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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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weniger zutrauten, als ich damals an ihm
zu finden glaubte: ich sah die Menschen ein-
zeln, ich warf einen eindringenden Blick in
ihr Herz, ich belauschte sie, und -- Tiger
entdeckte ich, die einander zerreißen möchten,
Falsche, die das verspotteten, was sie vorhin
bewunderten, die das beneideten, wozu sie
vorhin Glück wünschten, die den haßten, den
sie vorhin gebückt ehrten; Herzen entdeckte
ich, mit dem verächtlichsten Unrathe kleiner
Begierden, elender Wünsche, niedriger Ver-
langen angefüllt; Köpfe, mit leeren nichts-
würdigen Anschlägen, unterdrückenden Listen,
Projekten einer Seifenblasengröße beladen:
nein, dachte ich, mit euch, Leutchen, kann
mein Weg nicht lange auf Einem Fußsteige
fortgehn; ich müßte mich ganz umschmelzen,
oder mich mit einem gar zu starken Firnisse
der Heucheley übermahlen, wenn ich nicht in
ewigem Widerspruche mit euch seyn wollte.
Jch, Narr, ich grämte mich, ich tadelte mich
darüber, ich warf mir Unvollkommenheit,
Unthätigkeit vor, daß ich meine Zunge nicht
zur Bewundrung zwingen konnte, daß meine
trägen Hände sich nach keiner der geschäzten
Hoheiten, nach keiner dieser goldschimmern-

weniger zutrauten, als ich damals an ihm
zu finden glaubte: ich ſah die Menſchen ein-
zeln, ich warf einen eindringenden Blick in
ihr Herz, ich belauſchte ſie, und — Tiger
entdeckte ich, die einander zerreißen moͤchten,
Falſche, die das verſpotteten, was ſie vorhin
bewunderten, die das beneideten, wozu ſie
vorhin Gluͤck wuͤnſchten, die den haßten, den
ſie vorhin gebuͤckt ehrten; Herzen entdeckte
ich, mit dem veraͤchtlichſten Unrathe kleiner
Begierden, elender Wuͤnſche, niedriger Ver-
langen angefuͤllt; Koͤpfe, mit leeren nichts-
wuͤrdigen Anſchlaͤgen, unterdruͤckenden Liſten,
Projekten einer Seifenblaſengroͤße beladen:
nein, dachte ich, mit euch, Leutchen, kann
mein Weg nicht lange auf Einem Fußſteige
fortgehn; ich muͤßte mich ganz umſchmelzen,
oder mich mit einem gar zu ſtarken Firniſſe
der Heucheley uͤbermahlen, wenn ich nicht in
ewigem Widerſpruche mit euch ſeyn wollte.
Jch, Narr, ich graͤmte mich, ich tadelte mich
daruͤber, ich warf mir Unvollkommenheit,
Unthaͤtigkeit vor, daß ich meine Zunge nicht
zur Bewundrung zwingen konnte, daß meine
traͤgen Haͤnde ſich nach keiner der geſchaͤzten
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[248/0268] weniger zutrauten, als ich damals an ihm zu finden glaubte: ich ſah die Menſchen ein- zeln, ich warf einen eindringenden Blick in ihr Herz, ich belauſchte ſie, und — Tiger entdeckte ich, die einander zerreißen moͤchten, Falſche, die das verſpotteten, was ſie vorhin bewunderten, die das beneideten, wozu ſie vorhin Gluͤck wuͤnſchten, die den haßten, den ſie vorhin gebuͤckt ehrten; Herzen entdeckte ich, mit dem veraͤchtlichſten Unrathe kleiner Begierden, elender Wuͤnſche, niedriger Ver- langen angefuͤllt; Koͤpfe, mit leeren nichts- wuͤrdigen Anſchlaͤgen, unterdruͤckenden Liſten, Projekten einer Seifenblaſengroͤße beladen: nein, dachte ich, mit euch, Leutchen, kann mein Weg nicht lange auf Einem Fußſteige fortgehn; ich muͤßte mich ganz umſchmelzen, oder mich mit einem gar zu ſtarken Firniſſe der Heucheley uͤbermahlen, wenn ich nicht in ewigem Widerſpruche mit euch ſeyn wollte. Jch, Narr, ich graͤmte mich, ich tadelte mich daruͤber, ich warf mir Unvollkommenheit, Unthaͤtigkeit vor, daß ich meine Zunge nicht zur Bewundrung zwingen konnte, daß meine traͤgen Haͤnde ſich nach keiner der geſchaͤzten Hoheiten, nach keiner dieſer goldſchimmern-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/268>, abgerufen am 22.11.2024.