Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Nach Westindien und dem Mittelmeer Wer mag sie hierher verpflanzt haben, dem nordischen Wandrerzur Freude und zum Labsal? Und wiederum höher, an Kaffee- pflanzungen vorbei, trugen uns unsere Pferde in dichte Wal- dungen von Baumfarren, welche die Bergspitzen krönten. Aber ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge- spenstisch schimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die Rosen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche schwirrten und in köstlichem Farbenspiel durch das Grün der Bäume blitzten. Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden Nach achttägigem Aufenthalte sagten wir der uns so schnell Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Wer mag ſie hierher verpflanzt haben, dem nordiſchen Wandrerzur Freude und zum Labſal? Und wiederum höher, an Kaffee- pflanzungen vorbei, trugen uns unſere Pferde in dichte Wal- dungen von Baumfarren, welche die Bergſpitzen krönten. Aber ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge- ſpenſtiſch ſchimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die Roſen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche ſchwirrten und in köſtlichem Farbenſpiel durch das Grün der Bäume blitzten. Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden Nach achttägigem Aufenthalte ſagten wir der uns ſo ſchnell <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0379" n="367"/><fw place="top" type="header">Nach Weſtindien und dem Mittelmeer</fw><lb/> Wer mag ſie hierher verpflanzt haben, dem nordiſchen Wandrer<lb/> zur Freude und zum Labſal? Und wiederum höher, an Kaffee-<lb/> pflanzungen vorbei, trugen uns unſere Pferde in dichte Wal-<lb/> dungen von Baumfarren, welche die Bergſpitzen krönten. Aber<lb/> ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den<lb/> die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge-<lb/> ſpenſtiſch ſchimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab<lb/> zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die<lb/> Roſen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche ſchwirrten<lb/> und in köſtlichem Farbenſpiel durch das Grün der Bäume blitzten.</p><lb/> <p>Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden<lb/> und genoſſen nach Herzensluſt die Schönheit und Pracht, die<lb/> es ſelbſt und ſeine Umgebung boten. Die liebenswürdige Gaſt-<lb/> freundſchaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, dieſen<lb/> Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde ſchwer. Wir<lb/> blieben noch einige Tage unten in nächſter Nähe der Stadt.<lb/> Auf einem Hügel hatte dort unſer Conſul ſeine Villa erbaut<lb/> und ſich ein reizendes deutſches Heim geſchaffen, in dem wir<lb/> fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in<lb/> ſeinem Comptoir waren die einzigen Deutſchen in Kingſton; in<lb/> den übrigen Städten der Inſel exiſtiren gar keine, aber man<lb/> findet auch ſonſt ſehr wenig Nichtengländer; die commerciellen<lb/> Verhältniſſe der Inſel ſcheinen für Fremde keine günſtigen<lb/> Chancen zu bieten.</p><lb/> <p>Nach achttägigem Aufenthalte ſagten wir der uns ſo ſchnell<lb/> lieb gewordenen Inſel Lebewohl und ſteuerten der letzten Station,<lb/> Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit<lb/> nahte ſich dem Ende und es war wünſchenswerth, bald den<lb/> geſunderen Süden aufzuſuchen. Die Reiſe bot nichts Bemerkens-<lb/> werthes; der Paſſat mit ſeinem ewig heiteren Himmel brachte<lb/> uns bald an den Ort unſerer Beſtimmung und wir waren nur<lb/> noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein<lb/> ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [367/0379]
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Wer mag ſie hierher verpflanzt haben, dem nordiſchen Wandrer
zur Freude und zum Labſal? Und wiederum höher, an Kaffee-
pflanzungen vorbei, trugen uns unſere Pferde in dichte Wal-
dungen von Baumfarren, welche die Bergſpitzen krönten. Aber
ein Nebel lagerte auf ihnen und wob einen Schleier, durch den
die Formen der Stämme und Wedel nur undeutlich und ge-
ſpenſtiſch ſchimmerten. Es zog uns wieder thalwärts, hinab
zum Sonnenlicht und zu dem Garten des Gouverneurs, wo die
Roſen dufteten und die Kolibris um die Blüthenkelche ſchwirrten
und in köſtlichem Farbenſpiel durch das Grün der Bäume blitzten.
Vier Tage verweilten wir oben in dem lieblichen Eden
und genoſſen nach Herzensluſt die Schönheit und Pracht, die
es ſelbſt und ſeine Umgebung boten. Die liebenswürdige Gaſt-
freundſchaft des Gouverneurs trug nicht wenig dazu bei, dieſen
Genuß zu erhöhen und das Scheiden wurde ſchwer. Wir
blieben noch einige Tage unten in nächſter Nähe der Stadt.
Auf einem Hügel hatte dort unſer Conſul ſeine Villa erbaut
und ſich ein reizendes deutſches Heim geſchaffen, in dem wir
fröhliche Stunden verbrachten. Er und die jungen Leute in
ſeinem Comptoir waren die einzigen Deutſchen in Kingſton; in
den übrigen Städten der Inſel exiſtiren gar keine, aber man
findet auch ſonſt ſehr wenig Nichtengländer; die commerciellen
Verhältniſſe der Inſel ſcheinen für Fremde keine günſtigen
Chancen zu bieten.
Nach achttägigem Aufenthalte ſagten wir der uns ſo ſchnell
lieb gewordenen Inſel Lebewohl und ſteuerten der letzten Station,
Havannah, zu. Der Winter und damit die gute Jahreszeit
nahte ſich dem Ende und es war wünſchenswerth, bald den
geſunderen Süden aufzuſuchen. Die Reiſe bot nichts Bemerkens-
werthes; der Paſſat mit ſeinem ewig heiteren Himmel brachte
uns bald an den Ort unſerer Beſtimmung und wir waren nur
noch wenige Meilen von Havannah entfernt, als plötzlich ein
ungeahntes furchtbares Unglück uns bedrohte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |