Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
lichen Sporn nie die so leicht verwundbare Flanke, sondern stets
den eigenen Sporn zu zeigen. Die moderne Taktik besteht des-
halb in dem Bestreben der Schiffe, stets direct auf den Feind
loszudampfen, in nächster Nähe die Artillerie zur Wirkung zu
bringen, einen Spornstoß zu versuchen und dabei an dem An-
griffspunkte in der Uebermacht zu sein. Die Angriffsforma-
tionen müssen demnach so gewählt werden, daß sie neben größter
Compactheit und Beweglichkeit auch die volle Geschützwirkung
zur Geltung kommen lassen. Den Schwerpunkt bildet dabei das
Manövriren, und man darf die Behauptung aufstellen, daß selbst
eine numerisch schwächere Partei den Sieg davon tragen wird,
sobald sie mit ihren Schiffen besser zu manövriren versteht. Dies
Manövriren mit Panzerschiffen erfordert aber eben so viel see-
männisches Geschick wie lange Uebung.

In früheren Zeiten, wo sich Kriegsschiffe im Allgemeinen
nur durch ihre Größe unterschieden, sonst aber nach denselben
Principien gebaut waren und die bewegende Kraft, der Wind,
so ziemlich dieselbe Wirkung auf alle übte, konnte der Comman-
dant, welcher heute eine kleine Corvette befehligte, morgen eben-
so gut mit dem größten Linienschiffe manövriren. Das hat sich
jetzt geändert; die modernen Panzercolosse sind einmal sehr ver-
schieden construirt, um den sich reißend schnell folgenden Er-
findungen und Verbesserungen Rechnung zu tragen und sodann
manövriren sie durchaus nicht gleichmäßig. Es ist bis jetzt der
Technik nicht gelungen, ihnen mit Sicherheit diejenigen nautischen
Eigenschaften zu geben, wie sie die früheren Segelschiffe besaßen.
Von zwei gleich großen Panzern steuert der eine gut, der andere
schlecht, der erste gebraucht vier Minuten zur Beschreibung eines
Kreises, der zweite die doppelte Zeit, jener macht schon bei ge-
ringem Seegange sehr tiefe seitliche Schwankungen, dieser nicht.
Die modernen Schlachtschiffe sind Individuen, von denen jedes
seine besonderen Eigenschaften besitzt; diese wollen gekannt sein und
eine solche Kenntniß läßt sich nur durch sehr lange Uebung erreichen.


Werner
lichen Sporn nie die ſo leicht verwundbare Flanke, ſondern ſtets
den eigenen Sporn zu zeigen. Die moderne Taktik beſteht des-
halb in dem Beſtreben der Schiffe, ſtets direct auf den Feind
loszudampfen, in nächſter Nähe die Artillerie zur Wirkung zu
bringen, einen Spornſtoß zu verſuchen und dabei an dem An-
griffspunkte in der Uebermacht zu ſein. Die Angriffsforma-
tionen müſſen demnach ſo gewählt werden, daß ſie neben größter
Compactheit und Beweglichkeit auch die volle Geſchützwirkung
zur Geltung kommen laſſen. Den Schwerpunkt bildet dabei das
Manövriren, und man darf die Behauptung aufſtellen, daß ſelbſt
eine numeriſch ſchwächere Partei den Sieg davon tragen wird,
ſobald ſie mit ihren Schiffen beſſer zu manövriren verſteht. Dies
Manövriren mit Panzerſchiffen erfordert aber eben ſo viel ſee-
männiſches Geſchick wie lange Uebung.

In früheren Zeiten, wo ſich Kriegsſchiffe im Allgemeinen
nur durch ihre Größe unterſchieden, ſonſt aber nach denſelben
Principien gebaut waren und die bewegende Kraft, der Wind,
ſo ziemlich dieſelbe Wirkung auf alle übte, konnte der Comman-
dant, welcher heute eine kleine Corvette befehligte, morgen eben-
ſo gut mit dem größten Linienſchiffe manövriren. Das hat ſich
jetzt geändert; die modernen Panzercoloſſe ſind einmal ſehr ver-
ſchieden conſtruirt, um den ſich reißend ſchnell folgenden Er-
findungen und Verbeſſerungen Rechnung zu tragen und ſodann
manövriren ſie durchaus nicht gleichmäßig. Es iſt bis jetzt der
Technik nicht gelungen, ihnen mit Sicherheit diejenigen nautiſchen
Eigenſchaften zu geben, wie ſie die früheren Segelſchiffe beſaßen.
Von zwei gleich großen Panzern ſteuert der eine gut, der andere
ſchlecht, der erſte gebraucht vier Minuten zur Beſchreibung eines
Kreiſes, der zweite die doppelte Zeit, jener macht ſchon bei ge-
ringem Seegange ſehr tiefe ſeitliche Schwankungen, dieſer nicht.
Die modernen Schlachtſchiffe ſind Individuen, von denen jedes
ſeine beſonderen Eigenſchaften beſitzt; dieſe wollen gekannt ſein und
eine ſolche Kenntniß läßt ſich nur durch ſehr lange Uebung erreichen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0372" n="360"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
lichen Sporn nie die &#x017F;o leicht verwundbare Flanke, &#x017F;ondern &#x017F;tets<lb/>
den eigenen Sporn zu zeigen. Die moderne Taktik be&#x017F;teht des-<lb/>
halb in dem Be&#x017F;treben der Schiffe, &#x017F;tets direct auf den Feind<lb/>
loszudampfen, in näch&#x017F;ter Nähe die Artillerie zur Wirkung zu<lb/>
bringen, einen Sporn&#x017F;toß zu ver&#x017F;uchen und dabei an dem An-<lb/>
griffspunkte in der Uebermacht zu &#x017F;ein. Die Angriffsforma-<lb/>
tionen mü&#x017F;&#x017F;en demnach &#x017F;o gewählt werden, daß &#x017F;ie neben größter<lb/>
Compactheit und Beweglichkeit auch die volle Ge&#x017F;chützwirkung<lb/>
zur Geltung kommen la&#x017F;&#x017F;en. Den Schwerpunkt bildet dabei das<lb/>
Manövriren, und man darf die Behauptung auf&#x017F;tellen, daß &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
eine numeri&#x017F;ch &#x017F;chwächere Partei den Sieg davon tragen wird,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie mit ihren Schiffen be&#x017F;&#x017F;er zu manövriren ver&#x017F;teht. Dies<lb/>
Manövriren mit Panzer&#x017F;chiffen erfordert aber eben &#x017F;o viel &#x017F;ee-<lb/>
männi&#x017F;ches Ge&#x017F;chick wie lange Uebung.</p><lb/>
        <p>In früheren Zeiten, wo &#x017F;ich Kriegs&#x017F;chiffe im Allgemeinen<lb/>
nur durch ihre Größe unter&#x017F;chieden, &#x017F;on&#x017F;t aber nach den&#x017F;elben<lb/>
Principien gebaut waren und die bewegende Kraft, der Wind,<lb/>
&#x017F;o ziemlich die&#x017F;elbe Wirkung auf alle übte, konnte der Comman-<lb/>
dant, welcher heute eine kleine Corvette befehligte, morgen eben-<lb/>
&#x017F;o gut mit dem größten Linien&#x017F;chiffe manövriren. Das hat &#x017F;ich<lb/>
jetzt geändert; die modernen Panzercolo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind einmal &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chieden con&#x017F;truirt, um den &#x017F;ich reißend &#x017F;chnell folgenden Er-<lb/>
findungen und Verbe&#x017F;&#x017F;erungen Rechnung zu tragen und &#x017F;odann<lb/>
manövriren &#x017F;ie durchaus nicht gleichmäßig. Es i&#x017F;t bis jetzt der<lb/>
Technik nicht gelungen, ihnen mit Sicherheit diejenigen nauti&#x017F;chen<lb/>
Eigen&#x017F;chaften zu geben, wie &#x017F;ie die früheren Segel&#x017F;chiffe be&#x017F;aßen.<lb/>
Von zwei gleich großen Panzern &#x017F;teuert der eine gut, der andere<lb/>
&#x017F;chlecht, der er&#x017F;te gebraucht vier Minuten zur Be&#x017F;chreibung eines<lb/>
Krei&#x017F;es, der zweite die doppelte Zeit, jener macht &#x017F;chon bei ge-<lb/>
ringem Seegange &#x017F;ehr tiefe &#x017F;eitliche Schwankungen, die&#x017F;er nicht.<lb/>
Die modernen Schlacht&#x017F;chiffe &#x017F;ind Individuen, von denen jedes<lb/>
&#x017F;eine be&#x017F;onderen Eigen&#x017F;chaften be&#x017F;itzt; die&#x017F;e wollen gekannt &#x017F;ein und<lb/>
eine &#x017F;olche Kenntniß läßt &#x017F;ich nur durch &#x017F;ehr lange Uebung erreichen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[360/0372] Werner lichen Sporn nie die ſo leicht verwundbare Flanke, ſondern ſtets den eigenen Sporn zu zeigen. Die moderne Taktik beſteht des- halb in dem Beſtreben der Schiffe, ſtets direct auf den Feind loszudampfen, in nächſter Nähe die Artillerie zur Wirkung zu bringen, einen Spornſtoß zu verſuchen und dabei an dem An- griffspunkte in der Uebermacht zu ſein. Die Angriffsforma- tionen müſſen demnach ſo gewählt werden, daß ſie neben größter Compactheit und Beweglichkeit auch die volle Geſchützwirkung zur Geltung kommen laſſen. Den Schwerpunkt bildet dabei das Manövriren, und man darf die Behauptung aufſtellen, daß ſelbſt eine numeriſch ſchwächere Partei den Sieg davon tragen wird, ſobald ſie mit ihren Schiffen beſſer zu manövriren verſteht. Dies Manövriren mit Panzerſchiffen erfordert aber eben ſo viel ſee- männiſches Geſchick wie lange Uebung. In früheren Zeiten, wo ſich Kriegsſchiffe im Allgemeinen nur durch ihre Größe unterſchieden, ſonſt aber nach denſelben Principien gebaut waren und die bewegende Kraft, der Wind, ſo ziemlich dieſelbe Wirkung auf alle übte, konnte der Comman- dant, welcher heute eine kleine Corvette befehligte, morgen eben- ſo gut mit dem größten Linienſchiffe manövriren. Das hat ſich jetzt geändert; die modernen Panzercoloſſe ſind einmal ſehr ver- ſchieden conſtruirt, um den ſich reißend ſchnell folgenden Er- findungen und Verbeſſerungen Rechnung zu tragen und ſodann manövriren ſie durchaus nicht gleichmäßig. Es iſt bis jetzt der Technik nicht gelungen, ihnen mit Sicherheit diejenigen nautiſchen Eigenſchaften zu geben, wie ſie die früheren Segelſchiffe beſaßen. Von zwei gleich großen Panzern ſteuert der eine gut, der andere ſchlecht, der erſte gebraucht vier Minuten zur Beſchreibung eines Kreiſes, der zweite die doppelte Zeit, jener macht ſchon bei ge- ringem Seegange ſehr tiefe ſeitliche Schwankungen, dieſer nicht. Die modernen Schlachtſchiffe ſind Individuen, von denen jedes ſeine beſonderen Eigenſchaften beſitzt; dieſe wollen gekannt ſein und eine ſolche Kenntniß läßt ſich nur durch ſehr lange Uebung erreichen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/372
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/372>, abgerufen am 20.05.2024.