ohne weitläuftige Streitigkeiten nicht gesche- hen konnte. Eine Dame ist für die Kämpfe der Liebe, aber nicht für die Kämpfe der Ge- rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem Rechte bis zu einer beträchtlichen Schmäle- rung meines Vermögens nach, um zur Ruhe zu gelangen. Umsonst schmeichelte ich mir mit dieser Hoffnung: seine Erben machten auf einmal, schon einige Zeit nach dem Tode meines Mannes, einen Prozeß wider mich an- hängig, worinne sie mir die Vergiftung mei- nes Mannes schuld gaben. So rein ich mein Gewissen fühlte, so wenig fürchtete ich von dem Ausgange etwas mehr als einen Verlust meines Vermögens: doch die Sache bekam die unglücklichste Wendung wider mich. Ad- vokaten, Schreiber, Richter parlirten, schmier- ten, referirten, dekretirten so lange, bis ich für schuldig erkannt, und mir Vermögen, Le- ben und Ehre abgesprochen wurden. Jch Unglückliche! um dem traurigsten Schicksale zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande und ließ die Schande auf meinem Namen zu- rück, die ich nicht selbst tragen wollte. Jch wurde von einigen Kaufleuten, die meinem Vater große Verbindlichkeiten schuldig waren,
ohne weitlaͤuftige Streitigkeiten nicht geſche- hen konnte. Eine Dame iſt fuͤr die Kaͤmpfe der Liebe, aber nicht fuͤr die Kaͤmpfe der Ge- rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem Rechte bis zu einer betraͤchtlichen Schmaͤle- rung meines Vermoͤgens nach, um zur Ruhe zu gelangen. Umſonſt ſchmeichelte ich mir mit dieſer Hoffnung: ſeine Erben machten auf einmal, ſchon einige Zeit nach dem Tode meines Mannes, einen Prozeß wider mich an- haͤngig, worinne ſie mir die Vergiftung mei- nes Mannes ſchuld gaben. So rein ich mein Gewiſſen fuͤhlte, ſo wenig fuͤrchtete ich von dem Ausgange etwas mehr als einen Verluſt meines Vermoͤgens: doch die Sache bekam die ungluͤcklichſte Wendung wider mich. Ad- vokaten, Schreiber, Richter parlirten, ſchmier- ten, referirten, dekretirten ſo lange, bis ich fuͤr ſchuldig erkannt, und mir Vermoͤgen, Le- ben und Ehre abgeſprochen wurden. Jch Ungluͤckliche! um dem traurigſten Schickſale zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande und ließ die Schande auf meinem Namen zu- ruͤck, die ich nicht ſelbſt tragen wollte. Jch wurde von einigen Kaufleuten, die meinem Vater große Verbindlichkeiten ſchuldig waren,
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ohne weitlaͤuftige Streitigkeiten nicht geſche-
hen konnte. Eine Dame iſt fuͤr die Kaͤmpfe
der Liebe, aber nicht fuͤr die Kaͤmpfe der Ge-
rechtigkeit gemacht: ich ließ von meinem
Rechte bis zu einer betraͤchtlichen Schmaͤle-
rung meines Vermoͤgens nach, um zur Ruhe
zu gelangen. Umſonſt ſchmeichelte ich mir
mit dieſer Hoffnung: ſeine Erben machten
auf einmal, ſchon einige Zeit nach dem Tode
meines Mannes, einen Prozeß wider mich an-
haͤngig, worinne ſie mir die Vergiftung mei-
nes Mannes ſchuld gaben. So rein ich mein
Gewiſſen fuͤhlte, ſo wenig fuͤrchtete ich von
dem Ausgange etwas mehr als einen Verluſt
meines Vermoͤgens: doch die Sache bekam
die ungluͤcklichſte Wendung wider mich. Ad-
vokaten, Schreiber, Richter parlirten, ſchmier-
ten, referirten, dekretirten ſo lange, bis ich
fuͤr ſchuldig erkannt, und mir Vermoͤgen, Le-
ben und Ehre abgeſprochen wurden. Jch
Ungluͤckliche! um dem traurigſten Schickſale
zu entgehn, floh ich aus meinem Vaterlande
und ließ die Schande auf meinem Namen zu-
ruͤck, die ich nicht ſelbſt tragen wollte. Jch
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/150>, abgerufen am 23.11.2024.
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