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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise
gewähren. Und doch sollte man es kaum glauben, daß mir
Befehlshaber vorgekommen sind, welche, mit einem Destillirapparat
ausgerüstet, denselben nicht in Thätigkeit treten ließen und die
Mannschaften in tropischer Sonnengluth auf schärfste Wasser-
ration setzten, sodaß den Armen die lechzende Zunge am Gaumen
klebte -- nur, um die für den Betrieb des Apparates erforder-
lichen wenigen Kohlen zu sparen! Solche Leute dürfen sich
dann allerdings auch nicht wundern, wenn sie den wüthendsten
Haß ihrer Untergebenen ernten.

Als wir später das Cap der guten Hoffnung passirt hatten
und wiederum in die heiße Zone kamen, machte das Wasser den
Fäulnißprozeß zum zweiten Male, wenn auch in geringerem
Grade durch. Danach blieb es dann gut und klar, nahm jedoch
eine gelbliche Farbe wie Rheinwein an. Ich habe von solchem
Wasser getrunken, das 8--10 Jahre unangerührt in den Reserve-
fässern gelegen hatte, aber vollkommen gut war und durchaus
rein schmeckte.

Ebensowenig wie bei dem Wasser durfte und darf auch
heute noch der Kauffartei-Matrose bei seinem Speisen wählerisch
sein und Feinschmecker finden ihre Rechnung nicht an Bord.
Auf Schiffen mit anständigen Rhedern, zu denen das unsere
gehörte, war die Verpflegung an sich eine auskömmliche und
relativ gute, aber die Verhältnisse bringen es einmal mit
sich, daß weniger auf Wohlgeschmack, als darauf gesehen
wird, daß die mitgenommenen Proviantartikel sich ein Jahr und
länger halten und dann den erforderlichen Nahrungsstoff besitzen,
um dem Seemanne zu seinem schweren arbeitsreichen Beruf auch
die nöthigen Kräfte zuzuführen.

Unter solchen Umständen ist die Auswahl eine geringe und
das toujours perdrix natürlich. Viermal in der Woche gab
es zu Mittag Erbsen, zur Abwechselung allerdings nur zwei-
mal gelbe, einmal grüne und einmal graue, dann einmal weiße
Bohnen und zweimal Pudding. Das letztere klingt nun zwar

Eine erſte Seereiſe
gewähren. Und doch ſollte man es kaum glauben, daß mir
Befehlshaber vorgekommen ſind, welche, mit einem Deſtillirapparat
ausgerüſtet, denſelben nicht in Thätigkeit treten ließen und die
Mannſchaften in tropiſcher Sonnengluth auf ſchärfſte Waſſer-
ration ſetzten, ſodaß den Armen die lechzende Zunge am Gaumen
klebte — nur, um die für den Betrieb des Apparates erforder-
lichen wenigen Kohlen zu ſparen! Solche Leute dürfen ſich
dann allerdings auch nicht wundern, wenn ſie den wüthendſten
Haß ihrer Untergebenen ernten.

Als wir ſpäter das Cap der guten Hoffnung paſſirt hatten
und wiederum in die heiße Zone kamen, machte das Waſſer den
Fäulnißprozeß zum zweiten Male, wenn auch in geringerem
Grade durch. Danach blieb es dann gut und klar, nahm jedoch
eine gelbliche Farbe wie Rheinwein an. Ich habe von ſolchem
Waſſer getrunken, das 8—10 Jahre unangerührt in den Reſerve-
fäſſern gelegen hatte, aber vollkommen gut war und durchaus
rein ſchmeckte.

Ebenſowenig wie bei dem Waſſer durfte und darf auch
heute noch der Kauffartei-Matroſe bei ſeinem Speiſen wähleriſch
ſein und Feinſchmecker finden ihre Rechnung nicht an Bord.
Auf Schiffen mit anſtändigen Rhedern, zu denen das unſere
gehörte, war die Verpflegung an ſich eine auskömmliche und
relativ gute, aber die Verhältniſſe bringen es einmal mit
ſich, daß weniger auf Wohlgeſchmack, als darauf geſehen
wird, daß die mitgenommenen Proviantartikel ſich ein Jahr und
länger halten und dann den erforderlichen Nahrungsſtoff beſitzen,
um dem Seemanne zu ſeinem ſchweren arbeitsreichen Beruf auch
die nöthigen Kräfte zuzuführen.

Unter ſolchen Umſtänden iſt die Auswahl eine geringe und
das toujours perdrix natürlich. Viermal in der Woche gab
es zu Mittag Erbſen, zur Abwechſelung allerdings nur zwei-
mal gelbe, einmal grüne und einmal graue, dann einmal weiße
Bohnen und zweimal Pudding. Das letztere klingt nun zwar

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[63/0075] Eine erſte Seereiſe gewähren. Und doch ſollte man es kaum glauben, daß mir Befehlshaber vorgekommen ſind, welche, mit einem Deſtillirapparat ausgerüſtet, denſelben nicht in Thätigkeit treten ließen und die Mannſchaften in tropiſcher Sonnengluth auf ſchärfſte Waſſer- ration ſetzten, ſodaß den Armen die lechzende Zunge am Gaumen klebte — nur, um die für den Betrieb des Apparates erforder- lichen wenigen Kohlen zu ſparen! Solche Leute dürfen ſich dann allerdings auch nicht wundern, wenn ſie den wüthendſten Haß ihrer Untergebenen ernten. Als wir ſpäter das Cap der guten Hoffnung paſſirt hatten und wiederum in die heiße Zone kamen, machte das Waſſer den Fäulnißprozeß zum zweiten Male, wenn auch in geringerem Grade durch. Danach blieb es dann gut und klar, nahm jedoch eine gelbliche Farbe wie Rheinwein an. Ich habe von ſolchem Waſſer getrunken, das 8—10 Jahre unangerührt in den Reſerve- fäſſern gelegen hatte, aber vollkommen gut war und durchaus rein ſchmeckte. Ebenſowenig wie bei dem Waſſer durfte und darf auch heute noch der Kauffartei-Matroſe bei ſeinem Speiſen wähleriſch ſein und Feinſchmecker finden ihre Rechnung nicht an Bord. Auf Schiffen mit anſtändigen Rhedern, zu denen das unſere gehörte, war die Verpflegung an ſich eine auskömmliche und relativ gute, aber die Verhältniſſe bringen es einmal mit ſich, daß weniger auf Wohlgeſchmack, als darauf geſehen wird, daß die mitgenommenen Proviantartikel ſich ein Jahr und länger halten und dann den erforderlichen Nahrungsſtoff beſitzen, um dem Seemanne zu ſeinem ſchweren arbeitsreichen Beruf auch die nöthigen Kräfte zuzuführen. Unter ſolchen Umſtänden iſt die Auswahl eine geringe und das toujours perdrix natürlich. Viermal in der Woche gab es zu Mittag Erbſen, zur Abwechſelung allerdings nur zwei- mal gelbe, einmal grüne und einmal graue, dann einmal weiße Bohnen und zweimal Pudding. Das letztere klingt nun zwar

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/75>, abgerufen am 24.11.2024.