ben, mit Schiffbruch sein Vermögen retten und den Weg wandern, den viele tausend seiner Brüder gegangen sind, in Länder, wo Vernunft und Freiheit herrschen, und ver- nünftig denken und wahr denken eins ist: noch glücklich, daß er nicht zu jenen Zeiten der höchsten Unmenschlichkeit lebte, wo Frank- reich seine Felder mit dem Blute seiner Ein- wohner düngen wollte! -- O du schändlich- ster verderblichster unter allen Despotismen! Despotismus des Aberglaubens, der Schein- heiligkeit, der Habsucht im schwarzen Man- tel, der heiligen Dummheit, der Vorurtheile! verheere nicht länger mein Vaterland, dessen milder Himmel nur Menschlichkeit und ge- sunde Vernunft einflößen sollte! verheere kein Land dieser Erde mehr! und die ihr es ver- mögt, tilgt, sengt, schneidet, würgt, reu- tet ihn von der Wurzel aus, wo ihr ihn fin- det, wenn ihr euch und euer Volk liebt!
Belphegor, der nur ein Fünkchen brauchte, um in die Flamme der Begeisterung aufzulo- dern, fiel auf seine Kniee und rief mit entzück- ter Stimme: O du göttliches Geschenk! Frei- heit zu denken, Freiheit zu reden! komm auf alle Länder herab, die der Glückseligkeit
ben, mit Schiffbruch ſein Vermoͤgen retten und den Weg wandern, den viele tauſend ſeiner Bruͤder gegangen ſind, in Laͤnder, wo Vernunft und Freiheit herrſchen, und ver- nuͤnftig denken und wahr denken eins iſt: noch gluͤcklich, daß er nicht zu jenen Zeiten der hoͤchſten Unmenſchlichkeit lebte, wo Frank- reich ſeine Felder mit dem Blute ſeiner Ein- wohner duͤngen wollte! — O du ſchaͤndlich- ſter verderblichſter unter allen Deſpotiſmen! Deſpotiſmus des Aberglaubens, der Schein- heiligkeit, der Habſucht im ſchwarzen Man- tel, der heiligen Dummheit, der Vorurtheile! verheere nicht laͤnger mein Vaterland, deſſen milder Himmel nur Menſchlichkeit und ge- ſunde Vernunft einfloͤßen ſollte! verheere kein Land dieſer Erde mehr! und die ihr es ver- moͤgt, tilgt, ſengt, ſchneidet, wuͤrgt, reu- tet ihn von der Wurzel aus, wo ihr ihn fin- det, wenn ihr euch und euer Volk liebt!
Belphegor, der nur ein Fuͤnkchen brauchte, um in die Flamme der Begeiſterung aufzulo- dern, fiel auf ſeine Kniee und rief mit entzuͤck- ter Stimme: O du goͤttliches Geſchenk! Frei- heit zu denken, Freiheit zu reden! komm auf alle Laͤnder herab, die der Gluͤckſeligkeit
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ben, mit Schiffbruch ſein Vermoͤgen retten
und den Weg wandern, den viele tauſend
ſeiner Bruͤder gegangen ſind, in Laͤnder, wo
Vernunft und Freiheit herrſchen, und ver-
nuͤnftig denken und wahr denken eins iſt:
noch gluͤcklich, daß er nicht zu jenen Zeiten
der hoͤchſten Unmenſchlichkeit lebte, wo Frank-
reich ſeine Felder mit dem Blute ſeiner Ein-
wohner duͤngen wollte! — O du ſchaͤndlich-
ſter verderblichſter unter allen Deſpotiſmen!
Deſpotiſmus des Aberglaubens, der Schein-
heiligkeit, der Habſucht im ſchwarzen Man-
tel, der heiligen Dummheit, der Vorurtheile!
verheere nicht laͤnger mein Vaterland, deſſen
milder Himmel nur Menſchlichkeit und ge-
ſunde Vernunft einfloͤßen ſollte! verheere kein
Land dieſer Erde mehr! und die ihr es ver-
moͤgt, tilgt, ſengt, ſchneidet, wuͤrgt, reu-
tet ihn von der Wurzel aus, wo ihr ihn fin-
det, wenn ihr euch und euer Volk liebt!
Belphegor, der nur ein Fuͤnkchen brauchte,
um in die Flamme der Begeiſterung aufzulo-
dern, fiel auf ſeine Kniee und rief mit entzuͤck-
ter Stimme: O du goͤttliches Geſchenk! Frei-
heit zu denken, Freiheit zu reden! komm
auf alle Laͤnder herab, die der Gluͤckſeligkeit
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/159>, abgerufen am 24.11.2024.
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