Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.linken Beine hinken sollte. Endlich wur- linken Beine hinken ſollte. Endlich wur- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0304" n="284"/> linken Beine hinken ſollte. Endlich wur-<lb/> de man des Aufruhrs uͤberdruͤßig und wollte<lb/> die Entſcheidung des Streites dem großen<lb/> Neguz auftragen, der allein mit Zuverlaͤſſig-<lb/> keit berichten koͤnne, welcher von ſeinen Fuͤßen<lb/> lahm ſey. Es geſchah; und man erfuhr,<lb/> daß der Kaiſer gar nicht hinke, ſondern auf<lb/> einem Auge blind ſey. Wirklich hatte ſich<lb/> auch das ganze Hoflager von dem Naͤchſten<lb/> nach dem Kaiſer bis auf den unterſten Stall-<lb/> knecht aus Ergebenheit gegen ihren Herrn<lb/> das linke Auge ausſtechen laſſen; und nur<lb/> aus Neid, Misgunſt und Unterſcheidungs-<lb/> ſucht war von den Hoͤflingen das Geruͤcht<lb/> von dem Hinken des Kaiſers ausgeſprengt<lb/> worden, damit der Hof allein mit dem Vor-<lb/> zuge einer wahren Aehnlichkeit mit dem Ne-<lb/> guz prange. Aus alberner Begierde vergaß<lb/> das tumme Volk ſich zu erkundigen, welches<lb/> Auge ihrem Monarchen fehlte, ſondern ſie lie-<lb/> fen haufenweiſe wie in einer Trunkenheit zu-<lb/> ruͤck, und jeder ſtach oder ſtieß ſich ein Auge<lb/> aus. Manche nahmen aus Oekonomie das<lb/> ſchlechteſte unter ihren beiden dazu; die na-<lb/> tuͤrlich Blinden erſparten ſich den Schmerz<lb/> und ließen es bey ihrer angebornen Aehnlich-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [284/0304]
linken Beine hinken ſollte. Endlich wur-
de man des Aufruhrs uͤberdruͤßig und wollte
die Entſcheidung des Streites dem großen
Neguz auftragen, der allein mit Zuverlaͤſſig-
keit berichten koͤnne, welcher von ſeinen Fuͤßen
lahm ſey. Es geſchah; und man erfuhr,
daß der Kaiſer gar nicht hinke, ſondern auf
einem Auge blind ſey. Wirklich hatte ſich
auch das ganze Hoflager von dem Naͤchſten
nach dem Kaiſer bis auf den unterſten Stall-
knecht aus Ergebenheit gegen ihren Herrn
das linke Auge ausſtechen laſſen; und nur
aus Neid, Misgunſt und Unterſcheidungs-
ſucht war von den Hoͤflingen das Geruͤcht
von dem Hinken des Kaiſers ausgeſprengt
worden, damit der Hof allein mit dem Vor-
zuge einer wahren Aehnlichkeit mit dem Ne-
guz prange. Aus alberner Begierde vergaß
das tumme Volk ſich zu erkundigen, welches
Auge ihrem Monarchen fehlte, ſondern ſie lie-
fen haufenweiſe wie in einer Trunkenheit zu-
ruͤck, und jeder ſtach oder ſtieß ſich ein Auge
aus. Manche nahmen aus Oekonomie das
ſchlechteſte unter ihren beiden dazu; die na-
tuͤrlich Blinden erſparten ſich den Schmerz
und ließen es bey ihrer angebornen Aehnlich-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |