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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
zumuthen zu dürfen, die wir körperkräftig und überdem durch
die täglichen Oberbramsegel-Exercitien genügend "flink" gemacht
waren. Wir selbst empfanden natürlich einen berechtigten Stolz
über das uns geschenkte Vertrauen und gehorchten auf das
schnellste dem uns gewordenen Befehle.

Das Klüverschoot, die untere Ecke des Segels mit dem
daran befestigten Tau schlug im Winde so heftig, daß das ganze
Vorgeschirr zitterte. "Festgehalten Jungens" rief der Boots-
mann uns nach "und von draußen angefangen, sonst schlägt
Euch der Klüver ohne Gnade vom Baum." Wir hörten nur
mit halbem Ohr und liefen hinaus. Auf dem Bugspriet ging
es noch, da hatten wir festes Holz unter den Füßen und zwei
dazu angebrachte Taue, die Laufstagen, um sie mit den Händen
zu fassen, aber auf dem Klüverbaum war das "Festhalten"
leichter gesagt, als gethan. Unten nur das sogenannte Pferd,
ein Tau um darin zu stehen, oben den runden glatten Baum.
Er mußte zwischen Brust und Knie geklemmt werden, das war
der ganze Halt, denn die beiden Hände gebrauchte man zur Arbeit.
Wir kamen indessen glücklich hinaus und fingen an, das Segel zu
beschlagen. Es war mir, als hätten wir ein wildes Thier ein-
zufangen, so ungeberdig zeigte sich der im Sturm peitschende
Klüver. Verschiedene Male glaubten wir ihn schon gebändigt
zu haben, dann riß ihn der Wind uns wieder aus den
Händen.

Ich kämpfte meinen ersten persönlichen Kampf mit den
Elementen und es stachelte meinen Ehrgeiz, als Sieger daraus
hervorzugehen. Heinrich schien eben so zu fühlen und wir ar-
beiteten wie zwei Männer. Die ungewohnte seltsame Umgebung
trug nicht wenig dazu bei, den Kampf noch aufregender zu
machen. Die dunkle Nacht, das Heulen und Pfeifen des Windes
in der Takelage, das Rauschen des Schiffes durch das Wasser,
welches sich wie ein glühender Berg vor seinem Bug aufstaute,
die schäumenden, überkopfenden Wellen, denen wir bei dem

Eine erſte Seereiſe
zumuthen zu dürfen, die wir körperkräftig und überdem durch
die täglichen Oberbramſegel-Exercitien genügend „flink“ gemacht
waren. Wir ſelbſt empfanden natürlich einen berechtigten Stolz
über das uns geſchenkte Vertrauen und gehorchten auf das
ſchnellſte dem uns gewordenen Befehle.

Das Klüverſchoot, die untere Ecke des Segels mit dem
daran befeſtigten Tau ſchlug im Winde ſo heftig, daß das ganze
Vorgeſchirr zitterte. „Feſtgehalten Jungens“ rief der Boots-
mann uns nach „und von draußen angefangen, ſonſt ſchlägt
Euch der Klüver ohne Gnade vom Baum.“ Wir hörten nur
mit halbem Ohr und liefen hinaus. Auf dem Bugſpriet ging
es noch, da hatten wir feſtes Holz unter den Füßen und zwei
dazu angebrachte Taue, die Laufſtagen, um ſie mit den Händen
zu faſſen, aber auf dem Klüverbaum war das „Feſthalten“
leichter geſagt, als gethan. Unten nur das ſogenannte Pferd,
ein Tau um darin zu ſtehen, oben den runden glatten Baum.
Er mußte zwiſchen Bruſt und Knie geklemmt werden, das war
der ganze Halt, denn die beiden Hände gebrauchte man zur Arbeit.
Wir kamen indeſſen glücklich hinaus und fingen an, das Segel zu
beſchlagen. Es war mir, als hätten wir ein wildes Thier ein-
zufangen, ſo ungeberdig zeigte ſich der im Sturm peitſchende
Klüver. Verſchiedene Male glaubten wir ihn ſchon gebändigt
zu haben, dann riß ihn der Wind uns wieder aus den
Händen.

Ich kämpfte meinen erſten perſönlichen Kampf mit den
Elementen und es ſtachelte meinen Ehrgeiz, als Sieger daraus
hervorzugehen. Heinrich ſchien eben ſo zu fühlen und wir ar-
beiteten wie zwei Männer. Die ungewohnte ſeltſame Umgebung
trug nicht wenig dazu bei, den Kampf noch aufregender zu
machen. Die dunkle Nacht, das Heulen und Pfeifen des Windes
in der Takelage, das Rauſchen des Schiffes durch das Waſſer,
welches ſich wie ein glühender Berg vor ſeinem Bug aufſtaute,
die ſchäumenden, überkopfenden Wellen, denen wir bei dem

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[25/0037] Eine erſte Seereiſe zumuthen zu dürfen, die wir körperkräftig und überdem durch die täglichen Oberbramſegel-Exercitien genügend „flink“ gemacht waren. Wir ſelbſt empfanden natürlich einen berechtigten Stolz über das uns geſchenkte Vertrauen und gehorchten auf das ſchnellſte dem uns gewordenen Befehle. Das Klüverſchoot, die untere Ecke des Segels mit dem daran befeſtigten Tau ſchlug im Winde ſo heftig, daß das ganze Vorgeſchirr zitterte. „Feſtgehalten Jungens“ rief der Boots- mann uns nach „und von draußen angefangen, ſonſt ſchlägt Euch der Klüver ohne Gnade vom Baum.“ Wir hörten nur mit halbem Ohr und liefen hinaus. Auf dem Bugſpriet ging es noch, da hatten wir feſtes Holz unter den Füßen und zwei dazu angebrachte Taue, die Laufſtagen, um ſie mit den Händen zu faſſen, aber auf dem Klüverbaum war das „Feſthalten“ leichter geſagt, als gethan. Unten nur das ſogenannte Pferd, ein Tau um darin zu ſtehen, oben den runden glatten Baum. Er mußte zwiſchen Bruſt und Knie geklemmt werden, das war der ganze Halt, denn die beiden Hände gebrauchte man zur Arbeit. Wir kamen indeſſen glücklich hinaus und fingen an, das Segel zu beſchlagen. Es war mir, als hätten wir ein wildes Thier ein- zufangen, ſo ungeberdig zeigte ſich der im Sturm peitſchende Klüver. Verſchiedene Male glaubten wir ihn ſchon gebändigt zu haben, dann riß ihn der Wind uns wieder aus den Händen. Ich kämpfte meinen erſten perſönlichen Kampf mit den Elementen und es ſtachelte meinen Ehrgeiz, als Sieger daraus hervorzugehen. Heinrich ſchien eben ſo zu fühlen und wir ar- beiteten wie zwei Männer. Die ungewohnte ſeltſame Umgebung trug nicht wenig dazu bei, den Kampf noch aufregender zu machen. Die dunkle Nacht, das Heulen und Pfeifen des Windes in der Takelage, das Rauſchen des Schiffes durch das Waſſer, welches ſich wie ein glühender Berg vor ſeinem Bug aufſtaute, die ſchäumenden, überkopfenden Wellen, denen wir bei dem

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/37>, abgerufen am 21.11.2024.