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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
Backlegen der Segel wurde die geringe Fahrt des Schiffes
gänzlich gehemmt und dann ein Boot zu Wasser gelassen. Wenn
Schildkröten sich längere Zeit an der Oberfläche des Wassers
zeigen, so schlafen sie gewöhnlich und man muß sich ihnen
sehr geräuschlos nähern, um sie nicht vorzeitig zu wecken. In
einer Entfernung von 15--20 Metern geben die Ruderer dem
Boote noch mit aller Kraft eine letzte Vorwärtsbewegung und
lassen es damit laufen. Es ist danach Aufgabe des Mannes
am Steuer, das Boot genau auf das Thier zu dirigiren, da
davon der Fang abhängig ist. Vorn im Boot steht der Mann
mit dem Schildkrötennetz, einem sehr einfachen Instrumente.
Zwei Stangen, gewöhnlich Bootshaken, werden wie ein Andreas-
kreuz über einander gebunden. Zwischen den beiden äußern
und kürzeren Scheeren wird ein grobmaschiges Netz sackartig,
aber nicht zu tief herabhängend, befestigt, die längere Scheere
dient als Handhabe und der Steven des Bootes als Stützpunkt.
Die ganze Kunst besteht dann darin, das Netz in dem richtigen
Augenblicke so weit zu senken, daß man damit die Schildkröte
unterfährt, und danach es sofort wieder über Wasser und in
das Boot zu heben. Dort legt man das Thier auf den
Rücken, um es gänzlich unschädlich zu machen, muß sich jedoch
in Acht nehmen, nicht seinem Maule nah zu kommen. Mit
den einem Papageischnabel ähnlich geformten und messerartig
scharfen Hornkiefern schnappt es um sich und ist im Stande
einen Fuß- oder Armknochen morsch abzubeißen.

Der Bootsmann handhabte das Netz und im Verein mit
dem geschickten Steuern des Untersteuermanns gelang es, nicht
nur die beiden vorhin gesehenen, sondern noch eine dritte Schild-
kröte zu fangen, die wir später entdeckten. Dann frischte die
Briese auf, das glatte Wasser wurde rauh und wir mußten an
Bord zurück. Die gefangenen Thiere hatten ungefähr gleiche
Größe, wogen zwischen 40--50 Pfund und gaben für die
ganze Besatzung verschiedene wohlschmeckende Mahlzeiten. Ich

R. Werner, Erinnerungen. 4

Eine erſte Seereiſe
Backlegen der Segel wurde die geringe Fahrt des Schiffes
gänzlich gehemmt und dann ein Boot zu Waſſer gelaſſen. Wenn
Schildkröten ſich längere Zeit an der Oberfläche des Waſſers
zeigen, ſo ſchlafen ſie gewöhnlich und man muß ſich ihnen
ſehr geräuſchlos nähern, um ſie nicht vorzeitig zu wecken. In
einer Entfernung von 15—20 Metern geben die Ruderer dem
Boote noch mit aller Kraft eine letzte Vorwärtsbewegung und
laſſen es damit laufen. Es iſt danach Aufgabe des Mannes
am Steuer, das Boot genau auf das Thier zu dirigiren, da
davon der Fang abhängig iſt. Vorn im Boot ſteht der Mann
mit dem Schildkrötennetz, einem ſehr einfachen Inſtrumente.
Zwei Stangen, gewöhnlich Bootshaken, werden wie ein Andreas-
kreuz über einander gebunden. Zwiſchen den beiden äußern
und kürzeren Scheeren wird ein grobmaſchiges Netz ſackartig,
aber nicht zu tief herabhängend, befeſtigt, die längere Scheere
dient als Handhabe und der Steven des Bootes als Stützpunkt.
Die ganze Kunſt beſteht dann darin, das Netz in dem richtigen
Augenblicke ſo weit zu ſenken, daß man damit die Schildkröte
unterfährt, und danach es ſofort wieder über Waſſer und in
das Boot zu heben. Dort legt man das Thier auf den
Rücken, um es gänzlich unſchädlich zu machen, muß ſich jedoch
in Acht nehmen, nicht ſeinem Maule nah zu kommen. Mit
den einem Papageiſchnabel ähnlich geformten und meſſerartig
ſcharfen Hornkiefern ſchnappt es um ſich und iſt im Stande
einen Fuß- oder Armknochen morſch abzubeißen.

Der Bootsmann handhabte das Netz und im Verein mit
dem geſchickten Steuern des Unterſteuermanns gelang es, nicht
nur die beiden vorhin geſehenen, ſondern noch eine dritte Schild-
kröte zu fangen, die wir ſpäter entdeckten. Dann friſchte die
Brieſe auf, das glatte Waſſer wurde rauh und wir mußten an
Bord zurück. Die gefangenen Thiere hatten ungefähr gleiche
Größe, wogen zwiſchen 40—50 Pfund und gaben für die
ganze Beſatzung verſchiedene wohlſchmeckende Mahlzeiten. Ich

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[49/0061] Eine erſte Seereiſe Backlegen der Segel wurde die geringe Fahrt des Schiffes gänzlich gehemmt und dann ein Boot zu Waſſer gelaſſen. Wenn Schildkröten ſich längere Zeit an der Oberfläche des Waſſers zeigen, ſo ſchlafen ſie gewöhnlich und man muß ſich ihnen ſehr geräuſchlos nähern, um ſie nicht vorzeitig zu wecken. In einer Entfernung von 15—20 Metern geben die Ruderer dem Boote noch mit aller Kraft eine letzte Vorwärtsbewegung und laſſen es damit laufen. Es iſt danach Aufgabe des Mannes am Steuer, das Boot genau auf das Thier zu dirigiren, da davon der Fang abhängig iſt. Vorn im Boot ſteht der Mann mit dem Schildkrötennetz, einem ſehr einfachen Inſtrumente. Zwei Stangen, gewöhnlich Bootshaken, werden wie ein Andreas- kreuz über einander gebunden. Zwiſchen den beiden äußern und kürzeren Scheeren wird ein grobmaſchiges Netz ſackartig, aber nicht zu tief herabhängend, befeſtigt, die längere Scheere dient als Handhabe und der Steven des Bootes als Stützpunkt. Die ganze Kunſt beſteht dann darin, das Netz in dem richtigen Augenblicke ſo weit zu ſenken, daß man damit die Schildkröte unterfährt, und danach es ſofort wieder über Waſſer und in das Boot zu heben. Dort legt man das Thier auf den Rücken, um es gänzlich unſchädlich zu machen, muß ſich jedoch in Acht nehmen, nicht ſeinem Maule nah zu kommen. Mit den einem Papageiſchnabel ähnlich geformten und meſſerartig ſcharfen Hornkiefern ſchnappt es um ſich und iſt im Stande einen Fuß- oder Armknochen morſch abzubeißen. Der Bootsmann handhabte das Netz und im Verein mit dem geſchickten Steuern des Unterſteuermanns gelang es, nicht nur die beiden vorhin geſehenen, ſondern noch eine dritte Schild- kröte zu fangen, die wir ſpäter entdeckten. Dann friſchte die Brieſe auf, das glatte Waſſer wurde rauh und wir mußten an Bord zurück. Die gefangenen Thiere hatten ungefähr gleiche Größe, wogen zwiſchen 40—50 Pfund und gaben für die ganze Beſatzung verſchiedene wohlſchmeckende Mahlzeiten. Ich R. Werner, Erinnerungen. 4

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/61>, abgerufen am 21.11.2024.