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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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daß er, wenn die Unternehmung gelang, blos
die Person des Despoten veränderte: nie-
mand hatte einen Begriff von einer andern
Regierungsform, noch Begierde dazu: man
stritt höchstens für die Ehre, sich seinen Un-
terdrücker selbst gewählt zu haben. Dieses
geringen Vortheils ungeachtet, verschafte ihm
doch die angeborne Neigung des Menschen
zum Kriege und eine gewisse neidische Freude,
den Tirannen, den man, wenn er mächtig
ist, fürchten muß, zu stürzen, und sich da-
durch gleichsam für die bisherige Furcht zu
rächen -- diese beiden Antriebe verschaften
dem Anführer einen so zahlreichen Anhang,
daß er allenthalben die schrecklichste Verwü-
stung verbreitete, und jedermann entweder
für ihn fechten oder niedergehauen werden
mußte.

Bey einer so nahen und fürchterlichen Ge-
fahr hielt es der Herr des Belphegors und
Medardus für die beste Partie, mit seinen
Effekten, so viel er davon fortbringen konnte,
und seinen Sklaven sich durch die Flucht zu
retten und den ganzen zurückgelaßnen Rest
seinem Leben und der Wuth der Rebellen auf-
zuopfern. Ein Trupp hatte sich in einen

Distrikt

daß er, wenn die Unternehmung gelang, blos
die Perſon des Deſpoten veraͤnderte: nie-
mand hatte einen Begriff von einer andern
Regierungsform, noch Begierde dazu: man
ſtritt hoͤchſtens fuͤr die Ehre, ſich ſeinen Un-
terdruͤcker ſelbſt gewaͤhlt zu haben. Dieſes
geringen Vortheils ungeachtet, verſchafte ihm
doch die angeborne Neigung des Menſchen
zum Kriege und eine gewiſſe neidiſche Freude,
den Tirannen, den man, wenn er maͤchtig
iſt, fuͤrchten muß, zu ſtuͤrzen, und ſich da-
durch gleichſam fuͤr die bisherige Furcht zu
raͤchen — dieſe beiden Antriebe verſchaften
dem Anfuͤhrer einen ſo zahlreichen Anhang,
daß er allenthalben die ſchrecklichſte Verwuͤ-
ſtung verbreitete, und jedermann entweder
fuͤr ihn fechten oder niedergehauen werden
mußte.

Bey einer ſo nahen und fuͤrchterlichen Ge-
fahr hielt es der Herr des Belphegors und
Medardus fuͤr die beſte Partie, mit ſeinen
Effekten, ſo viel er davon fortbringen konnte,
und ſeinen Sklaven ſich durch die Flucht zu
retten und den ganzen zuruͤckgelaßnen Reſt
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[144/0164] daß er, wenn die Unternehmung gelang, blos die Perſon des Deſpoten veraͤnderte: nie- mand hatte einen Begriff von einer andern Regierungsform, noch Begierde dazu: man ſtritt hoͤchſtens fuͤr die Ehre, ſich ſeinen Un- terdruͤcker ſelbſt gewaͤhlt zu haben. Dieſes geringen Vortheils ungeachtet, verſchafte ihm doch die angeborne Neigung des Menſchen zum Kriege und eine gewiſſe neidiſche Freude, den Tirannen, den man, wenn er maͤchtig iſt, fuͤrchten muß, zu ſtuͤrzen, und ſich da- durch gleichſam fuͤr die bisherige Furcht zu raͤchen — dieſe beiden Antriebe verſchaften dem Anfuͤhrer einen ſo zahlreichen Anhang, daß er allenthalben die ſchrecklichſte Verwuͤ- ſtung verbreitete, und jedermann entweder fuͤr ihn fechten oder niedergehauen werden mußte. Bey einer ſo nahen und fuͤrchterlichen Ge- fahr hielt es der Herr des Belphegors und Medardus fuͤr die beſte Partie, mit ſeinen Effekten, ſo viel er davon fortbringen konnte, und ſeinen Sklaven ſich durch die Flucht zu retten und den ganzen zuruͤckgelaßnen Reſt ſeinem Leben und der Wuth der Rebellen auf- zuopfern. Ein Trupp hatte ſich in einen Diſtrikt

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/164>, abgerufen am 25.11.2024.