liefen wir voraussichtlich in den Hafen ein, und unter solchen Umständen wurde gewöhnlich die Zahl der zu gebrauchenden Salutkartuschen vorher aus der Pulverkammer genommen und in den Thurm gebracht, da man erstere nicht gern oft öffnet oder länger offen hält, als durchaus nöthig ist. Auch an jenem Tage war ich durch den Batterieofficier gefragt, ob die Kartuschen -- etwa Hundert zu einem halben Kilogramm Ladung -- in den Thurm gebracht werden sollten, jedoch hatte ich befohlen, damit noch zu warten, bis die Mannschaften ihr Mittagsessen eingenommen hätten.
Ich befand mich mit dem wachehabenden Officier auf der vorderen Brücke; die übrigen Officiere waren beim Früh- stück und von der Besatzung nur die wachehabenden Unter- officiere und die Posten auf Deck, alle übrigen beim Essen. Da erschreckte uns auf einmal ein dumpfer Knall, und als ich mich umschaute, stand der Commandothurm in Flammen, d. h. durch die Spalte zwischen Dach und Wänden und durch die Thüre schlug das Feuer meterhoch empor und spielte in allen Farben -- die 1200 Costonlichte hatten sich selbst ent- zündet. Es war ein kritischer Moment, denn wenn auch der Thurm unter gewöhnlichen Umständen eine gewisse Sicherheit gegen Verbreitung des Feuers gab, so gewann das letztere jetzt in den Signallichtern eine außergewöhnliche Speise und es brach aus den Oeffnungen mit solcher Gewalt hervor, daß die in der Nähe ausgespannten Sonnensegel auf das Aeußerste gefährdet waren. Es galt deshalb zunächst, diese zu entfernen, denn fingen sie Feuer, so wurde die Sache schlimm.
Mit den auf dem Oberdeck von Kriegsschiffen für der- gleichen Fälle stets zur Hand befindlichen Beilen wurden augen- blicklich die Haltetaue der Sonnensegel gekappt und damit die Hauptgefahr beseitigt. Inzwischen ertönte auch das Feuersignal, kurze Doppelschläge der Schiffsglocke, und die Mannschaft flog auf ihre Posten. Der schlimmste Feind des Seemannes ist Feuer im Schiff, und die erste Rolle, in der er an Bord eingeübt
R. Werner, Erinnerungen. 24
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
liefen wir vorausſichtlich in den Hafen ein, und unter ſolchen Umſtänden wurde gewöhnlich die Zahl der zu gebrauchenden Salutkartuſchen vorher aus der Pulverkammer genommen und in den Thurm gebracht, da man erſtere nicht gern oft öffnet oder länger offen hält, als durchaus nöthig iſt. Auch an jenem Tage war ich durch den Batterieofficier gefragt, ob die Kartuſchen — etwa Hundert zu einem halben Kilogramm Ladung — in den Thurm gebracht werden ſollten, jedoch hatte ich befohlen, damit noch zu warten, bis die Mannſchaften ihr Mittagseſſen eingenommen hätten.
Ich befand mich mit dem wachehabenden Officier auf der vorderen Brücke; die übrigen Officiere waren beim Früh- ſtück und von der Beſatzung nur die wachehabenden Unter- officiere und die Poſten auf Deck, alle übrigen beim Eſſen. Da erſchreckte uns auf einmal ein dumpfer Knall, und als ich mich umſchaute, ſtand der Commandothurm in Flammen, d. h. durch die Spalte zwiſchen Dach und Wänden und durch die Thüre ſchlug das Feuer meterhoch empor und ſpielte in allen Farben — die 1200 Coſtonlichte hatten ſich ſelbſt ent- zündet. Es war ein kritiſcher Moment, denn wenn auch der Thurm unter gewöhnlichen Umſtänden eine gewiſſe Sicherheit gegen Verbreitung des Feuers gab, ſo gewann das letztere jetzt in den Signallichtern eine außergewöhnliche Speiſe und es brach aus den Oeffnungen mit ſolcher Gewalt hervor, daß die in der Nähe ausgeſpannten Sonnenſegel auf das Aeußerſte gefährdet waren. Es galt deshalb zunächſt, dieſe zu entfernen, denn fingen ſie Feuer, ſo wurde die Sache ſchlimm.
Mit den auf dem Oberdeck von Kriegsſchiffen für der- gleichen Fälle ſtets zur Hand befindlichen Beilen wurden augen- blicklich die Haltetaue der Sonnenſegel gekappt und damit die Hauptgefahr beſeitigt. Inzwiſchen ertönte auch das Feuerſignal, kurze Doppelſchläge der Schiffsglocke, und die Mannſchaft flog auf ihre Poſten. Der ſchlimmſte Feind des Seemannes iſt Feuer im Schiff, und die erſte Rolle, in der er an Bord eingeübt
R. Werner, Erinnerungen. 24
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Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
liefen wir vorausſichtlich in den Hafen ein, und unter ſolchen
Umſtänden wurde gewöhnlich die Zahl der zu gebrauchenden
Salutkartuſchen vorher aus der Pulverkammer genommen und in
den Thurm gebracht, da man erſtere nicht gern oft öffnet oder
länger offen hält, als durchaus nöthig iſt. Auch an jenem Tage war
ich durch den Batterieofficier gefragt, ob die Kartuſchen — etwa
Hundert zu einem halben Kilogramm Ladung — in den Thurm
gebracht werden ſollten, jedoch hatte ich befohlen, damit noch zu
warten, bis die Mannſchaften ihr Mittagseſſen eingenommen hätten.
Ich befand mich mit dem wachehabenden Officier auf
der vorderen Brücke; die übrigen Officiere waren beim Früh-
ſtück und von der Beſatzung nur die wachehabenden Unter-
officiere und die Poſten auf Deck, alle übrigen beim Eſſen.
Da erſchreckte uns auf einmal ein dumpfer Knall, und als
ich mich umſchaute, ſtand der Commandothurm in Flammen,
d. h. durch die Spalte zwiſchen Dach und Wänden und durch
die Thüre ſchlug das Feuer meterhoch empor und ſpielte in
allen Farben — die 1200 Coſtonlichte hatten ſich ſelbſt ent-
zündet. Es war ein kritiſcher Moment, denn wenn auch der
Thurm unter gewöhnlichen Umſtänden eine gewiſſe Sicherheit
gegen Verbreitung des Feuers gab, ſo gewann das letztere jetzt
in den Signallichtern eine außergewöhnliche Speiſe und es brach
aus den Oeffnungen mit ſolcher Gewalt hervor, daß die in der
Nähe ausgeſpannten Sonnenſegel auf das Aeußerſte gefährdet
waren. Es galt deshalb zunächſt, dieſe zu entfernen, denn
fingen ſie Feuer, ſo wurde die Sache ſchlimm.
Mit den auf dem Oberdeck von Kriegsſchiffen für der-
gleichen Fälle ſtets zur Hand befindlichen Beilen wurden augen-
blicklich die Haltetaue der Sonnenſegel gekappt und damit die
Hauptgefahr beſeitigt. Inzwiſchen ertönte auch das Feuerſignal,
kurze Doppelſchläge der Schiffsglocke, und die Mannſchaft flog
auf ihre Poſten. Der ſchlimmſte Feind des Seemannes iſt Feuer
im Schiff, und die erſte Rolle, in der er an Bord eingeübt
R. Werner, Erinnerungen. 24
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/381>, abgerufen am 27.07.2024.
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