gewissenhaft sie mich hintergieng, so ist sie mir doch noch der schönste, der reizendste Theil der Schöpfung. Meine ganze Seele ist in ihre Neizungen verwebt; sie kann sich nicht losreißen, ohne sich selbst zu zerreißen: mein Gehirn -- -- --
"Nimm mirs nicht übel! -- mag ein we- "nig versengt seyn. Glaubst du denn, daß "die Natur in ihrem ganzen Leben nur ein "einzigmal Luft, Feuer, Wasser, Erde zu- "sammen knetete, und nur eine einzige so "schöne Wachspuppe daraus bildete, wie die "Ungetreue, die dich izt lahm geschlagen "hat? -- Es ist ja alles voll davon! -- "Was machst du mit der Empfindung in "Dieser Welt? -- Das ist eine Last, die "dich mit jedem Schritte zu Boden zieht. So "viel als nöthig ist, um die Freude zu füh- "len! das übrige wirf weg! Jch habe mich "in mich selbst zusammengerollt, und lasse "mich vom Schicksale durch die Welt durch- "wälzen, ohne daß mich etwas aufhält: stoße "ich irgendwo an, so bleibe ich so lange lie- "gen, bis ich wieder einen neuen Stoß be- "komme, und dann geht die Reise von neuem "fort."
gewiſſenhaft ſie mich hintergieng, ſo iſt ſie mir doch noch der ſchoͤnſte, der reizendſte Theil der Schoͤpfung. Meine ganze Seele iſt in ihre Neizungen verwebt; ſie kann ſich nicht losreißen, ohne ſich ſelbſt zu zerreißen: mein Gehirn — — —
„Nimm mirs nicht uͤbel! — mag ein we- „nig verſengt ſeyn. Glaubſt du denn, daß „die Natur in ihrem ganzen Leben nur ein „einzigmal Luft, Feuer, Waſſer, Erde zu- „ſammen knetete, und nur eine einzige ſo „ſchoͤne Wachspuppe daraus bildete, wie die „Ungetreue, die dich izt lahm geſchlagen „hat? — Es iſt ja alles voll davon! — „Was machſt du mit der Empfindung in „Dieſer Welt? — Das iſt eine Laſt, die „dich mit jedem Schritte zu Boden zieht. So „viel als noͤthig iſt, um die Freude zu fuͤh- „len! das uͤbrige wirf weg! Jch habe mich „in mich ſelbſt zuſammengerollt, und laſſe „mich vom Schickſale durch die Welt durch- „waͤlzen, ohne daß mich etwas aufhaͤlt: ſtoße „ich irgendwo an, ſo bleibe ich ſo lange lie- „gen, bis ich wieder einen neuen Stoß be- „komme, und dann geht die Reiſe von neuem „fort.‟
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0028"n="8"/>
gewiſſenhaft ſie mich hintergieng, ſo iſt ſie<lb/>
mir doch noch der ſchoͤnſte, der reizendſte Theil<lb/>
der Schoͤpfung. Meine ganze Seele iſt in<lb/>
ihre Neizungen verwebt; ſie kann ſich nicht<lb/>
losreißen, ohne ſich ſelbſt zu zerreißen: mein<lb/>
Gehirn ———</p><lb/><p>„Nimm mirs nicht uͤbel! — mag ein we-<lb/>„nig verſengt ſeyn. Glaubſt du denn, daß<lb/>„die Natur in ihrem ganzen Leben nur ein<lb/>„einzigmal Luft, Feuer, Waſſer, Erde zu-<lb/>„ſammen knetete, und nur eine einzige ſo<lb/>„ſchoͤne Wachspuppe daraus bildete, wie die<lb/>„Ungetreue, die dich izt lahm geſchlagen<lb/>„hat? — Es iſt ja alles voll davon! —<lb/>„Was machſt du mit der Empfindung in<lb/>„<hirendition="#fr">Dieſer</hi> Welt? — Das iſt eine Laſt, die<lb/>„dich mit jedem Schritte zu Boden zieht. So<lb/>„viel als noͤthig iſt, um die Freude zu fuͤh-<lb/>„len! das uͤbrige wirf weg! Jch habe mich<lb/>„in mich ſelbſt zuſammengerollt, und laſſe<lb/>„mich vom Schickſale durch die Welt durch-<lb/>„waͤlzen, ohne daß mich etwas aufhaͤlt: ſtoße<lb/>„ich irgendwo an, ſo bleibe ich ſo lange lie-<lb/>„gen, bis ich wieder einen neuen Stoß be-<lb/>„komme, und dann geht die Reiſe von neuem<lb/>„fort.‟</p><lb/></div></body></text></TEI>
[8/0028]
gewiſſenhaft ſie mich hintergieng, ſo iſt ſie
mir doch noch der ſchoͤnſte, der reizendſte Theil
der Schoͤpfung. Meine ganze Seele iſt in
ihre Neizungen verwebt; ſie kann ſich nicht
losreißen, ohne ſich ſelbſt zu zerreißen: mein
Gehirn — — —
„Nimm mirs nicht uͤbel! — mag ein we-
„nig verſengt ſeyn. Glaubſt du denn, daß
„die Natur in ihrem ganzen Leben nur ein
„einzigmal Luft, Feuer, Waſſer, Erde zu-
„ſammen knetete, und nur eine einzige ſo
„ſchoͤne Wachspuppe daraus bildete, wie die
„Ungetreue, die dich izt lahm geſchlagen
„hat? — Es iſt ja alles voll davon! —
„Was machſt du mit der Empfindung in
„Dieſer Welt? — Das iſt eine Laſt, die
„dich mit jedem Schritte zu Boden zieht. So
„viel als noͤthig iſt, um die Freude zu fuͤh-
„len! das uͤbrige wirf weg! Jch habe mich
„in mich ſelbſt zuſammengerollt, und laſſe
„mich vom Schickſale durch die Welt durch-
„waͤlzen, ohne daß mich etwas aufhaͤlt: ſtoße
„ich irgendwo an, ſo bleibe ich ſo lange lie-
„gen, bis ich wieder einen neuen Stoß be-
„komme, und dann geht die Reiſe von neuem
„fort.‟
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/28>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.