warnte, in diesem Loche nicht zu über- nachten. Es ist das ärgste Diebesnest, das der Mond bescheint. -- Wo soll ich aber blei- ben? -- Lieber unter freyem Himmel: wenn Sie wollten, so könnte ich Sie wohl an ei- nen guten Ort bringen. -- Belphegor merk- te, worauf es ankam, um dahingebracht zu werden; er gab ihm von dem Wenigen, was ihm sein Freund zurückließ, ein kleines Ge- schenk und folgte ihm nach. Der Wegweiser führte ihn in einen dichten Wald, faßte ihn in der Mitte desselben bey der Gurgel und schwur, ihn auf der Stelle umzubringen, wenn er nicht seine ganzen Habseligkeiten an ihn auslieferte. -- Aber welches Recht habt Jhr Bösewicht dazu? fragte Belphegor. Der Räuber wies ihm statt der Antwort ein lan- ges Messer, nahm ihm sein Vermögen aus der Tasche, warf ihn zu Boden, kniete ihm auf die Brust und durchsuchte alle Behältnisse an seinem ganzen Leibe, wo sich nur eine Beute vermuthen ließ, gab ihm einen derben Fluch zum Abschiede, als er nichts erhebli- ches fand, und begab sich auf den Rückweg.
Die ganze Nacht hindurch blieb er in die- sem Zustande liegen, ohne wegen der Unbe-
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warnte, in dieſem Loche nicht zu uͤber- nachten. Es iſt das aͤrgſte Diebesneſt, das der Mond beſcheint. — Wo ſoll ich aber blei- ben? — Lieber unter freyem Himmel: wenn Sie wollten, ſo koͤnnte ich Sie wohl an ei- nen guten Ort bringen. — Belphegor merk- te, worauf es ankam, um dahingebracht zu werden; er gab ihm von dem Wenigen, was ihm ſein Freund zuruͤckließ, ein kleines Ge- ſchenk und folgte ihm nach. Der Wegweiſer fuͤhrte ihn in einen dichten Wald, faßte ihn in der Mitte deſſelben bey der Gurgel und ſchwur, ihn auf der Stelle umzubringen, wenn er nicht ſeine ganzen Habſeligkeiten an ihn auslieferte. — Aber welches Recht habt Jhr Boͤſewicht dazu? fragte Belphegor. Der Raͤuber wies ihm ſtatt der Antwort ein lan- ges Meſſer, nahm ihm ſein Vermoͤgen aus der Taſche, warf ihn zu Boden, kniete ihm auf die Bruſt und durchſuchte alle Behaͤltniſſe an ſeinem ganzen Leibe, wo ſich nur eine Beute vermuthen ließ, gab ihm einen derben Fluch zum Abſchiede, als er nichts erhebli- ches fand, und begab ſich auf den Ruͤckweg.
Die ganze Nacht hindurch blieb er in die- ſem Zuſtande liegen, ohne wegen der Unbe-
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warnte, in dieſem Loche nicht zu uͤber-
nachten. Es iſt das aͤrgſte Diebesneſt, das
der Mond beſcheint. — Wo ſoll ich aber blei-
ben? — Lieber unter freyem Himmel: wenn
Sie wollten, ſo koͤnnte ich Sie wohl an ei-
nen guten Ort bringen. — Belphegor merk-
te, worauf es ankam, um dahingebracht zu
werden; er gab ihm von dem Wenigen, was
ihm ſein Freund zuruͤckließ, ein kleines Ge-
ſchenk und folgte ihm nach. Der Wegweiſer
fuͤhrte ihn in einen dichten Wald, faßte ihn
in der Mitte deſſelben bey der Gurgel und
ſchwur, ihn auf der Stelle umzubringen,
wenn er nicht ſeine ganzen Habſeligkeiten an
ihn auslieferte. — Aber welches Recht habt
Jhr Boͤſewicht dazu? fragte Belphegor. Der
Raͤuber wies ihm ſtatt der Antwort ein lan-
ges Meſſer, nahm ihm ſein Vermoͤgen aus
der Taſche, warf ihn zu Boden, kniete ihm
auf die Bruſt und durchſuchte alle Behaͤltniſſe
an ſeinem ganzen Leibe, wo ſich nur eine
Beute vermuthen ließ, gab ihm einen derben
Fluch zum Abſchiede, als er nichts erhebli-
ches fand, und begab ſich auf den Ruͤckweg.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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