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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
zeugung gewonnen, daß unsere gesammte Mannschaft seemännisch
tüchtig war und er sich auf sie in kritischen Augenblicken sicher
verlassen konnte. Was mich selbst betraf, so konnte natürlich von
eigener seemännischer Tüchtigkeit noch keine Rede sein, aber es war
ihm wahrscheinlich nicht entgangen, daß ich versucht hatte, meine
Schuldigkeit zu thun und daß es mir weder an dem nöthigen
Willen, noch an den Anlagen fehlte, um ein Seemann zu werden.

In jener Zeit gingen sehr wenige junge Leute aus dem
Binnenlande zur See. Die Schiffe recrutirten ihre Besatzungen
fast ausschließlich aus den Küstendistricten und "Oberländer" oder
"Schweizer", wie der Bootsmann sie nannte, wurden nicht nur
von ihren Vorgesetzten, auch von ihren Kameraden mit einem
gewissen Vorurtheil empfangen, namentlich wenn sie einen höheren
Bildungsgrad besaßen. Man betrachtete sie als unberechtigte
Eindringlinge und machte ihnen das Leben auf jede Weise schwer,
bis sie zeigten, daß sie "fixe Kerle" waren.

Dadurch, daß ich mir die Zuneigung des Bootsmannes
erworben, war allmälig meine Stellung den Matrosen gegenüber
eine günstigere geworden. Er wurde von ihnen willig als der
"fixeste Kerl" an Bord anerkannt und genoß ungetheilte Achtung.
Man wagte deshalb nicht so mit mir, seinem Schützlinge, um-
zugehen, wie es zu jener Zeit allgemein geschah und vielfach
auch noch jetzt der Fall ist, d. h. die Schiffsjungen als die
Diener eines Jeden an Bord zu betrachten und von ihnen nach
allen Richtungen und in rüder Weise Gehorsam zu verlangen.
Ich wurde stillschweigend von jenen Dienstleistungen befreit, die
nicht unmittelbar mit meinem seemännischen Berufe in Zusammen-
hang standen und wenn die Matrosen natürlich auch eifersüchtig
darüber wachten, daß ich sie als Respectspersonen betrachtete
und sie mit "Ihr" anredete, so traten sie mir doch allmälig mehr
als Kameraden entgegen und beantworteten nicht nur meine
Fragen freundlich und eingehend, sondern unterhielten sich aus
freien Stücken auf der Wache mit mir. Im Allgemeinen waren

Eine erſte Seereiſe
zeugung gewonnen, daß unſere geſammte Mannſchaft ſeemänniſch
tüchtig war und er ſich auf ſie in kritiſchen Augenblicken ſicher
verlaſſen konnte. Was mich ſelbſt betraf, ſo konnte natürlich von
eigener ſeemänniſcher Tüchtigkeit noch keine Rede ſein, aber es war
ihm wahrſcheinlich nicht entgangen, daß ich verſucht hatte, meine
Schuldigkeit zu thun und daß es mir weder an dem nöthigen
Willen, noch an den Anlagen fehlte, um ein Seemann zu werden.

In jener Zeit gingen ſehr wenige junge Leute aus dem
Binnenlande zur See. Die Schiffe recrutirten ihre Beſatzungen
faſt ausſchließlich aus den Küſtendiſtricten und „Oberländer“ oder
„Schweizer“, wie der Bootsmann ſie nannte, wurden nicht nur
von ihren Vorgeſetzten, auch von ihren Kameraden mit einem
gewiſſen Vorurtheil empfangen, namentlich wenn ſie einen höheren
Bildungsgrad beſaßen. Man betrachtete ſie als unberechtigte
Eindringlinge und machte ihnen das Leben auf jede Weiſe ſchwer,
bis ſie zeigten, daß ſie „fixe Kerle“ waren.

Dadurch, daß ich mir die Zuneigung des Bootsmannes
erworben, war allmälig meine Stellung den Matroſen gegenüber
eine günſtigere geworden. Er wurde von ihnen willig als der
„fixeſte Kerl“ an Bord anerkannt und genoß ungetheilte Achtung.
Man wagte deshalb nicht ſo mit mir, ſeinem Schützlinge, um-
zugehen, wie es zu jener Zeit allgemein geſchah und vielfach
auch noch jetzt der Fall iſt, d. h. die Schiffsjungen als die
Diener eines Jeden an Bord zu betrachten und von ihnen nach
allen Richtungen und in rüder Weiſe Gehorſam zu verlangen.
Ich wurde ſtillſchweigend von jenen Dienſtleiſtungen befreit, die
nicht unmittelbar mit meinem ſeemänniſchen Berufe in Zuſammen-
hang ſtanden und wenn die Matroſen natürlich auch eiferſüchtig
darüber wachten, daß ich ſie als Reſpectsperſonen betrachtete
und ſie mit „Ihr“ anredete, ſo traten ſie mir doch allmälig mehr
als Kameraden entgegen und beantworteten nicht nur meine
Fragen freundlich und eingehend, ſondern unterhielten ſich aus
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[41/0053] Eine erſte Seereiſe zeugung gewonnen, daß unſere geſammte Mannſchaft ſeemänniſch tüchtig war und er ſich auf ſie in kritiſchen Augenblicken ſicher verlaſſen konnte. Was mich ſelbſt betraf, ſo konnte natürlich von eigener ſeemänniſcher Tüchtigkeit noch keine Rede ſein, aber es war ihm wahrſcheinlich nicht entgangen, daß ich verſucht hatte, meine Schuldigkeit zu thun und daß es mir weder an dem nöthigen Willen, noch an den Anlagen fehlte, um ein Seemann zu werden. In jener Zeit gingen ſehr wenige junge Leute aus dem Binnenlande zur See. Die Schiffe recrutirten ihre Beſatzungen faſt ausſchließlich aus den Küſtendiſtricten und „Oberländer“ oder „Schweizer“, wie der Bootsmann ſie nannte, wurden nicht nur von ihren Vorgeſetzten, auch von ihren Kameraden mit einem gewiſſen Vorurtheil empfangen, namentlich wenn ſie einen höheren Bildungsgrad beſaßen. Man betrachtete ſie als unberechtigte Eindringlinge und machte ihnen das Leben auf jede Weiſe ſchwer, bis ſie zeigten, daß ſie „fixe Kerle“ waren. Dadurch, daß ich mir die Zuneigung des Bootsmannes erworben, war allmälig meine Stellung den Matroſen gegenüber eine günſtigere geworden. Er wurde von ihnen willig als der „fixeſte Kerl“ an Bord anerkannt und genoß ungetheilte Achtung. Man wagte deshalb nicht ſo mit mir, ſeinem Schützlinge, um- zugehen, wie es zu jener Zeit allgemein geſchah und vielfach auch noch jetzt der Fall iſt, d. h. die Schiffsjungen als die Diener eines Jeden an Bord zu betrachten und von ihnen nach allen Richtungen und in rüder Weiſe Gehorſam zu verlangen. Ich wurde ſtillſchweigend von jenen Dienſtleiſtungen befreit, die nicht unmittelbar mit meinem ſeemänniſchen Berufe in Zuſammen- hang ſtanden und wenn die Matroſen natürlich auch eiferſüchtig darüber wachten, daß ich ſie als Reſpectsperſonen betrachtete und ſie mit „Ihr“ anredete, ſo traten ſie mir doch allmälig mehr als Kameraden entgegen und beantworteten nicht nur meine Fragen freundlich und eingehend, ſondern unterhielten ſich aus freien Stücken auf der Wache mit mir. Im Allgemeinen waren

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/53>, abgerufen am 24.11.2024.