Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Eine erste Seereise Nacht das Deck nicht verlassen hatte und in dessen Gesicht icheine gewisse Unruhe wahrzunehmen glaubte. Mein Blick fiel auf das Wasser. Es sah so sonderbar weißlich aus; alle die Tage hatte ich seine schöne smaragdgrüne Farbe bewundert. "Flink mit dem Loth" rief der Bootsmann den Leuten zu und sprang mit der Leine in der Hand mittschiffs auf die Ver- schanzung. Auch in seinen Zügen schien sich Besorgniß auszusprechen. "Was ist Bootsmann?" fragte ich. "Leegerwall*!" war seine kurze Antwort, die mich jedoch "Paß auf, achter**!" erklang es vom Fockwant*** her Der Bootsmann ließ die Leine durch die Hand gleiten Der Kapitän sah die Grundprobe an, die das Loth herauf- * Land unter dem Winde. ** Hinten. *** Haltetaue des vordersten (Fock) Mastes.
Eine erſte Seereiſe Nacht das Deck nicht verlaſſen hatte und in deſſen Geſicht icheine gewiſſe Unruhe wahrzunehmen glaubte. Mein Blick fiel auf das Waſſer. Es ſah ſo ſonderbar weißlich aus; alle die Tage hatte ich ſeine ſchöne ſmaragdgrüne Farbe bewundert. „Flink mit dem Loth“ rief der Bootsmann den Leuten zu und ſprang mit der Leine in der Hand mittſchiffs auf die Ver- ſchanzung. Auch in ſeinen Zügen ſchien ſich Beſorgniß auszuſprechen. „Was iſt Bootsmann?“ fragte ich. „Leegerwall*!“ war ſeine kurze Antwort, die mich jedoch „Paß auf, achter**!“ erklang es vom Fockwant*** her Der Bootsmann ließ die Leine durch die Hand gleiten Der Kapitän ſah die Grundprobe an, die das Loth herauf- * Land unter dem Winde. ** Hinten. *** Haltetaue des vorderſten (Fock) Maſtes.
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Eine erſte Seereiſe
Nacht das Deck nicht verlaſſen hatte und in deſſen Geſicht ich
eine gewiſſe Unruhe wahrzunehmen glaubte. Mein Blick fiel
auf das Waſſer. Es ſah ſo ſonderbar weißlich aus; alle die
Tage hatte ich ſeine ſchöne ſmaragdgrüne Farbe bewundert.
„Flink mit dem Loth“ rief der Bootsmann den Leuten zu und
ſprang mit der Leine in der Hand mittſchiffs auf die Ver-
ſchanzung. Auch in ſeinen Zügen ſchien ſich Beſorgniß auszuſprechen.
„Was iſt Bootsmann?“ fragte ich.
„Leegerwall *!“ war ſeine kurze Antwort, die mich jedoch
ſo klug ließ wie vorher.
„Paß auf, achter **!“ erklang es vom Fockwant *** her
und der dort poſtirte Mann warf das Loth.
Der Bootsmann ließ die Leine durch die Hand gleiten
und holte, als ſie auf und nieder zeigte, mit großer Haſt das
Loſe ein. Ein Lederläppchen, das in der Leine befeſtigt war,
ſchnitt mit der Waſſerfläche ab. „Zehn Faden!“ ſagte er zu
dem herangetretenen Kapitän und wechſelte mit ihm einen be-
deutungsvollen Blick. Ich weiß nicht, weshalb die beiden Worte
mich ſo eigenthümlich erſchreckten. Sechzig Fuß Waſſer war
ja tief genug für irgend welches Schiff. „Land in Lee!“ rief
jetzt ein Matroſe und aller Blicke wandten ſich nach der be-
zeichneten Richtung. Ein niedriger grauer Streifen trat aus
der ſich verziehenden Bö hervor, wir konnten kaum noch zwei
Meilen von der Küſte entfernt ſein. Jetzt wurde mir auf ein-
mal die Bedeutung von „Leegerwall“ klar. Wir waren auf
einer Leeküſte beſetzt. Die Milchfarbe des Waſſers hatte die
geringe Tiefe angezeigt; ſie war der Reflex des hellen Sandgrundes.
Der Kapitän ſah die Grundprobe an, die das Loth herauf-
gebracht hatte. „Es ſtimmt mit dem Beſteck“ äußerte er
anſcheinend ruhig zum Oberſteuermann, „wir haben Texel“.
* Land unter dem Winde.
** Hinten.
*** Haltetaue des vorderſten (Fock) Maſtes.
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