Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach Westindien und dem Mittelmeer
Wer mag sie hierher verpflanzt haben, dem nordischen Wandrer
zur Freude und zum Labsal? Und wiederum höher, an Kaffee-
pflanzungen vorbei, trugen uns unsere Pferde in dichte Wal-
dungen von Baumfarren, welche die Bergspitzen krönten. Aber
ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den
die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge-
spenstisch schimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab
zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die
Rosen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche schwirrten
und in köstlichem Farbenspiel durch das Grün der Bäume blitzten.

Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden
und genossen nach Herzenslust die Schönheit und Pracht, die
es selbst und seine Umgebung boten. Die liebenswürdige Gast-
freundschaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, diesen
Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde schwer. Wir
blieben noch einige Tage unten in nächster Nähe der Stadt.
Auf einem Hügel hatte dort unser Consul seine Villa erbaut
und sich ein reizendes deutsches Heim geschaffen, in dem wir
fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in
seinem Comptoir waren die einzigen Deutschen in Kingston; in
den übrigen Städten der Insel existiren gar keine, aber man
findet auch sonst sehr wenig Nichtengländer; die commerciellen
Verhältnisse der Insel scheinen für Fremde keine günstigen
Chancen zu bieten.

Nach achttägigem Aufenthalte sagten wir der uns so schnell
lieb gewordenen Insel Lebewohl und steuerten der letzten Station,
Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit
nahte sich dem Ende und es war wünschenswerth, bald den
gesunderen Süden aufzusuchen. Die Reise bot nichts Bemerkens-
werthes; der Passat mit seinem ewig heiteren Himmel brachte
uns bald an den Ort unserer Bestimmung und wir waren nur
noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein
ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.


Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Wer mag ſie hierher verpflanzt haben, dem nordiſchen Wandrer
zur Freude und zum Labſal? Und wiederum höher, an Kaffee-
pflanzungen vorbei, trugen uns unſere Pferde in dichte Wal-
dungen von Baumfarren, welche die Bergſpitzen krönten. Aber
ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den
die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge-
ſpenſtiſch ſchimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab
zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die
Roſen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche ſchwirrten
und in köſtlichem Farbenſpiel durch das Grün der Bäume blitzten.

Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden
und genoſſen nach Herzensluſt die Schönheit und Pracht, die
es ſelbſt und ſeine Umgebung boten. Die liebenswürdige Gaſt-
freundſchaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, dieſen
Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde ſchwer. Wir
blieben noch einige Tage unten in nächſter Nähe der Stadt.
Auf einem Hügel hatte dort unſer Conſul ſeine Villa erbaut
und ſich ein reizendes deutſches Heim geſchaffen, in dem wir
fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in
ſeinem Comptoir waren die einzigen Deutſchen in Kingſton; in
den übrigen Städten der Inſel exiſtiren gar keine, aber man
findet auch ſonſt ſehr wenig Nichtengländer; die commerciellen
Verhältniſſe der Inſel ſcheinen für Fremde keine günſtigen
Chancen zu bieten.

Nach achttägigem Aufenthalte ſagten wir der uns ſo ſchnell
lieb gewordenen Inſel Lebewohl und ſteuerten der letzten Station,
Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit
nahte ſich dem Ende und es war wünſchenswerth, bald den
geſunderen Süden aufzuſuchen. Die Reiſe bot nichts Bemerkens-
werthes; der Paſſat mit ſeinem ewig heiteren Himmel brachte
uns bald an den Ort unſerer Beſtimmung und wir waren nur
noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein
ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="367"/><fw place="top" type="header">Nach We&#x017F;tindien und dem Mittelmeer</fw><lb/>
Wer mag &#x017F;ie hierher verpflanzt haben, dem nordi&#x017F;chen Wandrer<lb/>
zur Freude und zum Lab&#x017F;al? Und wiederum höher, an Kaffee-<lb/>
pflanzungen vorbei, trugen uns un&#x017F;ere Pferde in dichte Wal-<lb/>
dungen von Baumfarren, welche die Berg&#x017F;pitzen krönten. Aber<lb/>
ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den<lb/>
die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;ti&#x017F;ch &#x017F;chimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab<lb/>
zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die<lb/>
Ro&#x017F;en dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche &#x017F;chwirrten<lb/>
und in kö&#x017F;tlichem Farben&#x017F;piel durch das Grün der Bäume blitzten.</p><lb/>
        <p>Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden<lb/>
und geno&#x017F;&#x017F;en nach Herzenslu&#x017F;t die Schönheit und Pracht, die<lb/>
es &#x017F;elb&#x017F;t und &#x017F;eine Umgebung boten. Die liebenswürdige Ga&#x017F;t-<lb/>
freund&#x017F;chaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, die&#x017F;en<lb/>
Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde &#x017F;chwer. Wir<lb/>
blieben noch einige Tage unten in näch&#x017F;ter Nähe der Stadt.<lb/>
Auf einem Hügel hatte dort un&#x017F;er Con&#x017F;ul &#x017F;eine Villa erbaut<lb/>
und &#x017F;ich ein reizendes deut&#x017F;ches Heim ge&#x017F;chaffen, in dem wir<lb/>
fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in<lb/>
&#x017F;einem Comptoir waren die einzigen Deut&#x017F;chen in King&#x017F;ton; in<lb/>
den übrigen Städten der In&#x017F;el exi&#x017F;tiren gar keine, aber man<lb/>
findet auch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr wenig Nichtengländer; die commerciellen<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e der In&#x017F;el &#x017F;cheinen für Fremde keine gün&#x017F;tigen<lb/>
Chancen zu bieten.</p><lb/>
        <p>Nach achttägigem Aufenthalte &#x017F;agten wir der uns &#x017F;o &#x017F;chnell<lb/>
lieb gewordenen In&#x017F;el Lebewohl und &#x017F;teuerten der letzten Station,<lb/>
Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit<lb/>
nahte &#x017F;ich dem Ende und es war wün&#x017F;chenswerth, bald den<lb/>
ge&#x017F;underen Süden aufzu&#x017F;uchen. Die Rei&#x017F;e bot nichts Bemerkens-<lb/>
werthes; der Pa&#x017F;&#x017F;at mit &#x017F;einem ewig heiteren Himmel brachte<lb/>
uns bald an den Ort un&#x017F;erer Be&#x017F;timmung und wir waren nur<lb/>
noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein<lb/>
ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0379] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Wer mag ſie hierher verpflanzt haben, dem nordiſchen Wandrer zur Freude und zum Labſal? Und wiederum höher, an Kaffee- pflanzungen vorbei, trugen uns unſere Pferde in dichte Wal- dungen von Baumfarren, welche die Bergſpitzen krönten. Aber ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge- ſpenſtiſch ſchimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die Roſen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche ſchwirrten und in köſtlichem Farbenſpiel durch das Grün der Bäume blitzten. Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden und genoſſen nach Herzensluſt die Schönheit und Pracht, die es ſelbſt und ſeine Umgebung boten. Die liebenswürdige Gaſt- freundſchaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, dieſen Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde ſchwer. Wir blieben noch einige Tage unten in nächſter Nähe der Stadt. Auf einem Hügel hatte dort unſer Conſul ſeine Villa erbaut und ſich ein reizendes deutſches Heim geſchaffen, in dem wir fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in ſeinem Comptoir waren die einzigen Deutſchen in Kingſton; in den übrigen Städten der Inſel exiſtiren gar keine, aber man findet auch ſonſt ſehr wenig Nichtengländer; die commerciellen Verhältniſſe der Inſel ſcheinen für Fremde keine günſtigen Chancen zu bieten. Nach achttägigem Aufenthalte ſagten wir der uns ſo ſchnell lieb gewordenen Inſel Lebewohl und ſteuerten der letzten Station, Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit nahte ſich dem Ende und es war wünſchenswerth, bald den geſunderen Süden aufzuſuchen. Die Reiſe bot nichts Bemerkens- werthes; der Paſſat mit ſeinem ewig heiteren Himmel brachte uns bald an den Ort unſerer Beſtimmung und wir waren nur noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/379
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/379>, abgerufen am 24.11.2024.