuständen der schwarzen Republik zu gewinnen. Der Seeofficier hat vor gewöhnlichen Reisenden meistens voraus, daß er keiner zeitraubenden Empfehlungen und Einführungen an fremden Orten bedarf, und es gehört nicht zu den geringsten Annehmlichkeiten seines Standes, daß man ihn überall in den höheren Kreisen der Gesellschaft will- kommen heißt und ihm unaufgefordert entgegenträgt, was andere Reisende meistens mühsam aufsuchen und erfragen müssen. Will deshalb ein Seeofficier über Land und Leute, wenigstens in großen Zügen, unterrichtet sein, so reicht dazu auch schon eine verhältnißmäßig kurze Zeit aus. Die verschiedenen Con- suln und fremden Kaufleute sind fast immer sehr genaue Kenner der Landesverhältnisse, und da man mit ihnen zunächst in Be- rührung kommt, so kann man sich leicht orientiren und aus den betreffenden Unterhaltungen objectiv richtige Schlüsse ziehen. Dies kam mir auch hier zu Gute, außerdem ein vom Zufall herbeigeführtes längeres Zusammensein mit Vertretern der höch- sten Kreise der souveränen Republik. Vor längeren Jahren war ich in Monrovia, der Haupt- Werner müſſen, die empfangenen Eindrücke nur oberflächlich zuſkizziren, indeſſen gaben uns beſondere Verhältniſſe Gelegen- heit, nach manchen Richtungen hin doch ein getreues Spiegel- bild von den inneren Zuſtänden der ſchwarzen Republik zu gewinnen. Der Seeofficier hat vor gewöhnlichen Reiſenden meiſtens voraus, daß er keiner zeitraubenden Empfehlungen und Einführungen an fremden Orten bedarf, und es gehört nicht zu den geringſten Annehmlichkeiten ſeines Standes, daß man ihn überall in den höheren Kreiſen der Geſellſchaft will- kommen heißt und ihm unaufgefordert entgegenträgt, was andere Reiſende meiſtens mühſam aufſuchen und erfragen müſſen. Will deshalb ein Seeofficier über Land und Leute, wenigſtens in großen Zügen, unterrichtet ſein, ſo reicht dazu auch ſchon eine verhältnißmäßig kurze Zeit aus. Die verſchiedenen Con- ſuln und fremden Kaufleute ſind faſt immer ſehr genaue Kenner der Landesverhältniſſe, und da man mit ihnen zunächſt in Be- rührung kommt, ſo kann man ſich leicht orientiren und aus den betreffenden Unterhaltungen objectiv richtige Schlüſſe ziehen. Dies kam mir auch hier zu Gute, außerdem ein vom Zufall herbeigeführtes längeres Zuſammenſein mit Vertretern der höch- ſten Kreiſe der ſouveränen Republik. Vor längeren Jahren war ich in Monrovia, der Haupt- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0364" n="352"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> müſſen, die empfangenen Eindrücke nur oberflächlich zu<lb/> ſkizziren, indeſſen gaben uns beſondere Verhältniſſe Gelegen-<lb/> heit, nach manchen Richtungen hin doch ein getreues Spiegel-<lb/> bild von den inneren Zuſtänden der ſchwarzen Republik<lb/> zu gewinnen. Der Seeofficier hat vor gewöhnlichen Reiſenden<lb/> meiſtens voraus, daß er keiner zeitraubenden Empfehlungen<lb/> und Einführungen an fremden Orten bedarf, und es gehört<lb/> nicht zu den geringſten Annehmlichkeiten ſeines Standes, daß<lb/> man ihn überall in den höheren Kreiſen der Geſellſchaft will-<lb/> kommen heißt und ihm unaufgefordert entgegenträgt, was andere<lb/> Reiſende meiſtens mühſam aufſuchen und erfragen müſſen.<lb/> Will deshalb ein Seeofficier über Land und Leute, wenigſtens<lb/> in großen Zügen, unterrichtet ſein, ſo reicht dazu auch ſchon<lb/> eine verhältnißmäßig kurze Zeit aus. Die verſchiedenen Con-<lb/> ſuln und fremden Kaufleute ſind faſt immer ſehr genaue Kenner<lb/> der Landesverhältniſſe, und da man mit ihnen zunächſt in Be-<lb/> rührung kommt, ſo kann man ſich leicht orientiren und aus den<lb/> betreffenden Unterhaltungen objectiv richtige Schlüſſe ziehen.<lb/> Dies kam mir auch hier zu Gute, außerdem ein vom Zufall<lb/> herbeigeführtes längeres Zuſammenſein mit Vertretern der höch-<lb/> ſten Kreiſe der ſouveränen Republik.</p><lb/> <p>Vor längeren Jahren war ich in Monrovia, der Haupt-<lb/> ſtadt der von amerikaniſchen Philantropen gegründeten Neger-<lb/> republik Liberia geweſen. Es intereſſirte mich deshalb, Ver-<lb/> gleiche zu ziehen, aber alles, was ich hier ſah und hörte,<lb/> beſtätigte nur das dort ſchon gewonnene Urtheil, daß ſelbſt-<lb/> ſtändige ſogenannte civiliſirte Negerſtaaten nur ein künſtliches<lb/> Daſein friſten, ſo lange ſie ſich auf Weiße ſtützen oder an ſie<lb/> anlehnen können, daß ſie aber moraliſch und materiell zurück-<lb/> gehen und allmälig der alten Barbarei und Uncultur wieder<lb/> verfallen, ſobald man ſie ſich ſelbſt überläßt. Mag man ſagen,<lb/> was man will, der Neger ſteht nun einmal tief unter dem<lb/> Weißen und die Menſchenfreunde, welche ihn mit uns gleich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [352/0364]
Werner
müſſen, die empfangenen Eindrücke nur oberflächlich zu
ſkizziren, indeſſen gaben uns beſondere Verhältniſſe Gelegen-
heit, nach manchen Richtungen hin doch ein getreues Spiegel-
bild von den inneren Zuſtänden der ſchwarzen Republik
zu gewinnen. Der Seeofficier hat vor gewöhnlichen Reiſenden
meiſtens voraus, daß er keiner zeitraubenden Empfehlungen
und Einführungen an fremden Orten bedarf, und es gehört
nicht zu den geringſten Annehmlichkeiten ſeines Standes, daß
man ihn überall in den höheren Kreiſen der Geſellſchaft will-
kommen heißt und ihm unaufgefordert entgegenträgt, was andere
Reiſende meiſtens mühſam aufſuchen und erfragen müſſen.
Will deshalb ein Seeofficier über Land und Leute, wenigſtens
in großen Zügen, unterrichtet ſein, ſo reicht dazu auch ſchon
eine verhältnißmäßig kurze Zeit aus. Die verſchiedenen Con-
ſuln und fremden Kaufleute ſind faſt immer ſehr genaue Kenner
der Landesverhältniſſe, und da man mit ihnen zunächſt in Be-
rührung kommt, ſo kann man ſich leicht orientiren und aus den
betreffenden Unterhaltungen objectiv richtige Schlüſſe ziehen.
Dies kam mir auch hier zu Gute, außerdem ein vom Zufall
herbeigeführtes längeres Zuſammenſein mit Vertretern der höch-
ſten Kreiſe der ſouveränen Republik.
Vor längeren Jahren war ich in Monrovia, der Haupt-
ſtadt der von amerikaniſchen Philantropen gegründeten Neger-
republik Liberia geweſen. Es intereſſirte mich deshalb, Ver-
gleiche zu ziehen, aber alles, was ich hier ſah und hörte,
beſtätigte nur das dort ſchon gewonnene Urtheil, daß ſelbſt-
ſtändige ſogenannte civiliſirte Negerſtaaten nur ein künſtliches
Daſein friſten, ſo lange ſie ſich auf Weiße ſtützen oder an ſie
anlehnen können, daß ſie aber moraliſch und materiell zurück-
gehen und allmälig der alten Barbarei und Uncultur wieder
verfallen, ſobald man ſie ſich ſelbſt überläßt. Mag man ſagen,
was man will, der Neger ſteht nun einmal tief unter dem
Weißen und die Menſchenfreunde, welche ihn mit uns gleich
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