dem andern zwo große und etliche kleine Adern an der beneideten Hand entzweyschnitt. -- Welch ein feiner Ehrgeiz muß in diesem Lan- de herrschen! rief Belphegor. --
Mich beschäftigte die Begebenheit nicht länger, als ich darüber lachte: ich bin der- gleichen Wettstreite um die Ehre gewohnt. Das ist der Krieg der Hofhaltungen, der aber nirgends so hitzig geführt wird als an der Hofstatt des Apolls. Jedermann buhlt da um die Gunst des eigensinnigsten Geschö- pfes -- des öffentlichen Belfalls. -- Bel- phegor! dein gutes menschenliebendes Herz würde Kapriolen machen, wenn du die Kün- ste, die Kabalen sähest und hörtest, die sich die Leute, jenem wankelmüthigen leeren Dinge zu Gefallen, spielen, wie sie sich hassen, mit Satire, Pasquillen, Verläumdungen verfol- gen, unterdrücken, ihr und andrer Leben ver- bittern, fast unglücklich machen, um einan- der ein Bröckchen Beifall abzujagen, dessen Genuß ihnen doch wahrhaftig die Hälfte der erlittnen Unannehmlichkeiten nicht wieder ver- gütet. Aber keiner unter diesem kriegerischen Dichtervolk hat doch gewiß seit der Schö- pfung so weitaussehende Absichten gehabt als
dem andern zwo große und etliche kleine Adern an der beneideten Hand entzweyſchnitt. — Welch ein feiner Ehrgeiz muß in dieſem Lan- de herrſchen! rief Belphegor. —
Mich beſchaͤftigte die Begebenheit nicht laͤnger, als ich daruͤber lachte: ich bin der- gleichen Wettſtreite um die Ehre gewohnt. Das iſt der Krieg der Hofhaltungen, der aber nirgends ſo hitzig gefuͤhrt wird als an der Hofſtatt des Apolls. Jedermann buhlt da um die Gunſt des eigenſinnigſten Geſchoͤ- pfes — des oͤffentlichen Belfalls. — Bel- phegor! dein gutes menſchenliebendes Herz wuͤrde Kapriolen machen, wenn du die Kuͤn- ſte, die Kabalen ſaͤheſt und hoͤrteſt, die ſich die Leute, jenem wankelmuͤthigen leeren Dinge zu Gefallen, ſpielen, wie ſie ſich haſſen, mit Satire, Pasquillen, Verlaͤumdungen verfol- gen, unterdruͤcken, ihr und andrer Leben ver- bittern, faſt ungluͤcklich machen, um einan- der ein Broͤckchen Beifall abzujagen, deſſen Genuß ihnen doch wahrhaftig die Haͤlfte der erlittnen Unannehmlichkeiten nicht wieder ver- guͤtet. Aber keiner unter dieſem kriegeriſchen Dichtervolk hat doch gewiß ſeit der Schoͤ- pfung ſo weitausſehende Abſichten gehabt als
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dem andern zwo große und etliche kleine Adern
an der beneideten Hand entzweyſchnitt. —
Welch ein feiner Ehrgeiz muß in dieſem Lan-
de herrſchen! rief Belphegor. —
Mich beſchaͤftigte die Begebenheit nicht
laͤnger, als ich daruͤber lachte: ich bin der-
gleichen Wettſtreite um die Ehre gewohnt.
Das iſt der Krieg der Hofhaltungen, der
aber nirgends ſo hitzig gefuͤhrt wird als an
der Hofſtatt des Apolls. Jedermann buhlt
da um die Gunſt des eigenſinnigſten Geſchoͤ-
pfes — des oͤffentlichen Belfalls. — Bel-
phegor! dein gutes menſchenliebendes Herz
wuͤrde Kapriolen machen, wenn du die Kuͤn-
ſte, die Kabalen ſaͤheſt und hoͤrteſt, die ſich
die Leute, jenem wankelmuͤthigen leeren Dinge
zu Gefallen, ſpielen, wie ſie ſich haſſen, mit
Satire, Pasquillen, Verlaͤumdungen verfol-
gen, unterdruͤcken, ihr und andrer Leben ver-
bittern, faſt ungluͤcklich machen, um einan-
der ein Broͤckchen Beifall abzujagen, deſſen
Genuß ihnen doch wahrhaftig die Haͤlfte der
erlittnen Unannehmlichkeiten nicht wieder ver-
guͤtet. Aber keiner unter dieſem kriegeriſchen
Dichtervolk hat doch gewiß ſeit der Schoͤ-
pfung ſo weitausſehende Abſichten gehabt als
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/182>, abgerufen am 26.11.2024.
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