Wetzel, Franz Xaver: Reisebegleiter für Jünglinge. Ravensburg, [1901].die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn- Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn- Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" xml:id="W544R3_001_1901_pb0004_0001" n="4"/> die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn-<lb/> steine von mehr als 5000 Fabriken ragen in die<lb/> Luft. Das gesamte Arbeiterheer Berlins reicht<lb/> über 600000 hinaus. Da muß doch für jeden,<lb/> der gesunde Augen und starke Arme hat, Arbeit<lb/> und Brot zu finden sein! –</p> <p>Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den<lb/> Städten zuströmen, je mehr Arbeitskräfte zur Ver-<lb/> fügung stehen, desto tiefer wird der Lohn herab-<lb/> gedrückt, desto größer ist die Zahl der Arbeits-<lb/> und Stellenlosen. Und erst bei flauem oder schlechtem<lb/> Geschäftsgange, wenn 100 und 100 Arbeiter auf<lb/> einmal entlassen werden, was dann? Allein,<lb/> ohne Verdienst, ohne Bekannte und Freunde, ohne<lb/> Rat und Hilfe stehen die Armen da in der großen<lb/> Stadt. Die letzten ersparten Pfennige gehen zu<lb/> Ende. Kein Hoffnungsstern blinkt. An mehr als<lb/> hundert Thüren hat man sie kalt und trocken abge-<lb/> wiesen. Was thun? <hi rendition="#g">Entweder heimkehren<lb/> oder der Verzweiflung sich in die Arme<lb/> werfen</hi>. Das ist das Schicksal von Tausenden.<lb/> Jene aber sind selten, die es über sich bringen,<lb/> wieder die Heimat aufzusuchen. Jene sind selten,<lb/> die in ihrer Notlage vertrauensvoll an den Seel-<lb/> sorger des Pfarrdorfes sich wenden und ihn um<lb/> Rat und Hilfe bitten. Einmal habe ich einen<lb/> solchen Brief erhalten, von einem Jünglinge, der<lb/> mit 16 Jahren, gegen meinen und der Eltern<lb/> Willen, nach Chemnitz gegangen war. Ein Mit-<lb/> schüler hatte ihm von dort geschrieben, wie viel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0010]
die Vorstädte mitgerechnet, 2600000. Die Schorn-
steine von mehr als 5000 Fabriken ragen in die
Luft. Das gesamte Arbeiterheer Berlins reicht
über 600000 hinaus. Da muß doch für jeden,
der gesunde Augen und starke Arme hat, Arbeit
und Brot zu finden sein! –
Und doch ist es nicht so. Je mehr Leute den
Städten zuströmen, je mehr Arbeitskräfte zur Ver-
fügung stehen, desto tiefer wird der Lohn herab-
gedrückt, desto größer ist die Zahl der Arbeits-
und Stellenlosen. Und erst bei flauem oder schlechtem
Geschäftsgange, wenn 100 und 100 Arbeiter auf
einmal entlassen werden, was dann? Allein,
ohne Verdienst, ohne Bekannte und Freunde, ohne
Rat und Hilfe stehen die Armen da in der großen
Stadt. Die letzten ersparten Pfennige gehen zu
Ende. Kein Hoffnungsstern blinkt. An mehr als
hundert Thüren hat man sie kalt und trocken abge-
wiesen. Was thun? Entweder heimkehren
oder der Verzweiflung sich in die Arme
werfen. Das ist das Schicksal von Tausenden.
Jene aber sind selten, die es über sich bringen,
wieder die Heimat aufzusuchen. Jene sind selten,
die in ihrer Notlage vertrauensvoll an den Seel-
sorger des Pfarrdorfes sich wenden und ihn um
Rat und Hilfe bitten. Einmal habe ich einen
solchen Brief erhalten, von einem Jünglinge, der
mit 16 Jahren, gegen meinen und der Eltern
Willen, nach Chemnitz gegangen war. Ein Mit-
schüler hatte ihm von dort geschrieben, wie viel
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